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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 22. Maerz 2005; 17:50
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Wasser/Oekonomie/Suedafrika:

> Eine Stadt trocknet aus

Die einen bohren in ihrem Garten nach Grundwasser, anderen wird die Leitung
gesperrt:
In Kapstadt offenbart sich die alte Rassentrennung ueber die Wasserrechnung.

Diana Pletzer ist 58, weiss, und lebt in Constantia, einer wohlhabenden
Kapstaedter Vorstadtgegend, in der jede Villa von maechtigen Mauern umgeben
ist. Pletzer lebt hier nur noch mit ihrem Mann Otto, die Kinder sind laengst
ausgezogen. Hinter der zweistoeckigen Villa breitet sich ein
herrschaftlicher Garten aus, den sie mit grosser Sorgfalt pflegt. Das
Rosenbeet steht in voller Bluete, der Rasen dahinter ist akkurat
geschnitten. Wenn Diana Pletzer ihre Blumen giessen moechte, zapft sie
Wasser aus einem etwa zwei Meter hohen Tank, der sich zwischen den Bueschen
am Rand des Gartens versteckt. Der Tank wird mehrmals pro Woche mit
Grundwasser gefuellt, das ein vollautomatisches Pumpensystem aus einer Tiefe
von ueber hundert Metern nach oben holt, 10 000 Liter in der Stunde. Auch
durch die Schlaeuche der Sprinkleranlage, die den Rasen waessert, fliesst
Grundwasser.

Die pensionierte Lehrerin, die immer noch einspringt, wenn Kolleginnen
ausfallen, blaettert auf der Terrasse durch die abgehefteten
Wasserrechnungen der letzten Jahre. «Wir zahlen fuer Trinkwasser 100 Rand im
Monat (umgerechnet etwa 19 Franken), das ist doppelt so viel wie noch vor
drei Jahren. Muessten wir auch noch unseren Garten mit Wasser aus der
Leitung giessen, waere die Rechnung zehnmal so hoch. Die Regierung belegt
uns mit immer hoeheren Abgaben, weil wir fuer die Armem mitbezahlen sollen.»

Pletzer nimmt einen Schluck Tee, gebrueht mit Wasser aus dem Hahn in der
Kueche. Das Nass aus der Tiefe kann man nicht trinken. Zu viel Eisen.

Unbezahlte Rechnungen

Thandiwe Mazinga ist 45, schwarz und lebt in Khayelitsha, dem zweitgroessten
Township Suedafrikas, in dem jede Blechhuette von mindestens drei weiteren
Blechhuetten umgeben ist. In einer davon lebt Mazinga mit ihrem Mann und
drei Kindern. Die beiden sind arbeitslos, sie bekommen vom Staat eine
monatliche Unterstuetzung von 500 Rand (etwa 90 Franken). Vor kurzem bekam
sie eine Wasserrechnung ueber mehr als 9000 Rand (ueber 1600 Franken), die
sich ueber viele Monate angestaut hatte. Mazinga konnte sie nicht bezahlen.

Jetzt hat die Stadt eine Vorrichtung an ihrer Wasserleitung installiert, um
die Leitung zu sperren, wenn die sechs Kubikliter Wasser, die per Gesetz
jedem Haushalt monatlich zustehen, aufgebraucht sind. Ein Mitarbeiter der
Stadt kam neulich zu Besuch und kuendigte an, dass der Fernseher gepfaendet
werde, wenn sie nicht bald damit beginnt, den Rueckstand auszugleichen.

Auch ueber zehn Jahre nach den ersten demokratischen Wahlen in Suedafrika
verlaufen durch Kapstadt dieselben Trennungslinien zwischen den Rassen wie
zu Zeiten des Apartheidregimes. Die Weissen leben in den noblen Vororten und
in der Innenstadt der Dreimillionenmetropole, die meisten Schwarzen in den
armen Townships in der weiten, ebenen Flaeche. Was sich veraendert hat, ist,
woran man diese Rassenrealitaet ablesen kann. Frueher waren es die
Gesetzestexte der Apartheidpolitik, heute sind es unter anderem
Wasserrechnungen. Wasser ist in Kapstadt kostbar. Und nie zuvor in der
Geschichte der Stadt war es so kostbar wie heute. Kapstadt trocknet langsam
aus.

Der Wasserpegel der fuenf Daemme, die Kapstadt mit Trinkwasser versorgen,
steht zurzeit mit 37 Prozent auf einem historischen Tiefstand. Zum gleichen
Zeitpunkt vor drei Jahren stand der Pegel etwa doppelt so hoch. Schuld sind
nicht die ausbleibenden Regenfaelle im Sommer. Dass es in Kapstadt zwischen
November und Maerz kaum regnet, ist ganz normal. Wegen des staubtrockenen
Sommers ist Suedafrika als eines der dreissig trockensten Laender der Welt
eingestuft, die Region in und um Kapstadt ist zwischen November und April
die trockenste des ganzen Landes.

Schuld sind dagegen die viel zu trockenen Winterperioden der beiden letzten
Jahre. Normalerweise ist der suedafrikanische Winter die Zeit, in der es
beinahe taeglich regnet und in der sich die Kapstaedter Daemme fuer den
naechsten Sommer fuellen. Doch in den letzten beiden Jahren fiel so wenig
Regen wie nie zuvor. Im letzten Jahr blieb die Regenmenge sogar nur knapp
ueber der Haelfte eines durchschnittlichen Winters. Ins Becken des
Wemmershoek-Dammes tropften nur 493 Milimeter Regen, im Vergleich zu 852
Millimeter Regen, die normalerweise fallen.

