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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 30. August 2005; 16:47
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Wiener K(Wahlen)/Glosse:
> Moderne gruene Trennlinien
Ein Liebesbrief
Jaaa, ich weiss, Gruenen-Bashing in der akin ist schon ziemlich fad. Und von 
mir sowieso. Dennoch kann ich es nicht lassen. Vielleicht verbindet sich ja 
doch eine Hoffnung damit, dass sie darauf irgendwann einmal adaequat 
reagieren werden. Und so muss man sie halt beschimpfen, denn auf 
solidarische Kritik hoeren sie ja auch nicht. Ich gebe es ungern zu, aber 
tief drinnen irgendwo erwarte ich mir von diesen Leuten noch etwas -- selbst 
wenn sie keine Alternativen, sondern nur mehr Gruene sein wollen. Es mag 
naiv sein und bar jeder marxististischen oder anarchistischen 
Argumentierbarkeit, aber die Hoffnung stirbt eben zuletzt. So gesehen, 
muessten sich die Gruenen ueber die Beschimpfungen von mir und all den 
anderen freuen -- irgendwo ist das ja doch auch eine Liebeserklaerung.
Aber diesmal fasse ich mich kurz in der Erklaerung eben dieser meiner 
unerwiderten Liebe und moechte nur zwei Meldungen des Sommers herausgreifen, 
die mir besonders aufgefallen sind.
Da waere zum einen die Wiener Gruenen-Chefin Maria Vassilakou, die zwar 
einerseits bei der Vorstellung ihres Wahlprogramms einige sozial, wenn auch 
nicht gerade sozialistisch gefaerbte Toene anklingen liess (deutliche 
Anhebung der Wiener Sozialhilfe etc.), dann aber meinte, ihr "Angebot an 
buergerliche Waehler" sei ein Christoph Chorherr auf der Liste.
Einmal abgesehen davon, dass dieser einen Persoenlichkeitswahlkampf fuehren 
will, obwohl er eh einen sicheren Listenplatz hat, frage ich mich, was 
Vassilakou uns damit sagen will. Denn im Prinzip heisst das nichts anderes 
als: "Liebe Leute, waehlt uns, denn wir vertreten alle Meinungen -- ausser 
die der Nazis!"
Und dann frage ich mich, warum sollte ich das tun? Warum soll ich eine 
Partei waehlen, die mir zu verstehen gibt, dass sie eigentlich eh fuer nix 
verlaesslich steht? Wenn ich beschissen werden will, kann ich doch gleich 
die SPOe waehlen -- da weiss ich wenigstens, wie sie sich in einer 
Stadtregierung tatsaechlich verhaelt. Aber von einer Partei, die schon in 
der Opposition keine eindeutige Richtung vertritt, kann man sich ja wohl in 
einer Regierung kaum Besserungen erwarten.
Der Vergleich macht mich sicher: Ein Blick nach drueben, nach Deutschland. 
Dort haben die Gruenen sieben Jahre auf Bundesebene mitregiert und 
herausgekommen ist Hartz IV. Und da ist eben die andere Meldung, die mich 
ein bisserl aufregt: Ein Ausschnitt aus einer Wahlkampfrede von Joschka 
Fischer, dessen einzige Verteidigung von Hartz IV und anderen Einschnitten 
ins soziale Netz in der Conclusio endet, dass es "unter der Union noch viel 
schlimmer" kaeme.
Das sind also die Gruenen heute, hueben wie drueben. Sie haben nicht einmal 
in den Wahlkaempfen irgendetwas Klares, Kaempferisches, Positives 
anzubieten.
Man hat die Gruenen in Deutschland immer gerne in "Fundis" und "Realos" 
eingeteilt. Bei uns hiess die Einteilung zumeist "buergerlich" und "links". 
Die Linke kritisierte immer, die Gruenen wuerden immer mehr 
verbuergerlichen. Sollte das jemals die eigentlichen Trennlinien gewesen 
sein, so sind sie zumindest heute obsolet. Heute verlaeuft die Trennlinie 
anders: Zwischen Opportunisten, die das Sagen haben, und den Feiglingen, die 
im Ernstfall auf das Sagen verzichten.
Aber wie erwaehnt: Ich schreibe dies alles hier nur aus tief empfundener 
Liebe und dass ich die Gruenen auch diesmal nicht waehle, ist eine reine 
Erziehungsmassnahme, die mir mehr weh tut als leider ihnen.
*Bernhard Redl*
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