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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 5. April 2005; 22:53
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EU/Militaer/Kapital:

> "Jetzt ist eine PR-Kampagne notwendig!"

Bertelsmann-Institut fuer kriegerisches und autoritaeres EU-Regime:
"Get anywhere, fight anywhere, eat anywhere, stay anywhere"

"Die militaerische Zielstellung der Europaeischen Sicherheitsstrategie ist
es, Konfliktdominanz nahe am Krieg Staat gegen Staat sicherzustellen. Die
EU-Streitkraefte brauchen daher deutliche Luftueberlegenheit und eine
Schlagkraft, die von land- und seegestuetzten Plattformen operieren kann,
wie zum Beispiel von Flugzeustraegern, um die Kuestengebiete zu beherrschen,
die Streitkraft zu schuetzen, zusaetzliche Feuerkraft bereitzustellen und
zusaetzliche Streitkraefte heranzubringen. Was Europa braucht, ist eine
Streitmacht, die an jedem beliebigen Punkt der Erde eingreifen, kaempfen,
essen, bleiben kann" (orig.: "get anywhere, fight anywhere, eat anywhere,
stay anywhere").

Die, die solches von ich geben, gehoeren nicht - wie man vielleicht vermuten
koennte - zu den "Europa erwache"-Krakeelern vom rechtesten Rand, sondern
zaehlen zum engsten Beraterstab des deutschen Bundeskanzlers Gerhard
Schroeder. Autor ist das "Centrum fuer Angewandte Politikforschung" aus
Muenchen, eine der bedeutendsten aussenpolitischen Denkfabriken
Deutschlands, finanziert vom deutschen Bertelsmann-Verlag. In der Studie "A
European Defence Strategy" aus dem Jahr 2004 holen die Bertelsmaenner den
Rechtsaussen-Diskurs eines nach aussen kriegerischen und nach innen
autoritaer regierten und hierarchisch gegliederten Europas in die Mitte
bundesdeutscher Politik.

"Praeventive weltweite Militaermissionen". Ohne Zweifel, in den
"Denkfabriken" deutscher Aussenpolitik wird wieder von neuen
"Stahlgewittern" getraeumt: man brauche eine "Europaeische Sicherheits- und
Verteidigungspolitik, die Missionen ueber ein weitaus groesseres Spektrum;
weitaus groessere Distanzen auf einem potentiell hoeheren Niveau der
Konfliktintensitaet und fuer laengere Zeitraeume bewerkstelligt" (S. 9).
Denn "wahre Unabhaengigkeit verlangt, dass die EU-Streitmacht sowohl die
notwendigen direkten Faehigkeiten fuer effektive Feuerkraft, Mobilitaet und
Information besitzt, als auch ausreichende Unterstuetzungselemente, um
Operationen ueber Distanz und Zeit aufrechtzuerhalten" (S. 25). Und weiter:
"Die EU ist ein neuer Sicherheitsakteur, der in der Lage ist, das
weitestgehende Set ziviler und militaerischer Werkzeuge anzuwenden, die
bislang bekannt sind" (S. 26). Dieses "weitestgehende Set" soll eingesetzt
werden, um "mit praeventiven weltweiten Militaermissionen Attacken in Europa
oder auf Europaeische Interessen zu stoppen " (S. 22). Also Krieg auf
Verdacht. Rumsfeld haette es nicht praegnanter formulieren koennen.

Neuauflage der "Breschnew-Doktrin" in der EU. Zuschlagen will man mit diesem
"weitestgehenden Set" nicht nur bei "Regionalkonflikten ausserhalb der EU",
sondern auch "bei regionalen Konflikten im Inneren der EU", "um einem
Hilfsansuchen von EU-Mitgliedstaaten zu entsprechen". Die beruechtigte
"Breschnew-Doktrin" erlebt eine Neuauferstehung im EU-Gewand. Wenn also
polnische Bauern, spanische Werftarbeiter, franzoesische Eisenbahner oder
oesterreichische Transitgegner einmal gar zu hartnaeckig der "offenen
Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" (Wortlaut EU-Verfassung) Widerstand
entgegensetzen, soll in Bruessel um Bruderhilfe angesucht werden koennen.

"Allumfassende strategische Fuehrung". In der Berteismann-Studie wird einem
autoritaeren Europa das Wort geredet. Die Zusammenballung saemtlicher
Sicherheitsagenden soll in einem EU-Sicherheitsrat (EUSR) stattfinden, der
vom EU-Aussenminister und einem neu zu schaffenden EU-Sicherheitsminister
angefuehrt werden soll. Dieser EUSR soll "in Krisenzeiten [...] die
allumfassende strategische Fuehrung erhalten". In diesem EUSR sollen die
Machtmittel und Kompetenzen fuer aeussere und innere Sicherheit
zentralisiert werden. Nach US-Vorbild wird eine "Homeland Security Agency"
einschliesslich einer "Antiterrorismus-Agentur" unter der direkten Kontrolle
des EUSR angeregt. Denn die Berteismaenner wittern den "terroristischen"
Feind ueberall - sowohl weltweit als auch im Inneren. Der EUSR soll die
Moeglichkeit haben, zivile Infrastrukturen -- Hochgeschwindigkeitszuege
genauso wie die Schiffe der EU-Mitgliedstaaten -- fuer militaerische
Einsaetze zu requirieren (S. 48).

