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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. April 2005; 20:41
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BRD/Polizei/Schoener Wohnen/Glosse:
> Sprayende Kids und Hubschrauber
Fadesse und Truebsinnigkeit empfaengt den, der in Wien die Wohnblocks z.B. 
der Engerth- oder Wehlistrasse in Wien-Brigittenau entlangmarschiert. Ein 
Wohnblock neben dem anderen - alle ungefaehr gleich gross, alle mehrere 
hundert Meter lang. Die Tristesse wird alle drei, vier Blocks durch einen 
Billamarkt oder eine Austria-Bank "unterbrochen". Zum naechsten Beisel, zur 
Trafik oder gar in ein Restaurant ist es eine Ewigkeit. Kleine Laeden wie 
Schuster, Eisenhandlungen oder einfach nur Krims-Krams-Geschaefte gibt es 
nicht. Es ist oed, langweilig. Natuerlich wachsen in diesen ewig langen 
Strassenzuegen mit den Riesen-Wohnbloecken auch Kids auf und lernen 
zwangslaeufig, mit dieser Oednis umzugehen. Dabei haben diese mit ihrer 
Wohngegend noch "Glueck gehabt". Sie wohnen in Gemeindebauten der 
Dreissiger-Jahre, die alle nicht hoeher als vier oder fuenf Stockwerke 
hinaufragen.
Andere haben mehr Pech. Sie wohnen in Transdanubien in Ghettos - Betonburgen 
wie Rennbahnsiedlung, Rautenweg oder Grossfeldsiedlung. Um zu wissen, wo sie 
wohnen, benoetigen die Kids jedesmal den Blick auf ihren Schluesselbund. 
Jeder Bau sieht einfach wie der andere aus. In den 80ern oder 90ern wurde 
zwar beschlossen, diese unwohnlichen Wohngigantomien einzuschraenken, sprich 
weniger Stockwerke und alles etwas verteilter. Aber wer jemals die riesigen 
Wohnanlagen nach dem Zentralfriedhof besuchen muss, wird mit "moderner" 
Architektur ebenfalls nicht anzufangen wissen. Es ist schrecklich monoton. 
Ein Haus sieht frappant wie das andere aus. Und wieder das gleiche Bild - 
diesmal nur um einige Stockwerke niederer als in den Ghettos. Alle paar 
Bloecke ein Billa, an den Hauptstrassen je eine Austria-Bank - alles trist, 
alles wie oben....
Welche Chancen haben Kids, mit dieser Umgebung umzugehen - was koennen sie 
tun, um in der Uniformitaet ihrer Wohnsilos nicht voellig unterzugehen? Noch 
dazu, wo in ganz Wien die Architekten einen Bund geschlossen haben duerften, 
ihre Haeuser moeglichst kalt, gleich und schrecklich modern aussehen zu 
lassen. Eine der sich ergebenden Moeglichkeiten ist fuer einige Kids 
massgeblich, naemlich das Anders-Sein in purer Aggression zu finden. Auf die 
"anderen" einzuschlagen, wo immer sie auftauchen, Brutalitaet zu zeigen. 
Womit sich perfekt der Kreis zwischen ungeheurer Fadesse, Verwahrlosung und 
ersten Polizeibekanntschaften schliessen laesst, die erfahrungsgemaess nicht 
die letzten bleiben. Und doch gibt es andere. Es gibt welche, die nach dem 
Motto "mach kaputt, was dich kaputt macht", agieren. Sie sprayen ihre Wut, 
ihren Zorn ueberall auf die unertraeglich weissen Waende und ergaenzen sich 
perfekt mit den anderen, die ihrer kuensterlischen Ader freien Lauf lassen. 
Nicht selten werden die Wut-Sprayer zu tollen Kuenstlern. Meist geht es aber 
darum, Zeichen zu setzen: "Ich war da - es gibt mich".
