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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 6. September 2005; 13:51
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Glosse:
> Laue Wahlkabinettigkeiten
"Im Oktober finden in drei Bundeslaendern Landtagswahlen statt, doch fuer
den Waehler ist es unmoeglich, die Parteistandpunkte zu allen ihm wichtigen
Themen zu recherchieren und mit der eigenen Meinung zu vergleichen." Mit
dieser Einleitung oeffnet wieder Wahlkabine.at wieder ihre Pforten. Die
Site, von der Wiener Netzkultur-Plattform Netbase in Zusammenarbeit mit der
Donau-Universitaet Krems soll da mittels 23 zu beantwortenden Fragen den
verwirrten Wahlberechtigten weiterhelfen: "Die Wahlkabine vergleicht die
Mausklick-Antworten des Internetnutzers mit den Positionen der Parteien und
ermoeglicht so jedem, die persoenliche Naehe zu deren Programmen
auszuloten."
Ich hab auch diesmal wieder fuer die Wiener Wahlen dieses Angebot genuetzt
und auch diesmal wenig ueberraschend die Antwort bekommen, ich solle KPOe
waehlen. Sehr nett! Aber was fange ich damit an? Denn demokratiepolitisch
ist diese Site trotz ihres Anspruches eher kontraproduktiv. Denn sie stellt
einfach einen extrem verkuerzenden Ansatz politischen Handelns dar. In
unsere McPolitics-Gesellschaft passt so etwas wunderbar: Man braucht nur
mehr ein paar vorgefertigte Fragen beantworten und bekommt eine
Wahlempfehlung ausgespuckt. Dabei waeren ja gerade die Fragen, ueber die die
wahlwerbenden Parteien ungern reden und die damit auch gar nicht Aufnahme
finden koennen in ein solches Projekt die spannenderen. Der Fragenkatalog
hingegen, den die buergerliche Presse und die Parteien fuer relevant halten,
wird damit zementiert.
Besonders nett finde ich dabei folgende Fragen:
1) "Sollen anerkannte Religionsgemeinschaften (z.B. Islam, Buddhismus) in
Wien fuer die Errichtung und Erhaltung der Glaubensstaetten die gleiche
finanzielle Unterstuetzung erhalten wie christliche Glaubensgemeinschaften?"
Was antwortet man da als ueberzeugter Atheist resp. Antitheist, der fuer die
Trennung von Kirche und Staat ist? Die Antwort: "Nur wenn alle nix kriegen"
stand nicht zur Auswahl, sondern nur "Ja" oder "Nein" sowie "Keine Angabe"
2) "Soll Personen ohne oesterreichische Staatsbuergerschaft nach fuenf
Jahren Aufenthalt in Wien das aktive und passive Wahlrecht auf Landesebene
gewaehrt werden?" Das steht in diesem Wahlkampf ueberhaupt nicht zur
Debatte, da es zuerst einmal eine Angelegenheit der Bundesverfassung ist,
die in der Auslegung des Verfassungsgerichtshofs diese Moeglichkeit
ausschliesst. Diesbezuegliche Aussagen der Parteien sind ungefaehr so zu
werten, wie wenn ich mir schoeneres Wetter wuensche -- wuenschen kann man
sich viel!
3) "Soll Wien mehr Projekte gegen Rassismus und Antisemitismus finanzieren?"
Tolle Frage! Wenn ich da "Nein" sage, schickens mich zur FPOe; aber ich bin
halt der Meinung, dass die meisten dieser Zeigefingerprojekte diesbezueglich
nix bringen. Das Geld gehoert in die soziale Versorgung und in einen
menschenwuerdigen Wohnbau, wenn man antifaschistische Praevention machen
moechte. Doch das gibts halt nicht zum Ankreuzen.
So einfaeltig diese Fragen sind, so ist auch das hier vertretene Bild der
Parteienlandschaft -- auch diesmal haben es nur die im Rathaus vertretenen
Parteien plus der KPOe auf diesen virtuellen Stimmzettel gebracht. Ein
Fortschritt immerhin, bei den Bundeswahlen 2002 standen bei Wahlkabine.at
ueberhaupt nur die eh schon im Nationalrat vertretenen Parteien zur Auswahl.
Aber zumindest auch die aller Voraussicht nach kandidierende SLP waere nett
gewesen -- allein deswegen, um zu dokumentieren, dass es auch anderes gibt
als den ewigen Einheitsbrei.
Auch ueber die Glaubwuerdigkeit solcher Wahlprogramme resp. der Parteien
oder ueber relevante taktische Ueberlegungen sagt eine solch eindimensional
arbeitendes Maschinchen nichts aus -- was natuerlich auch die Moeglichkeit
ausschliesst, eine Wahlenthaltung zu empfehlen.
Fazit: Wahlkabine.at zementiert die einer komplizierten Welt vollkommen
inadaequate Ja-Nein-Logik und natuerlich auch das Denken, dass die wenig
wirksame Methode der Partizipation durch ein Kreuzerl am Wahlzetterl alle
heiligen Zeiten das non plus ultra gesellschaftlicher Entscheidungsfindung
waere. Sicher: Ein Projekt wie Wahlkabine.at kann da nicht mehr leisten, ist
auch gar nicht fuer mehr gedacht. Aber dann sollten man derlei ueberhaupt
lassen. Beitraege zur Demokratie sehen anders aus. Wenn man muendige Buerger
will, sollte man sie nicht wie Volksschulkinder behandeln, die man nicht
ueberfordern moechte.
*Bernhard Redl*
Wer sich den Spass trotzdem geben will: http://wahlkabine.at/
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