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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. Juni 2005; 17:04
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Tschetschenien:

> Vom Realsozialismus befreit, vom politischen
> Islam beansprucht, von Russland wiedererobert

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Nachfolgender Text stammt von der Gruppe "Kritik im Handgemenge" aus Bremen
und ist eine Zusammenfassung und Beurteilung des Tschetschenienkonflikts --
und laesst angenehmerweise in der Schilderung keine "Guten" vorkommen.

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Der Krieg in Tschetschenien, der seit beinah 15 Jahren andauert, ist eine
Folge des Siegs der "freien Welt" im Blockkonflikt. Die UdSSR galt waehrend
ihrer gesamten Existenz als "Gefaengnis der Voelker". Nie wurden die
zahlreichen Gegner der Sowjetunion muede zu betonen, dass dieser Staat seine
zahlreichen Nationalitaeten an der Pflege der nationalen Sitten und Braeuche
hindere, deren Nationalismus mit Fuessen trete, ja ihnen gar das Recht auf
eine eigene Staatsgruendung verwehre. Der erste realsozialistische Staat
seinerseits bemuehte sich leider nicht um die Ausrottung des Nationalismus
als einer der befreiten Gesellschaft feindliche Sache. Stattdessen wurde
unter den Stichwoertern "Patriotismus" und "Internationalismus" das
harmonische Zusammenleben verschiedener Nationalismen angestrebt. Hunderte
diverser Voelker, Nationalitaeten und Staemme wurden aufgefordert die
Kroenung ihrer eigenen Geschichte in der Unterordnung unter dem Sowjetstaat
zu sehen. Das fuehrte zu

a) Reibereien zwischen allerlei nationalen Republiken, Gebieten und Bezirken
und dem Zentrum, da die unzufriedenen Nationalisten zwischen Karpaten und
Pamir den "Werktaetigenstaat" schier als Fortsetzung des Zarenreiches
verstanden und auf Selbststaendigkeit pochten (bzw. wenn es russische
Nationalisten waren, den Bolschewiki die Zugestaendnisse an alle andere
Voelker uebel nahmen).

b) Reibereien zwischen den diversen Nationalitaeten innerhalb der einzelnen
administrativen Einheiten. Die Bestrebungen der Sowjetregierung, moeglichst
jede Gruppe, die eine "eigene" Sprache sprach, mit einer wie auch immer
modulierten Autonomie zu begluecken, sorgte dafuer, dass es immer Stoff fuer
Konflikte gab. Das Beduerfnis nach Erhalt der nationalen Eigentuemlichkeiten
galt es nicht zu kritisieren, da es als fortschrittlich proklamiert wurde,
solange die Loyalitaet zur Sowjetmacht gewaehrleistet war.

Als Folge dieser Probleme wurden die Grenzen, Stati usw. der Republiken
staendig veraendert. Die "Nationalitaetenpolitik" der KPdSU ging nach dem
Pendelprinzip - mal wurde mehr Ruecksicht auf nationale Tradition gefordert,
mal die "Auswuechse des buergerlichen Nationalismus" [als ob der
Nationalismus erst durch diesen Adjektiv schlecht wuerde!] bekaempft. Danach
kam wieder die Kritik am "Nihilismus in nationaler Frage". So mancher
Funktionaer bezahlte seine Fehltritte bei solchen ideologischen Manoevern
mit dem Leben. Besonderes nach dem Ueberfall der Achsenmaechte 1941
veraenderte sich die Haltung der sowjetischen Fuehrung zu den Nationalismen
der Sowjetvoelker. Manche kamen unter den verschaerften Verdacht der
Kollaboration mit den faschistischen Besatzern (inwiefern zurecht, sei hier
dahingestellt). Ihre Autonomien (in den Faellen wo es solche gab) wurden
aufgehoben und die Angehoerigen in Gebiete mit hartem Klima deportiert, wo
sie teils Zwangsarbeiten leisten mussten, teils einer Residenz- und
Meldepflicht ausgesetzt wurden. Erst waehrend der Entstalinisierung Mitte
der 50er Jahre wurden die "repressierten Voelker" rehabilitiert und einige
der aufgeloesten Autonomien wieder hergestellt.

