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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 28. Juni 2005; 13:24
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Asyl/Recht/Offener Brief:

> Wer hat uns verraten...

Liebe Abgeordnete der SPOe! Ihr kennt doch diesen alten Spruch?

Und Ihr wisst auch, was sich auf "verraten" reimt? Aber auf Euch trifft das
hoffentlich nicht zu. Ihr seid anders. Die meisten von Euch. Hoffe ich
jedenfalls. Ihr werdet daher dem rassistischen Schandgesetz der Damen Prokop
und Miklautsch Eure Zustimmung verweigern. Oder irre ich mich sehr?

Einer von Euch hat zum "STANDARD" gesagt, er koenne sich "nicht um
persoenliche Befindlichkeiten kuemmern". Damit hat er Euren
Menschenrechtssprecher, den Abgeordneten Posch gemeint, der gegen die
Zwangsernaehrung hungerstreikender Fluechtlinge aufgetreten ist.
"Persoenliche Befindlichkeiten". Das muss man sich auf der Zunge zergehen
lassen. Ein Rueckfall in die alten Zynismen der Matzka-Zeit. Als man bei
Euch vom "Gastarbeiter raeumen" sprach.

Wir NGOs werden einer Zwangsernaehrung von hungerstreikenden Fluechtlingen
niemals zustimmen. Ich habe in den 16 Jahren, die ich meinen Beruf ausuebe,
zu viele Menschen betreut, die nur der Hungerstreik vor der Abschiebung in
den sicheren Tod gerettet hat.

Ich vergesse nicht den jungen Iraner Djavad, der nach 30 Tagen Hungerstreik
mit einer schweren Magenblutung auf den Gehsteig vor dem Gefaengnis am
Hernalser Guertel gesetzt worden ist. Er waere beinahe dem Mullah-Regime
ausgeliefert worden und dort in den Folterkammern zugrunde gegangen.
Schliesslich hat er doch Asyl erhalten in unserem gastfreundlichen Land.

Ich vergesse nicht meinen Besuch bei Herrn Etienne aus dem Kongo, der auch
am Hernalser Guertel sass; er war mager geworden wie ein Bleistift; seit
Wochen hatte er nicht die Waesche wechseln koennen; auch er hat schliesslich
Asyl erhalten.

Ich vergesse nicht Herrn A. und Herrn L. aus Tschetschenien, um kuerzer
zurueckliegende Beispiele zu nennen; A. hat sich freigehungert und Asyl
erhalten; L. war noch nicht mager genug, noch nicht transportunfaehig, wurde
in die Slowakei deportiert und war dort in Gefahr, weitergeschoben zu werden
in Putins Folterlager. Aber er ist mit unserer Hilfe wieder da. Zuerst
illegal, dann legal. Denn wir haben - dank einem psychiatrischen Attest
ueber seine schwere Traumatisierung - seine Zulassung zum Asylverfahren
erreicht.

A propos Traumatisierung: Wir nehmen auch nicht hin, dass die
Ausnahmeklausel fuer Traumatisierte und Folteropfer aus dem neuen Gesetz
gestrichen werden soll. Wir hoffen sehr - und zwar auch fuer Euch und im
Interesse Eurer kuenftigen Zusammenarbeit mit uns NGOs - dass Ihr einer
solchen Ungeheuerlichkeit nicht zustimmen werdet.

Es wird sonst, das wisst Ihr genau, vermehrte Illegalitaet geben in diesem
Land. Wir NGOs werden unsere Klienten schuetzen. Mit den Mitteln, die uns
zur Verfuegung stehen.

Wie gesagt, liebe Rote: ich hoffe sehr, dass die Ueberschrift in diesem
Brief in Eurem Fall nicht stimmt. In ein paar Tagen werden wir es sehen.

Beste Gruesse!
*Michael Genner, Asyl in Not*



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