Deutsch-franzoesisch-britisches Triumvirat. Auch innerhalb des EUSR sollen
die obersten Spitzen der EU-Staaten nicht auf gleicher Ebene entscheiden,
sondern ein "bestimmtes Mass an militaerischer Hierarchie" (S. 31)
eingefuehrt werden. "Die militaerische Fuehrung muss von einem Triumvirat
(orig.:"trirectoire") aus Grossbritannien, Frankreich und Deutschland
ausgeuebt werden [...] Waehrend solcher Operationen muessen sich die
Einheiten anderer Nationen der vollstaendigen militaerischen Fuehrung der
Fuehrungsnationen unterwerfen" (S. 41). Und natuerlich soll diese
Dreierfuehrung auch die Verfuegungsgewalt ueber die maechtigste aller
Waffen - die Atomwaffe - besitzen. Deshalb draengen die Deutschen "im
EU-Rahmen" auf eine Mitverfuegung ueber die franzoesischen und britischen
Atomwaffen. Diese Frage duerfe "nicht ewig aufgeschoben werden", mahnen die
Maenner der Bertelsmannstiftung (S. 58). Diesem Triumvirat auf politischer
Ebene soll ein ebensolches auf ruestungsindustrieller Ebene entsprechen.
"Wenn das Triumvirat die militaerischen Koalitionen der EU fuehrt, dann
sollen BAe Systems, EADS und Thales sich zu einem Triumvirat der
Europaeischen Ruestungsindustrie hinentwickeln - als Hauptauf-tragsnehmer,
die die Beschaffungsprojekte unter der Aegide der Europaeischen
Verteidigungsagentur anfuehren" (S. 18). D. h. die
britischfranzoesisch-deutsche Ruestungsindustrie blaest den Marsch, nach dem
die anderen zu tanzen haben.

"Ob es euch gefaellt oder nicht". Mindestens 2 % des Brut-toinlandsprodukts
soll in jedem Land fuers Militaer ausgeben werden. Fuer Oesterreich hiesse
das eine schlichte Verdoppelung der Ruestungsausgaben. Kommuniziert wird im
Befehlston: "Ob es euch gefaellt oder nicht: die Europaeer muessen besser
und mehr ausgeben, um die Luecke zwischen den geplanten Militaermissionen
und den gegenwaertigen Kapazitaeten zu schliessen" (S. 51). Weil mit
Widerstand gegen diese Militarisierung auf nationaler Ebene gerechnet werden
muss, soll die EU-Verteidigungsagentur "ausreichende Autoritaet" erhalten,
um diese Widerstaende zu brechen. Die "Big Tickets" der EU-Ruestung muessen
aus einem zu schaffenden EU-Ruestungsbudget finanziert werden, um laestige
demokratische Prozesse umgehen zu koennen. Zu diesen "Big Tickets" zaehlt z.
B. sowohl die Militarisierung des Weltraums als auch die schweren
Transportkapazitaeten zur See und in der Luft (S. 56).

"Exzessive Eingriffe unvermeidbar". Bei aller Kuehnheit, mit der die
Studienautoren die gesamte Welt zum Aufmarschgebiet Europaeischer Soldaten
machen wollen, so quaelt sie doch eine massive Angst. Die vor der eigenen
Bevoelkerung. Wie soll man auch vernunftbegabten Menschen erklaeren, dass
ihre Sozialleistungen gekuerzt werden, damit ihre Soehne und Toechter zur
"Verteidigung" des Europaeischen Reichs am Hindukusch, am Kaukasus oder im
Kongo ihr Leben riskieren? Die Studienautoren schlagen vor, was alle
Machthaber vorschlagen, wenn der Abstand zwischen ihren Interessen und denen
der breiten Bevoelkerung unueberbrueckbar wird: eine Propagandaoffensive.
"Bisher hat die meiste Entwicklung hinter verschlossenen Tueren
stattgefunden [...] Jetzt ist eine PR-Kampagne notwendig, die die
europaeische oeffentliche Meinung informiert, beschwichtigt und einbezieht".
Fuer die " Operationen der Europaeischen Sicherheitsstrategie" braucht es
"eine starke Anhaengerschaft in der oeffentlichen Meinung". Denn: "Die
Eigenart der derzeitgen Sicherheit fuehrt zu Aengsten ueber exzessiven
Eingriff durch Sicherheitsagenturen, was bis zu einem gewissen Grad in
Zeiten strategischen Terrors unvermeidlich ist" (S. 49). Die oeffentliche
Meinung muss mit entsprechenden Feindbildern hysterisiert werden, um sich
diesen Zumutungen zu unterwerfen.

Unfreiwillig bestaetigen die Studienautoren, wie wirkungsvoll die Arbeit der
Friedensbewegung ist. Denn wenn ihnen die Militarisierung der Herzen und
Hirne an der "Heimatfront" nicht gelingt, haben sie die Rechnung ohne den
Wirt gemacht.
(Gerald Oberansmayr in Guernica 2/2005 / leicht gek.)

Material: Centrum fuer Angewandte Politikforschung: A European Defence
Strategy, Bertelsmann Foundation
http://www.cap-lmu.de/publikationen/2004/venusberg.php


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