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akin-Pressedienst. Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. April 2005; 21:12
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Demokratie/Glosse:

> Die Macht des Fragenskoennens

Die Volksbefragungen in den beiden Salzburgs koennten als politisches
Lehrstueck dienen


Dass in einer Demokratie nicht das Volk herrscht, ist ein alter Hut. Von den
absoluten Herrschern bis zu den buergerlichen Demokratien heutigen
Zuschnitts hat sich eins nicht geaendert: Eliten regieren. Sie regieren
solange, bis sie von anderen Eliten abgeloest werden -- frueher geschah das
durch Eroberungen oder Revolutionen, heute werden in unseren Gegenden die
Fuehrer der Nation ganz zivilisiert abgewaehlt. Die Personen werden
ausgetauscht, das System bleibt das Gleiche.

Dennoch, eine Demokratie ist sicher gemuetlicher. Man wird nur verklagt,
wenn man die Obrigkeit beschimpft, und nicht gleich gekoepft. Durchaus ein
Fortschritt. Und manchmal wird man sogar um seine Meinung gefragt. Meistens
geht es nur darum, zu waehlen, wie die Obrigkeit ausschauen soll, die einem
auf den Kopf scheissen darf. Aber manchmal wird man sogar in Sachfragen
konsultiert -- wenn das Thema allzu heikel ist, um einfach so ueber die
Volksmeinung hinwegzugehen. Doch bleibt der Obrigkeit neben der Moeglichkeit
der Propaganda (aus Steuermitteln, versteht sich) noch ein Joker, den sie
zumeist gekonnt auszuspielen versteht: Das Recht des Fragens. Die Methoden
reichen dabei von der Art der Fragestellung ueber den Zeitpunkt des
Urnengangs bis hin zur Auswahl der Befragten. Meistens faellt das nicht
weiter auf und Volkabstimmungen oder gar rechtlich nicht bindende
Volksbefragungen dienen neben der Legitimation des von oben Geforderten auch
noch dem ueberaus gewuenschten Bild des wahrhaften demokratischen Staates.

Selten, aber manchmal geht das halt schief (Zwentendorf, EXPO Wien).
Meistens ist das Ergebnis dennoch das Gewuenschte. Diese Macht der
Fragestellung zeigte sich besonders deutlich in der geradezu genialen
Formulierung des Stimmzettels bei der Abstimmung ueber die
niederoesterreichischen Landeshauptstadt 1986. Da wurden das Wahlvolk
zuallererst gefragt, ob es denn fuer die Schaffung einer eigenen
niederoesterreichischen Landeshauptstadt sei. Das Perfide daran war, dass
die zweite Frage auf dem Zettel sinngemaess lautete: "Wenn ja, welche Stadt
soll Landeshauptstadt werden?" Und darunter 5 Staedtenamen. Damit war klar,
dass jeder, der wollte, dass seine Stadt die erste unter den Staedten
Niederoesterreichs wird, nicht umhin konnte, die erste Frage mit "Ja" zu
beantworten. Umgekehrt war den Verweigerern versagt, eine Stadt zu nennen --
das war zwar nicht unbedingt mit den Grundprinzipien der Verfassung
vereinbar, erfuellte aber gemeinsam mit einer massiven Kampagne seinen
Zweck: Niederoesterreich stimmte fuer eine neue Landeshauptstadt.

Die zweite Methode ist, sich auszusuchen, wenn man befragt. Und da ist
kuerzlich in Salzburg ein nicht entschuldbarer Fehler passiert -- dort gab
es zwei Befragungen an zwei verschiedene "Wahlvoelker" zum selben Thema und
leider kam dabei heraus, dass das eine Wahlvolk "Ja" sagte und das andere
Wahlvolk "Nein". Man hatte naemlich in der Frage einer Olympiabewerbung der
Stadt Salzburg sowohl die Wahlberechtigten der Stadt als auch die des
gesamten Landes gefragt. Das Land war mit rund 60% dafuer, dass sich das
Land fuer eine Bewerbung der Stadt einsetzen sollte, die Stadt selbst war
mit der selben Mehrheit dagegen, sich zu bewerben.

So schoen kann man das selten sehen: Es kommt eben darauf, wen man fragt.
Dabei steckt die Politik natuerlich im Dilemma -- denn bevor man das Mittel
des Plebiszits anwendet, muesste man die Frage stellen: Wer ist ueberhaupt
betroffen und hat daher das Recht, mitzubestimmen? Und davor die verzwickte
Frage: Wer ist ueberhaupt legitimiert, zu entscheiden, wer denn betroffen
sei?

Vor dieser Frage steht die Politik immer und ueblicherweise entscheiden
Politiker, wer betroffen ist. Und das fuehrt zu einer exorbitanten
Machtposition, die die gesamte Politik immer wieder praegt. Ein anderes
Beispiel: Bei oesterreichischen Bundeswahlen sind Menschen, die seit
Jahrzehnten im Ausland leben und von der oesterreichischen Politik so gut
wie nicht betroffen sind, dennoch aber ihre Staatsbuergerschaft nie abgelegt
haben, sehr wohl wahlberechtigt. Auslaender aber, die schon lange hier
wohnen, arbeiten, Steuern zahlen und ihre Kinder auf die Schule schicken,
sind vom Wahlrecht ausgenommen -- obwohl deren Leben sehr wohl von der
hiesigen Legislative und Exekutive beeinflusst wird. Man ueberlege sich mal,
wie Fremdenrecht und Wahlpropaganda aussehen wuerde, waere es umgekehrt!

Im konkreten Fall Salzburg ist die Frage der Betroffenheit wirklich schwer
zu beantworten, denn einerseits ist die Stadt Salzburg der nominelle
Bewerber fuer Olympia 2014 und wuerde enorme kommunale Lasten zu tragen
haben, wenn die Spiele dorthin kaemen. Andererseits kaemen die alpinen
Bewerbe ins Pongau -- was die dortige Fremdenverkehrsindustrie durchaus
freuen wuerde. Das gesamte Land Salzburg wiederum muesste die Chose
mitbezahlen und waere durch ein enormes Verkehrsaufkommen betroffen. Und der
Bund muesste wohl auch mit erheblichen Geldern die notwendige Infrastruktur
sponsern. Also: Wer ist zu befragen?

Ein Verdacht draengt sich auf, quasi eine Verschwoerungstheorie:
Schliesslich wusste man schon vorher, dass die formal zustaendige Stadt
dagegen sein koennte und wollte ein politisches Gegengewicht. Vielleicht war
es daher gar kein Fehler, keine Unkoordiniertheit zwischen Land und
Gemeinde. Vielleicht war man sogar sehr froh, dass man zwei formal nicht
verbindliche Befragungen gemacht hat. Jetzt kann sich "die Politik"
(neudeutsch fuer Obrigkeit) daran machen, ganz ohne Stoerungen zu
entscheiden -- denn schliesslich habe man nun wirklich alles gemacht, um
Volkes Wille zu erkunden. Das Volk habe widerspruechlich geurteilt und daher
muesse man nun selbst entscheiden.

Egal, ob es sich jetzt um Zufall oder um Kalkuel gehandelt hat, dass zwei
widerspruechliche "Volksentscheide" vorliegen, es bleibt ein schoenes
Beispiel. Ein Beispiel dafuer, dass "wir hier unten" nicht nur im Spiel von
"denen dort oben" mitspielen sollten, sondern dass wir auch deutlich machen
koennten, dass wir Interesse daran haetten, einmal ueber die Spielregeln zu
diskutieren.
*Bernhard Redl*


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