Graffitis beleben die Sinne. Sofern es sich nicht um von der jeweiligen 
Stadt spaerlich zur Verfuegung gestellten Waende handelt, die jederzeit 
besprueht werden koennen, handelt es sich um illegale Aktionen. So weit, so 
wurscht. Der Reiz dieser illegalen Graffitis besteht ja darin, beim 
Anbringen derselben nicht erwischt zu werden. Es gibt Staedte, die mit 
Nonchalanche ueber die Verletzung der Sprayverbote hinwegblicken - so nach 
dem Motto: "na gut, so ist es halt." Aber es gibt Staedte wie Berlin, wo 
Sozialdemokraten (!) gegenueber Sprayern haerteste Konsequenzen fordern. Sie 
sollen dort mit Hubschraubern gejagt werden: "Bundesinnenminister Otto 
Schily (SPD) bezeichnete den Einsatz von Hubschraubern des 
Bundesgrenzschutzes zur Jagd auf Graffiti-Sprayer als legitimes 
polizeiliches Fahndungsmittel". (1) Die Berliner Morgenpost will bundesweit 
"Schaeden von rund 200 Millionen Euro" (2) ausgemacht haben. Kein Wort 
faellt jedoch ueber die 5,2 Millionen bundesdeutschen Arbeitslosen, keine 
Silbe ist ueber die massiven Verschlechterungen der Sozialgesetze zu hoeren. 
Zuerst hielt ich dieses Hubschrauber-Szenario fuer einen schlechten Witz, 
aber die meinen es ernst - bitter ernst! Es ist unglaublich, 
Sozialdemokraten gehen auf Sprayer mit dem Einsatz von Hubschraubern vor. Da 
kann es nur heissen: viel Glueck beim Sprayen, lasst euch nicht erwischen!
*Fritz Pletzl*
(1) und (2) Berliner Morgenpost (9.04.05)
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Kasten:
> "Der Jaeger im Mann"
Zitate aus der Presse
aus "Berliner Morgenpost":
"Die Hubschraubereinsaetze zur Bekaempfung von Farbschmierern, die der 
Bundesgrenzschutz (BGS) in den vergangenen Tagen im Zusammenhang mit dem in 
Berlin stattfindenden Anti-Graffiti-Kongresses durchfuehrte, werden keine 
Einzelaktionen bleiben."
"Auch Mario Hein, Leiter der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe (GEG) 'Graffiti' 
von BGS und Berliner Polizei, bezeichnete Hubschraubereinsaetze mit 
Waermebildkameras als ideales Mittel zum Aufspueren von Sprayern und zur 
rechtzeitigen Verhinderung von Schmierereien."
"Im vergangenen Jahr hat die Polizei knapp 10 000 Faelle bearbeitet und 
dabei etwa 1700 Taeter, zu 99 Prozent im Alter zwischen 14 und 21 Jahren 
dingfest gemacht. Etwa 250 bis 300 von ihnen gehoeren zum harten Kern der 
Szene."
"Teuer koennte es kuenftig auch fuer gefasste Sprayer werden. Ihnen droht 
nicht mehr nur die Inanspruchnahme der Kosten fuer die Beseitigung der 
Schmierereien. Der BGS prueft derzeit die rechtlichen Moeglichkeiten, ihnen 
die Kosten fuer Hubschraubereinsaetze, immerhin knapp 1200 Euro pro Stunde 
in Rechnung zu stellen."
http://www.morgenpost.de/content/2005/04/09/berlin/746319.html
aus "Der Spiegel":
"Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) aeusserte in Muenchen: 
'Schily geht zu Recht in die Luft!' Beim Innenminister sei 'der Jaeger im 
Mann erwacht.'"
"Der Berliner Polizeisprecher bestaetigte, dass im Zuge der Fahndung nach 
Graffiti-Sprayern ein Mensch getoetet wurde. Am Donnerstagabend sei ein 
Motorradfahrer von einem Streifenwagen erfasst worden. Die Polizisten seien 
unterwegs zu einem Einsatzort gewesen, wo Sprayer am Werk gewesen sein 
sollen."
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,druck-350382,00.html
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