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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 3. Mai 2005; 17:26
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Glosse:
> Wozu brauchen wir ein Asylgesetz?
Ich lese die Gesetzentwuerfe nicht mehr, ich kann die Diskussionen darueber 
nicht mehr hoeren. Seit 1989 berate und betreue ich Fluechtlinge im 
Asylverfahren. In dieser Zeit gab es vier Asylgesetze, das fuenfte soll 
jetzt beschlossen werden; vier Innenminister habe ich politisch ueberlebt, 
Frau Prokop ist jetzt Nummer fuenf...
Jedes neue Gesetz war schlechter als das vorige - ausgenommen das dritte, 
das von Caspar Einem entworfen, aber leider erst unter Schloegl in 
verschlimmerter Form beschlossen wurde. Es hat uns mit dem Unabhaengigen 
Bundesasylsenat (UBAS) erstmals so etwas wie ein faires Verfahren gebracht. 
Aber der grosse Wurf war es auch nicht. In Wirklichkeit hat jedes dieser 
Gesetze Beschraenkungen der Genfer Fluechtlingskonvention mit sich gebracht.
Aber - Hand aufs Herz: Wozu brauchen wir ueberhaupt ein Asylgesetz? Wir 
haben doch schon die Genfer Fluechtlingskonvention (GFK); sie steht im 
Gesetzesrang und ist von jeder Behoerde unmittelbar anzuwenden. Mit diesem 
Instrument allein hat Oesterreich 1956 den Fluechtlingsstrom aus Ungarn 
bewaeltigt; das erste Asylgesetz wurde naemlich erst 1968 beschlossen.
Wir haben weiters die Europaeische Menschenrechtskonvention (EMRK) im 
Verfassungsrang. Auch sie ist von jeder Behoerde anzuwenden. Und wir haben 
das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG).
Das genuegt doch: Antraege auf Feststellung der Fluechtlingseigenschaft sind 
nach dem AVG zu behandeln; Antraege auf subsidiaeren Schutz im Sinne der 
Menschenrechtskonvention oder aus anderen humanitaeren Gruenden ebenso.
Behoerden brauchen wir dann noch. Eine gibt es schon per Verfassungsgesetz: 
den UBAS. Er ist als Berufungsbehoerde gedacht. Aber da er meist ohnedies 
die ganze Ermittlungsarbeit selber machen muss, weil die erstinstanzlichen 
Verfahren so mangelhaft sind, koennte man im Sinne der Verfahrensoekonomie 
doch gleich den UBAS (nach gehoeriger Aufstockung seines Personals) zur 
ersten Instanz machen und das Bundesasylamt einsparen.
Bitte mich nicht falsch zu verstehen: Ich kenne im Bundesasylamt auch brave 
und fleissige Beamte, die sich redlich bemuehen, ihre Arbeit zu tun. Aber 
das Bundesasylamt als Institution, deren Aufgabe es angeblich sein sollte, 
Fluechtlingen Schutz zu gewaehren, hat in all den Jahren seit seiner 
Gruendung voellig versagt. In Wirklichkeit hat dieses Amt naemlich gar nicht 
den Zweck, der im Namen steht. Es wurde schon von seinen Gruendungsvaetern, 
Loeschnak und Matzka, als Werkzeug der Asylverhinderung konzipiert. Das 
ergibt sich schon daraus, dass es dem Innenministerium untersteht. Eine 
kuenftige Reform wird vor allem dafuer sorgen muessen, dass das ganze 
Asylwesen aus dem Sicherheitsbereich ausgegliedert wird. Dort hat es 
ueberhaupt nichts verloren. Raus aus dem Innenministerium!
Vielleicht sollen wir den UBAS aber nicht ueberfordern. Denkbar waere auch, 
das erstinstanzliche Verfahren in einem kuenftigen Staatssekretariat fuer 
Integration und Einwanderung anzusiedeln. Jedenfalls ausserhalb des 
Innenministeriums! Dieses neue Amt muesste, wie der UBAS, oeffentlich 
verhandeln. Zweitinstanz bliebe der UBAS, Beschwerdeinstanz wie bisher der 
Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof. Diese Behoerden haetten die 
Verfahren nach dem AVG zu fuehren - allenfalls unterstuetzt durch ein 
schlankes, auf wenige Paragraphen reduziertes Asylgesetz.
Sie haetten Asyl zu gewaehren aus den Gruenden der GFK, aber auch im Sinne 
der EMRK sowie aus humanitaeren Gruenden. Die GFK ist naemlich keine 
Hoechst-, sondern eine Mindestnorm.
Asyl aus allen diesen Gruenden muesste die gleichen Rechtsansprueche (Recht 
auf Arbeit, unbefristeter Aufenthalt, Reisedokument, rasche Einbuergerung) 
nach sich ziehen. Voellig abgeschafft wuerden die Drittland- und 
Dublinverfahren. Sie stellen eine willkuerliche, sachlich unbegruendete 
Einschraenkung der Genfer Fluechtlingskonvention dar. Ausserdem kosten sie 
Unsummen Geld, sodass ihre Streichung auch ganz im Sinne der Steuerzahler 
ist.
Eine solche Reform wird freilich erst nach Abschaffung der Regierung 
Schuessel moeglich sein. Aber vielleicht schafft diese Regierung sich 
ohnedies bald selber ab.
*Michael Genner, Asyl in Not (gek.)*
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