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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 27. September 2005; 15:59
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BRD/Wahlen/Glossen:

Keine Kopiervorlage

Eine Linkspartei in Oesterreich waere vor allem eine Frage der
Kosten-Nutzen-Rechnung

Hurra, eine starke Linkspartei ist im deutschen Bundestag! Wie konnte das
geschehen?
Es war nur moeglich, weil erstens ein funktionierender Apparat einer Partei
vorhanden war, die in einem Teil des Landes eine Grosspartei ist und
zweitens weil es im anderen Teil des Landes ehemalige Politprofis und vor
allem -promis einer dortigen Grosspartei gab. Dazu kamen 7 Jahre einer
Koalition wo zwei Parteien, die angeblich links sind, alleine und ohne
glaubwuerdige Ausreden zu haben, beinharte Austeritaetspolitik betrieben.
Das und die entsprechenden Prognosen der Wahlauguren, dass diese Partei
tatsaechlich mehr als nur eine Chance haette, machten den Erfolg aus.

Bei uns gibts das alles nicht -- es gab noch nie eine Koalition von Rot und
Gruen, die die Moeglichkeit gehabt haette, zu beweisen, dass sie auch ohne
Schwarz oder Blau Scheisse bauen kann. Ergo kann man von ihnen auch noch
nicht so frustriert sein. Es gibt daher auch keine maechtige und
geschlossene Abspaltung von der SP oder auch den Gruenen, die sich mit einer
ebenso nicht existenten starken linken Regional-Partei haette
zusammenschliessen koennen -- denn die KPOe wird auch nach einem Erfolg in
der Steiermark dort eine Kleinpartei und auf Bundesebene ein zerstrittenes
Haeuflein bleiben.

Die Linkspartei in Deutschland entstand aus einer historischen Situation
heraus, eine Analogie in Oesterreich zu basteln, so gerne manche davon
traeumen moegen, ist derzeit unrealistisch. Nichts gegen politisches
Traumtaenzertum allgemein, aber die Gruendung einer Linkspartei hiesse in
Oesterreich etwas ganz anderes: es hiesse derzeit unheimlich viel Aufwand,
der kaum eine Chance haette -- und wenn man es doch schaffte, sich zu
etablieren, entspraeche dieser Aufwand kaum dem Nutzen.

Dass es in Deutschland allein die Linkspartei war, die jetzt die Parteien in
eine Patt-Situation gestuerzt hat, muss, egal wie man jetzt zu einer
Promi-Partie bestehend aus einer Ostalgie-Partei und einer SPD-Abspaltung
steht, jeden Linken freuen -- denn gewaehlt wurde diese Kombination
eindeutig aus den "richtigen" Motiven. Aber diese neue Partei brauchte sich
kaum anzustrengen, diesen Erfolg einzufahren - man musste nur geringfuegige
Kompromisse schliessen und keine jahrelange frustriende Aufbauarbeit
leisten, die das Engagement vieler aktiver Menschen ausgesaugt haette. Die
ausserparlamentarische Opposition (die man heutzutage mit einem
irrefuehrenden Wort "Zivilgesellschaft" nennt) blieb unangetastet -- ein
brain-drain, wie er in Oesterreich passiert ist mit der Gruendung der
Gruenen war nicht notwendig. Der Linkspartei blieb auch das Schicksal
erspart, erst dann erfolgreich zu sein, wenn ihre Protagonisten schon
laengst schmeichelweich gespuelt worden sind, wie das bei den nicht mehr
sehr alternativen Gruenen hierzulande der Fall ist.

Und dennoch wird ihre politische Partizipation gering bleiben, denn es wird
wohl eine "italienische Loesung" geben. Denn in Italien waren bis zum
grossen Parteien-Crash Anfang der 90er jahrzehntelang trotz staendiger
Regierungskrisen immer ziemlich stabile Koalitionen am Ruder. Man einigte
sich einfach darauf, dass man zusammenarbeiten muesse, damit man die
Kommunisten -- die PCI hatte in ihrer besten Zeit auf Bundesebene ein
Drittel aller Stimmen fuer sich -- draussenhalten kann.

Wenn sich nicht doch noch die WASGler romantisch ihrer sozialdemokratischen
Vergangenheit erinnern, wird es sich so aehnlich wohl auch in Deutschland
abspielen. Dennoch wird die Linkspartei vielleicht Druck erzeugen koennen,
nicht obwohl sie in keiner Regierung sitzt, sondern genau deswegen -- eben
weil sie derzeit keinerlei Anpassungsdruck unterworfen ist und auch, weil
sie sich auf eine teils organisierte teils nicht organisierte Bewegung von
unten stuetzen kann, die sie nicht zu okkupieren braucht.

Bei uns sind diese Parameter aber alle nicht gegeben. Was wir brauchen ist
eine Bewegung und die muss erst aufgebaut werden. Wenn als Nebenprodukt eine
parlamentarische Praesenz entsteht, ist das kein Fehler. Aber es gilt
dasselbe, was gescheite Menschen schon vor der Gruendung der Gruenen in
Oesterreich immer wieder gesagt haben: die Bewegung muss VOR der Partei
kommen und nicht die Partei STATT der Bewegung. Wobei fraglich beibt, ob in
diesem immer noch josefinisch gepraegten Land nicht sowieso jede Partei
letztendlich die Bewegung auffressen muss, aus der sie stammt.
*Bernhard Redl*


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