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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 3. Mai 2005; 17:24
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Neutralitaet/Glosse:
> Ueber Neutralitaet, Schuessel und China
Neben hoechst kurios Anmutendem gibt es in unserem Land einige
unverrueckbare Traditionen, ueber die nicht gesprochen werden muss. Es gibt
sie einfach - irgendwie waren sie immer da und werden auch noch da sein,
wenn unsere juengste Generation dereinst den Loeffel abgibt. Die
Neutralitaet ist so eine unveraenderbare Tradition. Diese wurde zwar erst am
26. Oktober 1955 ins Leben gerufen, war aber immerhin mit der hoffnungsvoll
in die Zukunft blickenden Zusatzbemerkung 'immerwaehrend' ins Leben gerufen
worden. Mit Hinweis auf das bekannte und andauernd zitierte Versprechen
Oesterreichs, die Neutralitaet mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln
aufrecht zu erhalten und zu verteidigen, verbat sich das nunmehr neutrale
Land auch die Errichtung militaerischer Stuetzpunkte fremder Staaten auf
seinem Gebiet. Damit hatten auch die Besatzungsmaechte zu verschwinden,
Oesterreich war frei. So an die 50 Jahre erfolgte hierzulande der Umgang mit
der Neutralitaet mit einer unantastbaren Selbstverstaendlichkeit.
Sogar die deutsch-national Gestimmten innerhalb der FPOe-Fuehrung vergriffen
sich oeffentlich nicht an der Neutralitaet - sie haetten sogar bei ihrem
aeusserst rechten Publikum einen hohen Preis an Stimmenverlusten zu
gegenwaertigen gehabt. Insgesamt hat sich dadurch fuer die Politiker die
Faustregel durchgesetzt, wer auch immer die altehrwuerdige Neutralitaet
anpatzt, kann seine Wahlchancen vergessen. Doch Oesterreich ist nicht nur
neutral. Das Voelkerrecht unterscheidet akribisch zwischen 'neutraler' und
'dauernd neutraler' Staat. Als neutral wird ein Staat bezeichnet, der sich
bloss an einem bestehenden Krieg nicht beteiligt. Ein dauernd neutraler
Staat ist der, der die Nichtteilnahme an Kriegen zum Prinzip seiner Politik
macht. Neben anderen Regeln, wie z.B. die selbstverstaendliche
Unparteilichkeit gegenueber Kriegsparteien, wird auch darauf hingewiesen,
dass der dauernd neutrale Staat zu neutralitaetssichernder Politik,
insbesonders auch auf wirtschaftlichem Gebiete verpflichtet ist. Allerdings
verpflichet die immerwaehrende Neutralitaet nicht zu ideologischer
Indifferenz der Staatspolitik und der Gesellschaft. Es gibt also keine
Pflicht zu weltanschaulicher Neutralitaet.
Doch sehen wir uns einige Paragraphen des Voelkerrechtes zur Neutralitaet
und dauernder Neutralitaet in der Praxis an. Bundeskanzler Schuessel faehrt
mit einer Riesendelegation aus der Wirtschaft nach China. Nach einigen
Besichtungen von fuer diesen Besuch besonders herausgeputzten Werken und
Anlagen werden die Auftragsbuecher gezueckt. Je mehr darin eingetragen
werden kann, desto mehr verschwinden die stoerenden Unwichtigkeiten in
diesem besuchten Land. Die exorbitante Militaerpraesenz - was soll's! Die
tausenden 'Regime-Gegner und GegnerInnen' in den
Hochsicherheitsgefaengnissen - na und! Die weltweit hoechste Zahl an
Hinrichtungen mit Scheinprozessen - na und! Es geht um die Wirtschaft, denn
wenn's der Wirtschaft gut geht, geht's allen gut! Maos Verkuendigung 'werdet
reich', kam ja schliesslich auch nicht von ungefaehr. Aber vergesst eure
buergerlichen Rechte voll, haette er dazusagen koennen. Nur, was kann so ein
oesterreichischer Wirtschaftsmagnat dafuer, dass gerade in China unzaehlige
Menschenrechtsverletzungen passieren? Zu ihm waren seine chinesischen
Gastgeber ja sehr nett - und auch die Galamenues und das Hotel waren
1.Klasse. Naja, die werden's mit der Zeit schon noch kapieren. Ausserdem
grinst der oesterreichische Bundeskanzler so nett.
Die chinesischen Gastgeber sind von Schuessel tatsaechlich ganz entzueckt.
Er sagt so nette Sachen. So z.B., dass er natuerlich fuer 'EIN China' ist.
Es geht dabei um den Dauerkonflikt, der China und Taiwan seit Beendigung des
II.Weltkrieges fast schon rituell zu Drohungen mit Militaereinsatz und
Bombardements des jeweils anderen fuehrte. EIN China bedeutet nichts
anderes, als dass Taiwan als eigenstaendiges Land nicht mehr existieren
wuerde. Und tatsaechlich wurde auch schon hin und her geschossen, die beiden
Kontrahenten waren nur um Haaresbreite von einen realen Krieg entfernt. Die
Guomindang als Regierungspartei Taiwans schlitterte immer noch gerade um
eine Katastrophe herum. Angesichts dieser Konflikte zwischen zwei fremden
Laendern duerfte es voelkerrechtlich von ziemlicher Brisanz sein, dass ein
Bundeskanzler eines 'dauernd neutralen' Landes in seinen Aussagen andauernd
das eine Land - naemlich China - bevorzugt. Ja sogar noch Kriegsbestrebungen
foerdert, denn nur mit gutem Zureden wird sich Taiwan kaum dem chinesischen
grossen Nachbar einverleiben lassen. Wer zieht jetzt bitte Schuessel zur
Rechenschaft, der der chinesischen Fuehrung fuer Wirtschaftsinteressen in
den Arsch kriecht und dafuer massiv das Voelkerrecht verletzt?
*Fritz Pletz*
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