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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 13. September 2005; 15:31
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Aegypten:
> Sie nannten es Wahlen
Am Mittwoch, dem 7. September, fanden in Aegypten zum ersten Mal
Praesidentschaftswahlen mit mehreren Kanditaten statt. Dass diese Wahl bei
weitem nicht fair war, war von Anfang an klar. So gab es fast ausschlieslich
Wahlwerbung fuer den seit 24 Jahren regierenden Praesident Hosni Mubarak -
auf der Strassse, im Fernsehen und und in den Zeitungen.
Mubarak warb mit mehr Arbeit, Sicherheit und Stabilitaet fuer Aegypten. Sein
groesster Herausforderer, Aiman Nour von der Ghad("Morgen")-Partei, forderte
in seinem Programm vor allem ein Arbeitslosenlosengeld von 150 EPfund (ca.
21€) monatlich fuer 2 Jahre, die Freilassung der ca. 30 000 politisch in
Gewahrsam genommenen (oder anders ausgedrueckt: Knast ohne Urteil) und
Redefreiheit.Diese Forderungen zeigen, wie es um die soziale und politische
Lage in Aegypten steht.
Die Wahlen selbst waren von Unregelmaessigkeiteiten gekennzeichnet. So
wurden einige Menschen mit Geld und Essen bestochen, um fuer Mubarak zu
waehlen; einige wurden abgelehnt, waehrend andere -- Mubarak Anhaenger --
oefter waehlen durften,... Ein Freund, der Wahlbeobachtung machte, erzaehlte
mir, dass er in einer Polizeistation war, die als Wahllokal diente. Dort
mussten die Stimmzettel offen auf einem Tisch ausgefuellt werden, waehrend
der Praesident der hiesigen Station ihm und den Waehler erklaerte, wie toll
Mubarak sei. Das Ergebnis ist deswegen auch nicht verwunderlich: 88,6% fuer
Mubarak; 7,6% fuer Nour; an dritter Stelle sei Noaman Gomaanon der echten
Wafd-Partei. Die Wahlbeteiligung lag offiziell bei 23%, in Wirklichkeit
duerften es noch weniger gewesen sein.
Aiman Nour fochte die Wahl wegen der Unregelmaessigkeiten an,doch er wurde
abgewiesen. Begruendet wurde dies von der Wahlkomission damit, dass diese
das Wahlergebnis nur unwesentlich beeinflussten.
Ob Mubarak auch bei fairen Wahlen gewonnen haette, bleibt unklar.
Internetumfragen mit bis zu 3000 Teilnehmern sagten einen Sieg fuer Nour mit
bis zu 60% voraus. Doch zu bedenken ist auch, dass das Klima in Aegypten von
Resignation und Hoffnungslosigkeit gekennzeichnet ist. Einige Menschen, mit
denen ich auf der Srasse sprach, sagten, sie wuerden Mubarak waehlen,
einfach deswegen, weil sie keine andere Wahl saehen.
Wahlboykott von links
Gegen die Wahlfarce in Aegypten protestierte die "neue Linke", die sich
unter dem Slogan "Kifaya" - "Genug!" vor 1 Jahr zusammengfunden hatte.
Kifaya ist ein loser Zusammenschluss verschiedenster AktivistInnen, die sich
die Absetzung Mubaraks zum Ziel gesetzt hat. Im Vorfeld riefen sie zu einem
Wahlboykott auf. Stattdessen wollten sie am Wahltag protestieren. Doch die
angekuendigte Demonstration wurde wegen "Wahlbehinderung" verboten. Der
Polizeipraesident drohte mit Gewalt, sollte sie doch stattfinden.
Etwas mehr als 1000 Menschen liesen sich durch diese Drohungen nicht
einschuechtern, und fanden sich am Mittwoch um 12 Uhr am Midan Tahrir, den
zentralen Platz in Kairo, ein. Es waren viele Medien vor Ort, auch viele
Polizisten - doch die Riot Cops waren fuers erste nicht zu sehen. Ausserdem
versammlten sich auch ca. 50 Mubarak- Abhaenger.