Tschetscheno-Inguschetien - ein Problemfall des Realsozialismus

Eine dieser liquidierten und wieder errichteten Autonomien innerhalb der
Russischen Sozialistischen Foederativen Sowjetrepublik war die
Tschetschenisch-Inguschetische Autonome Sowjetische Sozialistische
Republik - ein Gebiet, wo es die Sowjetmacht besonderes schwer hatte. Die
vor-realsozialistische Tradition wurde gegenueber der neuen Ordnung
erbittert verteidigt, und Probleme wie z.B. Blutrache und Polygamie waren
auch ein Jahrzehnt nach der Revolution hoechst aktuell. Das
gesellschaftliche Leben, vor allem auf dem Land war bestimmt durch den
Tejp - die Abstammungsgemeinde. Rund 130 solcher Clans gab es in dem Gebiet,
jeder Tschetschene wurde einem zugerechnet. Und die Beziehungen zwischen
einzelnen Clans waren hoechst unterschiedlich, manche befanden sich in
jahrhundertlangen Feindschaft, die von Generation zur Generation vererbt
wurde.

Nach der Wiederherstellung der Autonomie 1957 kamen neue Konflikte hinzu.
Einige Gebiete, in denen vor der Deportation muslimische Inguschen lebten,
wurden durch christliche Osseten besiedelt. Die zurueckgekehrten Inguschen
wollten sich damit nicht abfinden. In den Bergen waren ausserdem noch einige
Rebellen, die sich der Deportation entzogen hatten, aktiv - der letzter
Vertreter dieser Zunft wurde erst 1976 getoetet. Der Kaukasus blieb fuer den
Sowjetstaat eine Problemzone.

Die unter Gorbatschow proklamierte Perestroika bedeutete auch einen
Kurswechsel in Richtung mehr nationales Selbstbewusstsein fuer alle. Das
Aufeinanderprallen der nun endgueltig legalisierten Nationalismen liess
nicht auf sich warten. Schon bald kam es in den Gebieten mit ungeklaerten
Grenzverlaeufen und Statusfragen zu Krawallen, die manchmal binnen kurzer
Zeit in bewaffnete Konflikte muendeten (Armenien/Aserbaidschan,
Georgien/Ossetien). So wuchs die Lage dem Generalsekretaer schnell ueber den
Kopf.

Als das "Gefaengnis der Voelker" im Begriff war zu zerfallen, hatte die
Tschetschenisch-Inguschetische Autonome Sowjetische Sozialistische Republik
(TIASSR) noch eine Regierung, die zwar auch nationalistische Regungen
zeigte, sich aber nicht eindeutig von den Gegnern der Perestroika, die die
UdSSR vom Zerfall bewahren wollten, distanzierte. So unterstuetzten die
Spitzen der Partei in der TIASSR den zaghaften Umsturzversuch der
Wandelsgegner im August 1991. Da aber nach der Niederlage der Putschisten
die Befuerworter des schnellen Abwickelns des realsozialistischen Systems
landesweit die Oberhand gewannen, war man nicht laenger bereit solch eine
anachronistische Fuehrung in der kaukasischen Republik zu dulden. Also
erklaerte der neugegruendete "Gesamtnationale Kongress des Tschetschenischen
Volkes" unter der Fuehrung des ehemaligen Generalmajors der Sowjetarmee und
Afghanistan-Veterans Dschochar Dudajew den Obersten Rat der
Autonomierepublik - bis dahin war das die Legislative -- fuer aufgeloest.
Boris Jelzin, der gerade selbst anstrebte, nicht mehr Praesident der
Russischen Teilrepublik der UdSSR, sondern Oberhaupt eines unabhaengigen
Russlands zu werden, gab dem volle Rueckendeckung. Ihm lag viel daran, den
Sowjetstaat moeglichst schnell aufzuloesen und daher war jeder Schlag gegen
den schwindenden Einfluss der alten Machthaber willkommen. Beruehmt geworden
ist Jelzins Aussage, "jeder darf so viel Autonomie nehmen, wie er fressen
kann". Als die Legislative der TIASSR nicht nachgab, stuermten am 6.
September Dudajews Kaempfer das Ratsgebaeude, misshandelten einige
Deputierte und toeteten den Vorsitzenden des Stadtrates von Grosny. Aus
Moskau gab es wenig Widerspruch und der 6. September wird seitdem als
Unabhaengigkeitstag von den Anhaengern der tschetschenischen Staatsgruendung
gefeiert.

