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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 5. April 2005; 22:38
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BRD/Abschiebungen/Demonstrationsrecht/Moderne Zeiten/Prozesse:

> Online-Demo gegen Lufthansa vor Gericht

Im Dezember 2004 erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt nach ueber drei
Jahren Ermittlungsarbeit Anklage gegen den Anmelder der Domains
www.libertad.de und www.sooderso.de. Angeklagt wurde als "Noetigung" und
"oeffentliche Aufforderung zu Straftaten" der Aufruf und die Beteiligung an
der ersten groesseren Demonstration im deutschsprachigen Internet. Das
Amtsgericht Frankfurt hat diese Anklage jetzt zugelassen. Als Prozesstermin
wurde der 14. Juni 2005, 9.00h (Gerichtsgebaeude E, OG II, Raum 24)
festgelegt.

Die "Straftat" wurde fast genau vier Jahre zuvor - am 20. Juni 2001 -
begangen. "kein mensch ist illegal" und "Libertad!" hatten zum Protest gegen
die Lufthansa aufgerufen. In Fortfuehrung der "deportation.class"-Kampagne
wurde mit einem elektronischen Go-in auf die Internetpraesenz
www.lufthansa.com gegen das Abschiebegeschaeft von Fluggesellschaften
protestiert, fuer die die Lufthansa AG stellvertretend, aber prominent
steht. Es sollte erreicht werden, dass Lufthansa sich aus diesem Geschaeft
zurueckzieht. Ueber 250 Organisationen aus den Bereichen der
Menschenrechtsarbeit, der Asylpolitik und Gewerkschaften und hunderte
antifaschistische und linke Aktivist/innen begruessten die
Online-Demonstration gegen die Lufthansa und riefen dazu auf. Parallel zur
deren Jahreshauptversammlung am 20.06.2001 beteiligten sich schliesslich
13.000 Menschen im vereinten Protest gegen die routiniert vollzogene
Abschiebungspraxis. Zeitweise war durch die vielen Zugriffe die
Lufthansa-Seite gar nicht oder nur schwer zu erreichen.

Obwohl die Online-Demo bereits Monate vor dem ersten Mausklick Staatsschutz
und Justizministerium alarmierte, gab es offensichtlich kein "oeffentliches
Interesse" an der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Erst auf Anzeige
der Lufthansa AG nach der Online-Demo wurde das Verfahren eingeleitet und
ermittelt, die Raeume von Libertad! und Wohnungen durchsucht und zahlreiche
Rechner und Speichermedien beschlagnahmt.

Urspruenglich wurde neben Noetigung (§240) auch wegen Datenveraenderung
(§303a) und Computersabotage (§303b) ermittelt. Bis auf Noetigung und
Anstiftung wurden die anderen Vorwuerfe in der Anklage fallen gelassen.
Offensichtlich erschien es nicht realistisch, daraus eine prozesstaugliche
Anklage zu konstruieren.

Von Polizei und Staatsanwaltschaft wurde waehrend der Ermittlungen immer
wieder betont, dass man mit dem Verfahren juristisches Neuland betrete und
es allgemeine Bedeutung habe. So wurde auch gegen die Inhaber/innen von
Domains, die die Mobilisierungs-Homepage (go.to/online-demo) gespiegelt
hatten, ermittelt. Bei Providern wurde versucht, die bei der Lufthansa
gespeicherten IP-Adressen gegen Nutzer/innen aufloesen zu lassen. Laut Akten
rueckte aber kein Provider die Daten heraus. In monatelanger Auswertung der
unzaehligen bei Libertad! beschlagnahmten Datentraeger wurde der
kriminalistische Beweis erhoben, was nie strittig war: Libertad! und der
jetzt Angeklagte riefen zur Online-Demo auf. Jeder Zeit war in aller
Offenheit agiert worden. Die Demonstration war sogar bei Ordnungsamt und
Polizei Koeln zwecks "Verkehrsregulierung" auf den Datenautobahnen
angemeldet worden.

Bis auf einige Geraete, auf denen offensichtlich noch nicht mal das Wort
"online" zu finden war, wurden alle Produktiv-Geraete jahrelang einbehalten.
Erst im Maerz 2005 - parallel zur Zulassung der Anklage - verfuegte die
Staatsanwaltschaft die Herausgabe aller Rechner - mit ausgebauter
Festplatte.
(Aussendung Libertad! / gek)

Quelle: http://no-racism.net/article/1158/

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