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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. April 2005; 21:13
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Soziales/Prekaeres/Alltag:
> Das Maerchen von der Freiheit
Trug es sich einst zu in einem offenen, freien, kompetenten Call-Center, 
dass sich eine Mitarbeiterin mit ihrem freien Dienstvertrag, wohl all zu 
frei fuehlte.
Frueh' morgens trat sie ihren Dienst an, in dieser freien ungebunden Welt, 
trat ein in den Glaspalast der Freude, der Heiterkeit als Teil unter 
Freunden und in einem dynamischen Kreis, auf du und du, loyal und ehrlich, 
als Teil eines aufrichtigen Teams.
Tapfer fuer die gute, grenzenlose Sache, verzichtet sie auf ihren 
gesetzlichen Rueckhalt, auf bezahlten Urlaub, gesetzliches Urlaubsgeld, 
Weihnachtsgeld, nein nie mehr gebunden sein frei - ein Individuum, 
Mitstreiter fuer die Sache, fuer den Zeitgeist.
Nichts konnte sie erschuettern, fuer die Freiheit muss man kaempfen, wir 
durchbrechen den verkarsteten Beamtenproporz, sind stark maechtig und nehmen 
unser Leben selbst in die Hand.
So kaempfte sie sich durch den Post-it-Jungle, nichts konnte sich ihr 
entgegenstellen, nicht die Warnung, dass wer sich nicht einmal im Monat fuer 
einen Wochenenddienst verpflichtet, zwangseingeteilt wird, nein das konnte 
sie fuer wahr nicht erschuettern, das traegt das Team, dafuer werden wir 
bezahlt.
Stolz, nicht abhalten lassend davon, dass die Freiheit im freien 
Dienstvertrag gewuerzt ist durch Ziele, wie 10 Minuten frueher an seinem 
Arbeitsplatz eingeloggt zu sein. Hingegeben dieser freien Idee, konnte sie 
auch nicht abschrecken, diese Absurditaet eines klug durchdachten 
mathematische Satzes, dass 60 Minuten, also eine Stunde aus 12 x 5 Minuten 
besteht und nie mehr als 1 Mitarbeiter gleichzeitig seine wohl verdiente 
Bildschirmpause einhalten darf, auf den Schluss kommt, nun es gibt wohl 
nicht genuegend Pausenzeit fuer alle 40 Mitarbeiter. Doch wir alle 
Verbuendete in einem Team, kaempfen unverdrossen weiter. Wir sind frei und 
setzten es durch bis zum Letzten, Pech gehabt, wer auf der Strecke bleibt. 
Unsere Staerke von heute lebt doch nicht von der Schwaeche der ewig 
Gestrigen. Nein unverdrossen frohen Mutes fuer die Gerechtigkeit, fuer die 
Freiheit, fuer die Loyalitaet in einer gerechten, freien Sache. Fuer das 
Team, wir sind ein Kollektiv, ein freies Kollektiv. Doch 'frei und kollektiv' 
denkt sich die Mitarbeiterin, geht das denn? Doch dieser Gedanke, am besten 
gleich zur Seite geschoben, natuerlich geht das, wir sind erfolgreich, 
erweitern unsere ruhmreichen Hallen, gehen hinaus in die Welt, Wien, Linz, 
Berlin, Zuerich . wir sind stark, der Erfolg gibt uns Recht.
Was macht es schon, dass man als kleines Raedchen taeglich gekuendigt werden 
kann, auf die Minute angerufen werden kann, du wirst heute nicht gebraucht, 
natuerlich auch nicht bezahlt. Nein, man erfuellt seine Pflicht, man ist 
frei fuer das Kollektiv.
Da kam der Mitarbeiterin doch tatsaechlich die zuendende Idee? Warum trage 
ich nicht auch meinen Vers in dieser freien, dynamischen Welt bei. Wir sind 
doch ein offenens, freies und froehliches Team, so wird dieses kleine 
Scherzchen doch keiner missverstehen. Nahm' kurzer Hand ein Zettelchen zur 
Hand, mit der Idee, durch meinen Beitrag, will ich das Zettelchenwaeldchen 
schmuecken und schrieb:
> ACHTUNG WICHTIG!
Jeder Mitarbeiter, der auf die Toilette geht, bitte 3 x im Kreis gehen, die 
Faeuste in die Luft strecken und "yeah" schreien - Wir wollen damit nach 
aussen signalisieren, dass wir ein motiviertes, dynamisches Team sind. 
Bitte, das muss jeder machen! Die TL (= Teamleiter /Anmerkung d.Verf.) 
kontrollieren es!
Call-Center-Leitung <
Diese kleine Karikatur sollte die Freigeister in dieser freien, dynamischen 
Welt doch erheitern. Damit mache ich meinen Gefaehrten eine Freude, zeige 
ihnen auf wie wertgeschaetzt ihre Arbeit ist, wie individuell und frei sie 
sind.
Doch anscheinend, haben sich die freien, jungen, dynamischen und 
freundlichen Menschen gar nicht so gefreut.
In Verhoermanier hat die kleine Mitarbeiterin einen erbosten Anruf der 
Firmenleitung bekommen, mit der Frage, ob sie den die Verantwortliche fuer 
diesen Hohn gegen die grosse, freie Leitidee sei, ob sie sich tatsaechlich 
mit diesem ketzerischen, niedertraechtigen Tun identifizieren koenne. Die 
kleine Mitarbeiterin nahm allen Mut zusammen, "ja" sagte sie, "ich war's" 
ich bin die Schuldige die ihr sucht, gestand sie ein.
Nun wurde die boese Ketzerin an den verbalen Pranger gestellt, wo sie 
hingehoert, diesen Keil ins Team zu treiben, was fuer eine verwerfliche Tat, 
die Mitarbeiter fuehlen sich verunsichert, ja niemand wisse mehr, was in 
dieser freien Welt, nun Recht und Ordnung sei. Nein wie kann man nur so 
verlogen und widerlich sein, in einer so strahlenden, glanzvollen und 
aufrichtigen Welt.
Bestaetigt fuehlte sich die kleine, freie Mitarbeiterin in ihrem Tun, und 
hoffend, dass auch andere es baldigst erkennen werden, das man in einer ach 
so freien Welt, sehr rasch an seine Grenzen stoesst.
Dies ist wohl nicht nur eine Maer', nein, so geschah es wirklich, in einem 
der renommiertesten Call-Center unseres Landes und woher der Erzaehler es so 
genau wisse? Nun denn, die Mitarbeiterin bin ich ... eine kleine Maus, gegen 
die sich die grossen Loewen so stark wehren, wohl fuehlten sie sich auf den 
koeniglichen Schwanz getreten.
S.MS
(Name der Verfasserin und der Firma der Redaktion bekannt)
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