Krieg I&II: Tschetschenische Staatsgruendung vs. russische Staatsrettung

Dudajew wurde Praesident Tschetscheniens, das offiziell als Teil der
Russischen Foederation galt. Zweimal erklaerte er die Republik fuer
unabhaengig, was beide Male zu einem Zerwuerfnis mit seinen ehemaligen
Beschuetzern in Moskau fuehrte. Die hatten inzwischen die Macht im
Nachfolgerstaat der UdSSR uebernommen und waren der Meinung, jetzt muesse
Schluss sein mit dem Staatszerfall. Die Politik Moskaus gegenueber dem
Dudajew-Regime war in der Zeit von Widerspruechen gezeichnet. Dudajew war
die naechsten Jahre damit beschaeftigt die Opposition, die zeitweise von
Moskau unterstuetzt wurde, mit Waffengewalt in Schach zu halten. Doch auch
die russische Politik unter Jelzin fand fuer Dudajew und seine Truppen eine
nuetzliche Anwendung - diese durften militaerischen Druck auf den
neugegruendeten Staat Georgien ausueben, da Russland gerade dabei war, den
Rest seines Einflusses in den Gebieten der ehemaligen UdSSR zu retten, indem
es den neugegruendeten Staaten eine verstaerkte Kooperation nahe legte. Die
georgische Fuehrung hielt nicht viel von enger Partnerschaft mit Russland
und wurde 1992 mit der Sezession der Autonomen Republik Abchasien - die
Unterstuetzung von Russland und tschetschenischen Kampfverbaenden erhielt -
erfolgreich zur Raeson gerufen.

Nach dem gemeinsamen Erfolg im abchasisch-georgischen Krieg 1992-1994 kam es
aber zum endgueltigen Bruch zwischen Moskau und Dudajew. Der rebellische
General nutzte den Zustand des russischen Gewaltmonopols, das diesen Namen
kaum noch verdiente, sowie die vielen Waffen die von russischen Truppen bei
ihrem Abzug 1992 in Tschetschenien gelassen worden waren und baute seine
Diktatur in Tschetschenien (die Inguschen hatten seit 1992 ihre eigene
Autonomie) aus. Es sprach nichts dafuer, dass der eigene tschetschenische
Staat ueberlebensfaehig sei, dafuer aber hatte der General genuegend
bewaffnete Gefolgschaft, Zugriff auf etwas Erdoel & Pipelines und eine
ideologische Begruendung, die besagte, die Tschetschenen haetten so sehr
gelitten unter der Herrschaft der Russen, dass nur noch die Herrschaft ihrer
Volksgenossen fuer sie akzeptabel sei. Damit nahmen die frischgebackenen
Staatsgruender einen Flaechenbrand in der Region mit diversen mehr schlecht
als recht vom russischen Staat kontrollierten Konflikten der Nationalismen
von ehemaligen "Bruedervoelkern" bewusst im Kauf. In Grosny wurde auch kein
Hehl daraus gemacht, dass man antirussische Solidaritaet aus weiteren
benachbarten Republiken (Inguschetien, Dagestan) erwartete. Am 11. November
1994 war dann seitens des russischen Staates die letzte Konsequenz faellig.
Die abtruennige Republik wurde mit einem Krieg ueberzogen. Dass es sich
zumindest laut Verfassung um das eigene Gebiet handelte, durfte bei der
Auswahl der Mittel keine Rolle spielen. Tschetschenien wurde in einen
Zustand gebombt, in dem Unabhaengigkeit zur einer physischen Unmoeglichkeit
wurde. Genutzt hat das der Russischen Foederation nur bedingt. Die russische
Armee erlitt hohe Verluste im Kampf gegen einen Haufen Guerilleros, die im
Kampf zwar ihren Praesidenten, aber nicht ihren Willen zur Staatsgruendung
verloren hatten.

