**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 27. September 2005; 16:10
**********************************************************

BRD/Wahlen/Glossen:

> Thesen zur BRD-Wahl

1.Die Wahlen zum deutschen Bundestag bescherten der SPD einen historischen
Tiefstand. Der neoliberale Kurs von Rot-Gruen fuehrte in die Sackgasse. Aber
Schwarz-Gelb konnte davon - trotz aller Demagogie - keine entscheidenden
Gewinne erzielen. CDU/CSU und FDP kommen zusammen gerade auf 46 Prozent der
Stimmen. SPD, Gruene und Linkspartei - das was im Politologen-Jargon "Links
von der Mitte" genannt wird - erhielten hingegen 51,1 Pozent (34,3;8,1;8,7
Prozent). Von einem Rechtsruck und einem - von den buergerlichen Medien
herbeigesehnten - Sieg der Wende-Ritter kann keine Rede sein.

2.Die Linkspartei errang auf Anhieb 8,7 Prozent, ueberfluegelte die Gruenen
und wurde viertstaerkste Partei (auch der Unterschied zur FDP, die 2,4
Prozent dazugewann, betraegt bloss 1,1 Prozent). Gegenueber 2002 - wo nur
die PDS kandidierte - gab es ein Plus von 4,7 Prozent. Die Linkspartei ist
also DIE - positive - Ueberraschung dieser Wahl.

3. Die Linkspartei hat vielen, die auch auf parlamentarischer Ebene ihren
Unmut und Protest gegen Sozialabbau und Aufruesterei artikulieren wollten,
eine konkrete Ausdrucksmoeglichkeit gegeben. Sie hat nicht unwesentlich dazu
beigetragen, dass nicht die buergerliche Rechte (ebenso die Rechtsextremen)
von der Kahlschlagpolitik von Rot-Gruen profitieren konnte. Wenn es ihr
gelingt, in der Frage der Regierungsbildung eine differenzierte Position zu
entwickeln - etwa Tolerierung einer rot-gruenen Minderheitsregierung
(entsprechendes "taktisches" Votum bei der Vertrauensfrage) ohne im
mindesten die Politik einer SPD-Gruene-Regierung zu unterstuetzen - wird sie
weiter an Boden gewinnen. Vor allem wird es jedoch darauf ankommen, dass sie
sich als "Sprachrohr der ausserparlamentarischen Bewegungen" begreift und
nicht das Parlament zu ihrem primaeren Aktionsfeld macht.

4.Der Erfolg der Linkspartei war nicht zuletzt deshalb moeglich, weil viele
ueber ihren jeweiligen ideologischen Schatten gesprungen sind und das
Projekt Linkspartei PLURALISTISCH angelegt ist. In ihr finden sich ehemalige
SozialdemokratInnen, ebenso wie linke GewerkschafterInnen (insbesonders aus
der IG Metall und ver.di), AktivistInnen aus Bewegungen oder Mitglieder von
politischen Organisationen und Parteien. Ohne diese politische Breite (die
natuerlich auch Probleme mit sich bringt) waere sie ein Reissbrett-Konstrukt
geblieben.

5. Oesterreich ist nicht Deutschland, nichts kann 1:1 uebertragen werden.
Weder gibt es im OeGB eine weiterreichende Differenzierung und schon gar
nicht gibt es in der SPOe einen "linken Fluegel". Aber es gibt "aehnliche
Problemlagen": Sozialdemokratie und Gruene betreiben "Neoliberalismus
light", den kritischen Einzelaktivitaeten in der Gesellschaft fehlt eine
nicht vereinnahmende politische Vernetzung, die diversen linken
Organisationen und Parteien pflegen ihr jeweiliges Gaertlein,... Selbst
buergerlichen Kommentatoren ist in letzter Zeit nicht entgangen, dass es
hierzulande "genuegend Raum fuer eine Linkspartei gaebe". Es geht also nicht
um kopieren, sondern um lernen. Die Linkspartei in der BRD koennte ein
Stimulus sein, dass die oesterreichische Linke ernsthaft ueber die
Notwendigkeit einer politischen Kraft links von Sozialdemokratie und Gruenen
zu debattieren beginnt und erste praktische gemeinsame Schritte in diese
Richtung unternimmt. Grundvoraussetzung fuer solch eine Diskussion und
gemeinsame Aktionen ist, dass niemand einen "Fuehrungsanspruch" anmeldet
oder sich bereits als "Gravitationszentrum" begreift, um das sich "andere
dann scharen koennen".

Hermann Dworczak



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.buero@gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero@gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin