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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. Juni 2005; 16:51
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EU/Kapitalismus/Glosse:
> Wir Lemminge und die EU
Lemminge leben und sterben nach strikten Autoritaetsregeln. Durch
Massengeburten kommt es alle 3-4 Jahre zu Ueberpopulationen. Daher stammt
der Marsch der Lemminge. Dabei stroemen sie in ungeheuren Zuegen den
Leittieren nach und stuerzen sich auch mal in Schluchten, wenn das Leitvieh
sich bei der Wegbeschreibung irrt. Selbst denken ersparen sich die Lemminge,
wozu gibt es denn schliesslich eine Fuehrungscrew. So oder aehnlich wurde
dies mit reichem Bildmaterial in ‚Brehms Tierleben' zu Zeiten der Entstehung
der Nationalstaaten geschildert. Aber kompliziert, wie Menschen nun mal
sind, benoetigten sie fuer den gleichen Vorgang ein riesieges Arsenal von
Verfassungen und Gesetzen. Wenn es schon in den Abgrund ging, sollten
wenigstens genaue Regeln und moeglichst praezise Pflichten vorgeschrieben
werden. Als Zugabe wurden dann noch periodisch stattfindende Wahlen
entwickelt, die dem nunmehrigen Wahlvolk aktive Partizipation am politischen
Geschehen vorgaukelten. Alle sahen sich ploetzlich als Mitgestalter des
Gebildes, das mit der Bezeichnung Demokratie versehen wurde. Der kleine
Unterschied zu den originalen Lemmingen: Menschen schaffen Platz fuer
Macht-Eliten, die keinesfalls als Vorreiter selbst in die erwaehnten
Schluchten stuerzen. Sie lassen stuerzen. Sie blicken vom Rand des
Geschehens hinunter und versehen die Stuerzenden vielleicht noch mit netten
oder kirchlichen Spruechen. Sie hatten immer schon verschiedenste
Bezeichnungen: So waren sie die Fuersten, die Koenige, die Kardinaele oder
auch die Praesidenten und Kanzler. Die Macht war absolut, fuer manche sogar
gottgegeben und noch einiges mehr. Dieses non-plus-ultra samt der weiteren
Verwendung eines geplagten Gottes schufen die Eigentuemer eines
unermaesslichen Kapitals. Einerseits war dies durch die Kolonialisierung
suedlicher Laender moeglich, andererseits schoepften sie auch weiterhin
unter verschiedensten Bezeichnungen den Rahm in den angestammten Laendern
ab. Die Neuzeit brachte neue Ideen: Kapital wurde und wird weltweit
andauernd hin- und hergeschoben. Statt der Konzentration auf die suedlichen
Hemisphaeren mit der Schaffung von Monokulturen und der schnellstmoeglichen
Abschaffung gewachsener Strukturen werden regionale Kriege gefoerdert und
exportiert.
Die europaeischen Lemminge beschliessen waehrenddessen, sich zusammen zu
tun. Gemeinsam statt einsam, ist die Devise. Oesterreichs Regierung sagt,
wie nicht anders zu vermuten ist, zu allem Ja und Amen. Hauptsache ist, dass
es irgendwie nach Bruessel riecht -- der europaeischen Hauptstadt der
Kapitalisten-Lobbies von Europa. Aus purer Gutmuetigkeit und bloss zur
weiteren Absicherung ihrer Machthemisphaeren lassen sie sich ueberzeugen,
dem EU-Apparat eine Verfassung zur Verfuegung zu stellen, deren Ratifikation
blitzartig ueber die Buehne gehen sollte.
Europas Kapitalisten lassen daher auch in Oesterreich diese EU-Verfassung
schnellstens im Parlament behandeln. Durch die Medien erfaehrt die ohnehin
kaum interessierte Bevoelkerung am naechsten Tag von diesem Ereignis. Und
ueber die Medien laesst die oesterreichische Regierung ausrichten, dass die
Ratifizierung des EU-Werkes schon geschehen sei. Aha, denken sich wohl die
so Informierten - die machen ja sowieso, was sie wollen. Wieder dumpfes bis
gar kein Interesse. Die letzten, die EU betreffenden Emotionen waren
anlaesslich der Abschaffung des Schillings schnell verbraucht.