Keine der Parteien konnte den Krieg militaerisch fuer sich entscheiden, und
so wurde 1996 das Abkommen von Chasawjurt geschlossen. Foederale
Streitkraefte wurden erneut aus Tschetschenien abgezogen, die
Souveraenitaetsfrage bis zum 31. Dezember 2001 vertagt. 1997 fanden in der
Republik Praesidentenwahlen statt, bei denen der als gemaessigt geltende
Ministerpraesident und Verteidigungsminister Aslan Maschadow sich gegen den
radikalislamischen Uebergangspraesidenten Selimchan Jandarbijew und andere
Hardliner durchsetzte.

Auf dem tschetschenischen Gebiet hatten russische Gesetze keine Wirkung, die
Etablierung des eigenen nationalen Gewaltmonopols verlief schleppend. Die
Konkurrenz zwischen verschiedenen "Feldkommandeuren", Clan-Aeltesten,
"geistigen Fuehrern" wurde immer gewalttaetiger ausgetragen. Auch die am 3.
Februar 1999 vom Maschadow veranlasste Einfuehrung des Scharia-Rechts
(Scharia-Gerichte agierten zu dem Zeitpunkt bereits) konnte die Entstehung
eines rechtsfreien Raumes nicht verhindern. Es folgte ein Attentat auf den
Praesidenten und die Zunahme der Konkurrenz innerhalb der tschetschenischen
Fuehrung. Schliesslich rief Maschadow am 16. August 1999 den Ausnahmezustand
aus.

Die Industrie lag in Truemmern, Fluechtlinge stroemten in benachbarte
Gebiete, russisches Erdoel wurde ins Ausland verkauft ohne dass nur ein
Rubel an Steuergeldern an den Staat ging. Russische Unternehmer nutzten
massiv die so entstandene "Freihandelszone" um die Zoelle zu umgehen.
Wirtschaftlich hielten sich weite Teile der Bevoelkerung mit dem Anzapfen
von Erdoel-Pipelines, illegalen Benzinbrennereien, Schmuggel, Viehdiebstahl,
Geiselentfuehrungen und anderen, fuer den russischen Staat hoechst
schaedlichen, Geschaeften ueber Wasser.

Unterstuetzung fuer die "Tschetschenische Republik Itschkeria" kam vor allem
von Islamisten aus allen Laendern Allahs. Einige besonders engagierte
Parteigaenger des politischen Islams beglueckten die Republik mit ihrer
Anwesenheit und brachten neben Geld und Waffen Stoff fuer einen neuen,
innertschetschenischen Konflikt mit. Ihre Versuche, den Wahhabismus unter
den Glaeubigen im Kaukasus zu verbreiten, hatten Erfolg. Das rief den
Widerstand der Verfechter des Islams mit lokalem, sprich "vorislamischen"
Kolorit hervor, zumal die etablierten Geistlichen ihren Status durch die
gastierende Konkurrenz bedroht sahen. Bei den Bemuehungen, die Gesellschaft
eines sich in Gruendung befindenden Staates mit Hilfe der Religion zu
stabilisieren, liess die Regierung Maschadows dann auch schon mal
Hinrichtungen im Fernsehen ausstrahlen - ohne dass es seinem guten
internationalen Ruf wesentlich geschadet haette. Als Praesident hatte
Maschadow nichts, was er an funktionierender Staatsmacht uebernehmen konnte.
Deshalb waren seine Massnahmen sowohl eine Anbiederung an die immer staerker
werdenden Wahhabiten durch partielle Uebernahme ihrer Forderungen, als auch
ein Versuch zu zeigen, dass es in Tschetschenien eine Staatsgewalt gibt, die
es mit ihren Gesetzen ernst meint.

