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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. Juni 2005; 16:44
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Moderne Zeiten/Medien/Recht:
> Offen gelegt
Was das neue Mediengesetz bringt
Die Ausweitung des Mediengesetzes auf das Internet laesst durch die 
Unklarheit der Bestimmungen jede Menge Interpretationsspielraum. Bei 
strikter Auslegung koennten selbst Visitenkarten von Foren-Usern einer 
Impressumspflicht unterliegen.
Ab 1. Juli muss ausnahmslos jede Website -- egal ob privat oder kommerziell, 
umfangreich oder klein -- ein Impressum samt Namen und Wohnort aufweisen. 
Selbst Webauftritte von Kindern sind nicht ausgenommen. Und auch die Domain 
spielt keine Rolle, entscheidend ist der oesterreichische Wohnsitz des 
Betreibers.
Die Gesetzesnovelle wurde Mitte Mai im Nationalrat einstimmig verabschiedet.
Unklar bleibt jedoch, wie weit reichend die Impressumspflicht ist. So 
koennten bei strenger Auslegung des Gesetzes sogar Foren-User, die ihre 
persoenliche Visitenkarte/Nickpage mit Inhalten versehen, als Medieninhaber 
gelten und unter die Offenlegungspflicht fallen, erklaert Medienrechtsanwalt 
Andreas Frauenberger gegenueber Futurezone.ORF.at.
Ein Beitrag unter einem Pseudonym waere dann rein rechtlich nur unter 
gleichzeitiger Angabe des echten Namens auf der eigenen Visitenkarte 
moeglich. Wird die ueblicherweise automatisch zugewiesene Visitenkarte 
jedoch inhaltsleer gelassen, tritt der Foren-Nutzer somit wohl auch nicht 
als Medieninhaber auf und kann weiterhin anonym posten.
Wer sich fuer seine Website eine eigene Domain zugelegt hat, musste schon 
bisher im online fuer jederman zugaenglichen Who-is-Verzeichnis mit Name, 
Anschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse aufscheinen. Ab 1. Juli muss nun 
auch ein Impressum direkt auf der Website abrufbar sein.
Weblogs: "Meinungsbildende Medien"
Geht der Inhalt der Website ueber die Selbstdarstellung hinaus und kann "die 
oeffentliche Meinung beeinflussen", muss eine erweiterte Offenlegungspflicht 
beachtet werden. Das trifft besonders die in letzter Zeit steigende Zahl der 
Weblogs, die meist das Tagesgeschehen oder spezielle Themengebiete 
kommentieren und dadurch wohl auch zur Meinungsbildung beitragen koennen. 
Sie fallen nach dieser Definition klar unter die strengeren Bestimmungen. 
Diese umfassen neben der Veroeffentlichung von Name, Wohnort, Firma, 
Unternehmensgegenstand und Beteiligungsverhaeltnissen in Gesellschaften auch 
die Offenlegung von Beteiligungen an anderen unternehmerischen Websites und 
die Bekanntgabe der grundlegenden Richtung des Unternehmens ["Blattlinie"]. 
Auch Gegendarstellungen koennen nun verlangt werden.
Doch die Unbestimmtheit des Begriffs "meinungsbildend" laesst jede Menge 
Fragen offen. So koennte selbst eine Linksammlung laut Rechtsanwalt 
Frauenberger schon als meinungsbildend angesehen werden, da die Auswahl ja 
gezielt vom Betreiber zusammengestellt wurde.
Firmen, die sich auf ihrer Website auf die werbliche Praesentation ihrer 
Leistungen und Produkte beschraenken und keine meinungsbildenden 
Informationen aufweisen, fallen nicht unter die erweiterte 
Offenlegungspflicht. Sie muessen nach dem Mediengesetz nur ueber Impressum 
mit Name und Wohnort bzw. eventuell Angaben nach § 5 E-Commerce-Gesetz 
verfuegen.
Pro & Kontra
Rechtsanwalt Thomas Hoehne, der in der Arbeitsgruppe zur Gesetzesnovelle 
mitgearbeitet hat, erklaert die Intention des Gesetzgebers: "Es kann ja wohl 
nicht sein, dass jemand, dem in einer Zeitung etwas vorgeworfen wird, das 
nachweislich nicht den Tatsachen entspricht, sich dagegen wehren kann, wenn 
diese Verleumdung aber im Internet erscheint, in einer Online-Zeitung oder 
auch auf einer privaten Website, dass man dort nichts dagegen unternehmen 
kann."