Die Demo fing durchwegs chaotisch an. Mubarak-Gegner und Anhaenger liefen am
Platz auf und ab; die Polizei versuchte den Verkehr zu regeln, doch Autos
fuhren nichtsdestotrotz durch die Demonstration. Ein paarmal kam es fast zu
Handgreiflichkeiten, die jedoch im letzten Moment verhindert wurden.
Immer mehr Menschen fanden sich bei der Demonstration ein, und nach ueber
einer Stunde ging die eigentliche Demonstration los. Die Stimmung war
froehlich und entspannt. Es wurde viel untereinander und mit Passanten,
wovon viele die Demonstration positiv aufnahmen, diskutiert. Ein Demonstrant
erklaerte mir, dass Demokratie nicht mit einer Gluehbirne zu vergleichen
sei, die du ein- und ausschalten kannst. Und tatsaechlich war auf dem
Protest viel mehr von Demokratie zu spueren als waehrend der Wahl selbst.
Die Demo ging kreuz und quer durch die Innenstadt. Die Polizei war zwar
anwesend, doch sie hielt sich zurueck. Es schlossen sich auch immer mehr
Menschen an, kurzzeitig duerften es an die 5 000 Menschen gewesen sein.
Damit war das die bislang groesste Anti-Mubarak-Aktion.
Kurz nach 3 Uhr kam die Menge am Attaba Platz an. Dort warteten ca. 500
Menschen, die pro-Mubarak Sprueche losliesen ("Hosni,Hosni"; "Mit unserm
Blut und unserer Seele-Mubarak") Sie gingen mitten in die Demonstration und
fingen zu poebeln an. Ein Grossteil der Demonstranten fluechtete. Nur ein
paar behielten kuehlen Kopf und bauten mit Strassengitter eine Barrikade, um
die Mubarak-Anhaenger auf Distanz zu halten. Doch da zu wenig Menschen diese
verteidigten, wurde sie bald ueberrannt. Daraufhin startete der Mubarak-Mob
eine regelrechte Hetzjagd auf die Demonstranten. Es kam zu brutalen Szenen:
Einige Messer wurden gezueckt, 30 Maenner pruegelten auf einen Kameramann
ein,... Obwohl mindestens die Haelfte der Mubarak-Gegner Pruegel
einsteckten, wurden gluecklicherweise nur etwa 10 Personnen etwas schwerer
verletzt.
Ein Teil der Demonstranten versammlten sich vor der Gewerkschaft der
Journalisteten, wo sie eine Standkungebung durchfuehrten. Damit ging der
Protesttag zu Ende.
Unklar ist die Rolle der Polizei waehrend des Angriffes. Obwohl sie die
Demonstration die ganze Zeit begleiteten, waren sie beim Angriff nirgends zu
sehen. Auch ist die Gegend um den Attaba Platz bekannt dafuer, dass viele
Menschen Aiman Nour-Anhaenger sind. Deswegen gibt es Geruechte, dass unter
den Angreifern Polizisten in Zivil waren. Ein weiteres Indiz dafuer ist,
dass keine Verhaftungen gemacht wurden, obwohl in Aegypten
Massenverhaftungen nach Straftaten nichts ungewoehnliches ist.
Die Demonstration zeigte klar die Staerken und Schwaechen der "neuen
Linken": Es gelang trotz Verbot und Einschuechterungen den groessten
Anti-Mubarak-Protest durchzufuehren. Andereseits gelang es einer relativ
kleinen Menge sehr leicht, die Demo zu sprengen und zu terrorisieren. Dies
waere durch Selbstschutz zu verhindern gewesen. Es gab auch keine
Demo-Sanis, die Erste Hilfe leisten haetten koennen. Kifaya bereitete sich
nicht auf einen Angriff, der zu erwarten gewesen ist, vor; ein Ergebnis der
Unerfahrenheit der Organisatoren.
Doch die Proteste sollen weitergehen.
(schwarzehand auf indymedia, 10.9.05 / bearb.)
Originaltext:
http://at.indymedia.org/newswire/display/54488/index.php
http://at.indymedia.org/newswire/display/54487/index.php
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