Waehrenddessen machten die Wahhabiten deutlich, dass sie bei ihrem radikalen
Programm der Reislamisierung von weiten Teilen der ehemaligen Sowjetunion
blieben, und dass das unabhaengige Tschetschenien nur eine Vorstufe zum
Kalifenstaat aller Moslems in der Region sei.

So ging es mit der tschetschenischen De-facto-Unabhaengigkeit bis zu dem
Ausbruch des zweiten Krieges im August 1999 weiter. Da fielen wahhabitische
Einheiten in Dagestan ein und wurden rasch zurueckgeschlagen. Daraufhin
kuendigte Russland an, die Terroristen auf dem tschetschenischen Gebiet
weiter zu verfolgen. Beide Kriegsparteien hatten seit dem ersten Krieg
nichts an ihren Positionen geaendert. Als Putin erfolgreich die Djihadisten
zum Rueckzug zwang, wurde auf der russischen Seite das Ende von der "Schande
von Chasawjurt" (wie das Abkommen von 1996 genannt wurde) gefeiert, waehrend
aus dem Westen die Kritik kam, der neue Krieg wuerde gar nicht aus
Staatsinteresse, sondern aus Putins persoenlicher Machtgier gefuehrt. Hinter
den Anschlaegen auf die Wohnhaeuser in Moskau sahen die westlichen und die
pro-westlichen Medien in Russland den russischen Geheimdienst. Die russische
Entscheidung, von nun an keinen Unterschied mehr zwischen Maschadow und den
Feldkommandeuren, die mit ihrem Ueberfall auf Dagestan den Krieg begonnen
hatten, zu machen, erntete die Kritik der freiheitlichen Oeffentlichkeit, es
wuerde ein demokratisch gewaehltes Republikoberhaupt kriminalisiert. Aus der
Tatsache, dass keine der Seiten den kompletten Sieg erringen konnte, leitete
man im Westen, vor allem in Europa, die Notwendigkeit einer "politischen
Loesung" ab, was im Klartext bedeutete, Russland sollte mit Maschadow, der
jegliche Verantwortung fuer die Anschlaege auf zivile Ziele und fuer den
Dagestanueberfall weit von sich wies, verhandeln. Darauf entgegnete die
russische Fuehrung, dass Maschadow entweder luege, oder schlicht keine
Kontrolle ueber die bewaffneten Kraefte der Separatisten habe. In beiden
Faellen erschienen Verhandlungen mit ihm der russischen Seite wenig
sinnvoll.

Russland seinerseits pocht auf die Anerkennung des Kampfes um den Erhalt des
eigenen Staates als einen Teil des globalen "Feldzuges gegen den Terror".
Die Formel lautet: der Krieg ist einerseits unsere innere Angelegenheit,
anderseits wurde er durch den globalen Terrorismus verursacht. Dagegen wird
von der EU die Linie vertreten, das prinzipielle Recht des tschetschenischen
Volkes auf mehr Eigenstaendigkeit zu betonen, aber die Mittel, die fuer die
Durchsetzung dieser Rechte angewandt werden, zu verurteilen. Der Krieg sei
zwar allein durch innerrussische Probleme verursacht, beduerfe aber einer
internationalen Vermittlung. So lassen sich die fuehrenden kapitalistischen
Staaten der Welt ihre Zustaendigkeit fuer alles, was in den anderen Laendern
an Konflikten stattfindet, nicht nehmen. Russland wird klar gemacht, dass es
fuer den Frieden ausgerechnet einer Vermittlerrolle der Staaten bedarf, mit
denen Russland um den Einfluss in der Region konkurriert.