Der Salzburger Richter Franz Schmidbauer, auch Webmaster der 
Oesterreichischen Richtervereinigung und Betreiber der Website 
"internet4jurists.at", steht der Novelle zum Mediengesetz sehr kritisch 
gegenueber. "In Faellen wie Ehrenbeleidigung braucht man kein Mediengesetz, 
um den Taeter zu verfolgen."
Bei der "Offenlegungspflicht" gehe es darum, dass etwa Zeitungen ihre 
grundlegende Richtung und die Beteiligungen offen legen muessen, damit sich 
der Medienkonsument ein Bild machen kann, wer hinter dem Medium steckt. 
Schmidbauer in seiner Online-Stellungnahme: "Wo besteht im Internet eine 
Notwendigkeit, einen Medieninhaber zu schaffen und diesen mit moeglichen 
Anspruechen zu ueberhaeufen? Richtig: Bei den Online-Seiten der 
konventionellen Medien. Bei allen anderen Medien ist das normativer 
Overkill, Einschuechterung, Technologiefeindlichkeit; es ist schlicht 
unangemessen. Der Website-Betreiber muss sowieso fuer den Inhalt seiner 
Website den Kopf hinhalten. Er sollte aber abgesehen von den diversen 
Unterlassungsanspruechen, denen er ohnedies ausgesetzt ist, doch bitte nur 
bei Verschulden fuer Geldansprueche haften. Es gibt hier keinen aus den 
laufenden Masseneinnahmen gespeisten Haftungsfonds, aus dem Ansprueche 
Dritter befriedigt werden koennen. Die Masse der Website-Betreiber muessten 
Geldansprueche aus ihren sonstigen Berufseinkuenften bezahlen. Wer kann 
dieses Risiko in Zukunft auf sich nehmen?"
Es geht Schmidbauer darum, dass der Gesetzgeber das Augenmass fuer die 
oekonomischen Rechtszugangsmoeglichkeiten verloren hat: "Der 
durchschnittliche Website-Betreiber kann es sich auch nicht leisten, auf die 
Rechte zu pochen, die ihm das Mediengesetz verleiht. Er hat nicht die 
finanziellen Moeglichkeiten, sich in einem Medienverfahren zur Wehr zu 
setzen, auch wenn die Erfolgsaussichten guenstig waeren. Da er aus dem 
Webauftritt in der Regel keine Einnahmen erzielt, ist bereits das Fuehren 
des Prozesses ein Problem. Die komplizierte Rechtsprechung macht eine 
Vorhersage ueber den Ausgang sowieso meistens unmoeglich. Der Slogan ´jedem 
sein Recht´ ist nur graue Theorie. Alleine der Umstand, dass der 
Online-Publizierende zum Medieninhaber wird, ist daher eine gefaehrliche 
Drohung."
Schwierig in der Anwendung
Doch was blueht Website-Betreibern, die keine oder falsche Angaben auf ihre 
Seiten setzen? Theoretisch kann auf Betreiber ohne Impressum ab 1. Juli eine 
Verwaltungsstrafe von bis zu 2.180 Euro zukommen. Tatsaechlich waere eine 
Groessenordnung um die 30 Euro vorstellbar, erklaert Stefan Kittinger, bei 
der Wiener Polizei fuer das Medienrecht zustaendig, auf Anfrage von 
futurezone.ORF.at.
Eine Schwierigkeit stelle aber die Ausforschung bei fehlendem Impressum oder 
Falschangaben dar. Viele Verfahren wuerden wohl aus Gruenden der 
Verhaeltnismaessigkeit des Aufwandes bereits daran scheitern. Dass die 
Behoerde ab 1. Juli das Netz flaechendeckend durchkreuzt, um 
Impressums-Taetern auf die Schliche zu kommen, haelt Kittinger allein aus 
Kapazitaetsgruenden fuer abwegig.
(Futurezone, internet4jurists/akin)
Quellen:
http://futurezone.orf.at/futurezone.orf?read=detail&id=267696
http://futurezone.orf.at/futurezone.orf?read=detail&id=266618&tmp=31077
Eine ausfuehrliche Wuerdigung des Gesetzes findet sich auf der Homepage von 
Richter Schmidbauer unter: http://www.i4j.at/news/aktuell66a.htm
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