Waehrend das Kapital bereits saemtliche Plaene in Europa zur Durchsetzung
bringt, kuemmern sich die Lemminge um den Euro, der aeusserst ungeliebt, das
Oktroyieren der monstroesen Organisationen der EU in Bruessel oder sonstwo
signalisiert. Schuessel kennt seine Pappenheimer. Also kein Referendum,
keine Volksentscheidung. Selbst unter Zuhilfenahme des immer zahmeren und
zahnloseren ORF sollte absolut kein Risiko eingegangen werden. ‚Des machen
schon wir!', koennte die staendige Parole ‚unserer' Volksvertretung sein.
Das so vor eigenen Gedanken und Ideen beschuetzte Volk hat keine Zeit fuer
Politik und vielleicht verhaengnisvolle Mutmassungen, es muss arbeiten oder
arbeitslos sein. Jeder erfuellt seinen Zweck auf seinem Platz - und so ein
bisschen Staendestaats-Modell kann ja wirklich niemanden schaden. Ausserdem,
je weniger Arbeitsplaetze zur Auswahl stehen, desto freudiger und schneller
wird die bestehende Arbeit ausgefuehrt. So nebenbei gibt es aufmunternde
Worte der Chefs und Eigentuemer: Gehaltserhoehungen,
Ueberstundenbezahlungen? Sicher nicht, liebe Freunde - und wenn ihr nicht
spurt, ist der Laden hier morgen zugesperrt und uebermorgen in Rumaenien
wieder aufgebaut. Die warten nur darauf. Wir haben sowieso zu eine grosse
Belegschaft. Also - wer uebernimmt die uebernaechste Schicht? Ja, das heisst
Globalisierung, mein Bester. Freier Weltmarkt heisst fuer alle auch freier
Arbeitsmarkt. Die Gewerkschaft, meint ihr? Die kann sch..... gehen. Holt
euch die Papiere. Solange wir den Bartenstein und den Schuessel haben, mach
ich hier, was ich will. Ihr anderen, glotzt nicht so bloed, sondern ran an
die Arbeit. Draussen stehen ein paar Polen. Was glaubt ihr, was die
verlangen? So geht die Arbeit natuerlich schneller und frischer von der
Hand. Gerne bleibt man so jeden Tag etwas laenger im Betrieb, liebevoll wird
das neue Auto vom Chef von den Arbeitern gewaschen und trocken frottiert.
Ja, Freunde - die Zeiten haben sich geaendert. Speziell auf dem Arbeitsmarkt
bestimmen Angebot und Nachfrage schon lange die Freundlichkeit zwischen Chef
und Arbeitnehmern. Immer weniger hire, aber fuer ein paar Dividenden
unglaublich viel fire.
Was passiert mit denen, die bei den eigenen Ausgaben extrem sparsam sind,
die den Kindern ein bisschen Kapital hinterlassen wollen. Sie haben
Schilling fuer Schilling, Euro fuer Euro zusammengelegt. Dann haben sie eine
Bank gesucht, die ihnen die hoechsten Zinsen fuer absolut sichere
Wertpapiere aufgeschwatzt hat. Das Geld ist mit ziemlicher Sicherheit in
irgendwelchen Fonds gelandet, die derzeit mit Vorliebe in den Ostlaendern
herumraeubern und dort die gewachsenen Sozialstrukturen in null komma nix
ruinieren. Persoenlich koennen diese Leute nichts fuer die staendig
wachsenden Monokulturen und die enormen Grundstueckspreiserhoehungen in
diesen Laendern, die alle ungeheuer schnell in die EU eintreten moechten.
Wer will das? Die dortigen Wirtschafts- und Politeliten pokern um
Anlagekapital, die ansaessige Bevoelkerungsmehrheit verliert aber von heute
auf morgen durch blitzschnelle Spekulationsblasen Grund und Boden. Den
bisherigen Subsistenzwirtschaften in den Ostlaendern muss laut EU natuerlich
schnellstens geholfen werden. Mehrwert ist schliesslich mehr wert. Tja,
Freunde - und die Boersen und die Finanzmaerkte! Wo mit der Entlassung von
Mitarbeitern auch gleichzeitig die Dividenden sprunghaft steigen. Irgendwie
schliesst sich in dieser Litanei der Kreis. Die Globalisierung mit daraus
hervorgehenden Weltmarktpreisen koennen ohne Zweifel als der unbeherrschbare
Besen des Zauberlehrlings gesehen werden. Ist der einmal losgelassen, gibt
es kein ‚return'. Waere ich juenger, wuerde ich jetzt schreiben: wir kommen
um das Zerschlagen dieser Strukturen kaum herum. Jetzt meine ich, dass jede
Niederlage der EU ein Freudenfest sein sollte.
*Fritz Pletzl*
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