Waehrenddessen versuchte Russland, in dem von den Befreiungsnationalisten
"befreiten" respektive wiedereroberten Teilen von Tschetschenien das normale
Abwickeln der Regierungsgeschaefte zu sichern und stiess dabei auf
beachtliche Probleme.

Zum einem fehlte es in Tschetschenien an einer Autoritaetsfigur, die man
ohne weiteres zum loyalen Praesidenten machen konnte. Nachdem saemtliche
Versuche, das neue Republikoberhaupt von Aussen einzufuehren, gescheitert
waren, wurde der uebergelaufene Mufti Achmat Kadyrow, der noch 1995 den
Djihad gegen Russland ausrief, sich dann aber mit den Wahhabiten ueberwarf,
zum neuen Praesidenten. Aus seinen Kaempfern, faktisch einer "Clan-Miliz",
wurden die lokalen Sicherheitsorgane geformt. Neben den Truppen des
Verteidigungsministeriums und den Truppen des Innenministeriums agierten in
Tschetschenien jetzt auch noch ehemalige Djihadisten, die, mit
Polizeifunktionen betraut, ueber die Loyalitaet ihrer Landesgenossen
wachten. Ihre Loyalitaet galt und gilt in erster Linie dem Clan von Kadyrow
und nicht dem russischen Staat. Doch am 9. Mai 2004 wurde Kadyrow durch
einen Sprengstoffanschlag getoetet und Russland stand erneut vor dem alten
Problem. Es wurde beschlossen, ohne Ruecksicht auf die auswaertige Meinung
Putins Favoriten Alu Alchanow zum Praesidenten waehlen zu lassen. Dies
geschah auch am 29. August und wie erwartet kam aus dem Westen die
Beschwerde ueber den unsauberen Verlauf des Kreuzchenmachens.

Ein weiteres Problem, mit dem es der Kreml nicht nur in Tschetschenien,
sondern in der gesamten Region zu tun hat, ist die Tatsache, dass in der
Bevoelkerung extrem viele Waffen zirkulieren, was die Wiederherstellung des
staatlichen Gewaltmonopols massiv erschwert. Die Schwierigkeiten, mit denen
die russische Staatsmacht in Beslan konfrontiert wurde, kennt kaum ein
weiterer Teilnehmer des "Feldzuges gegen den Terror" - Zivilbevoelkerung,
bewaffnet mit privatem Arsenal mischt sich ein in Aktionen der
Sicherheitskraefte.

So geht der Krieg weiter, begleitet durch den strengen Blick des freien
Westens, der sich immer weniger auf eine Linie gegenueber Russland einigen
kann. Staendig fragt sich die Oeffentlichkeit an beiden Ufern des Atlantik:
Sind wir zu nachsichtig mit den Russen angesichts ihrer
Grossmachtansprueche? Oder unterschaetzen wir die Gefahren des Islamismus
und Putin erledigt einfach die notwendige Drecksarbeit fuer das christliche
Abendland? Da die Debatte von denen gefuehrt wird, die am laengeren Hebel
sitzen, ist sich genieren nicht angesagt. Wer als Tschetschene mit dem Kreml
paktiert, wie der verschiedene Kadyrow, der wird schon von der FAZ als
"Quisling" (04.09.2004) bezeichnet. Eines will die FAZ klargestellt haben -
es kann nicht das wahre Interesse der "Bergvoelker" sein, ganz ohne
Einmischung der einen oder anderen Aufsichtsmacht den Konflikt mit Moskau
loesen zu wollen. Und dieselben Staaten, die Einrichtung von "Auffanglagern"
und schaerfere Abschiebepraxen fuer tschetschenische Fluechtlinge
befuerworten, empoeren sich ueber mangelnde Verhandlungsbereitschaft des
russischen Praesidenten gegenueber bewaffneten Staatsgegnern.
(gekuerzt)



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