Dass das Wasser in Kapstadt in diesem Sommer knapp werden wuerde, wussten
die Verantwortlichen also schon, als der Winter vorueber war. Die
Kapstaedter selbst erfuhren davon etwas spaeter: Am l. Oktober verhaengte
die Stadt zum ersten Mal seit vier Jahren Wasserrestriktionen. Die betrafen
vor allem Gartenbesitzerinnen - der groesste Anteil des privaten
Wasserverbrauchs geht in Buesche, Baeume und Blumen.

Die Wasserpolizei passt auf

Um zwanzig Prozent des gesamten Wasserverbrauchs einzusparen, war es danach
nur noch zweimal pro Woche erlaubt, den Garten zu giessen: montags und
donnerstags den Bewohnerinnen von Haeusern mit geraden Hausnummern,
dienstags und freitags fuer jene in Haeusern mit ungeraden Nummern. Das Auto
mit einem Schlauch abzuspritzen, ist seitdem genauso verboten wie der
staendige Einsatz von Wassersprinklern.

Weil die Kapstaedterinnen das Sparziel von zwanzig Prozent von Oktober bis
Dezember in drei Monaten in Folge verfehlt hatten, hat die Stadt die
Restriktionen am l. Januar noch einmal verschaerft: Seitdem ist das
Bewaessern des Gartens mit Schlauch oder Sprinkler nur noch einmal pro Woche
erlaubt, fuer eine halbe Stunde. Nur mit einer Giesskanne darf man seine
Blumen noch zweimal woechentlich versorgen, jeweils eine ganze Stunde lang.
Wer gegen die Restriktionen verstoesst, wird mit Geldstrafen belegt, im
schlimmsten Fall droht Haft. In der ganzen Stadt ist inzwischen eine Art
Wasserpolizei unterwegs, um diejenigen, die gegen die Regeln verstossen, bei
feuchter Tat zu erwischen. Und es wurde eine Hotline eingerichtet, bei der
man melden kann, wenn ein Nachbar gegen die Restriktionen verstoesst.

Vielen Kapstaedterinnen hilft nicht einmal ihr trockener Humor, sich mit den
Restriktionen zu arrangieren: Fuer weisse Suedafrikanerinnen in der
Grossstadt ist der eigene Garten so etwas wie eine Farm im Miniaturformat.
In dem weitlaeufigen Land hat so gut wie jeder entweder selbst irgendwann
auf einer Farm gelebt oder stammt aus einer Familie, die einmal eine Farm
besessen hat. Die Pflege des Gartens empfinden weisse Suedafrikanerinnen als
Teil ihrer Tradition.

Die 37-jaehrige Justine Spuyt zum Beispiel lebt im Erdgeschoss eines kleinen
Art-deco-Haeuschens aus den dreissiger Jahren. Um den kleinen Garten, der
zur Wohnung gehoert, kuemmert sie sich gemeinsam mit ihrer Schwester, die
auch hier wohnt. «Andree hat vier Jahre auf einer Farm in der Halbwueste der
Klein Karoo verbracht. Wenn wir hier in der Stadt keinen Garten haetten,
wuerden unsere Seelen verkuemmern», sagt Spuyt. Weil die beiden Schwestern
immer wieder vergessen, ihren Garten zu bewaessern, wenn es die Stadt
erlaubt, haben sie damit begonnen, Badewasser sowie Abwasser der
Waschmaschine zu sammeln und mit Essig zu neutralisieren. Mit Giesskannen in
der Hand gehen sie jetzt durch ihren Garten und bewaessern ihre Pflanzen.

Parallel zu den Restriktionen hat die Stadt in den letzten fuenf Monaten
ausserdem zweimal die Tarife fuer Verbrauch und Abwasser erhoeht. Zum einen,
um so den Einnahmeausfall auszugleichen, der entsteht, wenn alle wie
gewuenscht Wasser sparen. Zum anderen, um einen finanziellen Anreiz zu
schaffen, etwa Wasser sparende Pflanzen in den Garten zu setzen oder
waehrend des Zaehneputzens den Hahn zu schliessen. Die Erhoehung trifft aber
nicht alle Kapstaedterinnen gleichermassen, das Tarifsystem ist progressiv
gestaffelt. Das so genannte «Free Basic Water», das sind die gesetzlich
garantierten 6000 Liter, sind kostenlos, danach werden die Tarife pro,
Kubikliter umso teurr, je hoeher der Wasserverbrauch ist. «So
beruecksichtigen wir die Beduerfnisse der Armen. Wer mehr Wasser verbraucht,
muss dafuer auch mehr bezahlen», erklart Waheed Patel, Sprecher der fuer das
Preissystem zustaendigen Behoerde.

Warten auf das Bohrloch

Und damit sind wir wieder auf der Terrasse von Diana Pletzer in Constantia.
Weil sie unter anderem auf ihrer Wasserrechnung ablesen konnte, dass die von
der schwarzen Regierungspartei ANC gefuehrte Stadtregierung die Weissen
immer mehr in die Pflicht nehmen wuerde, haben sie und ihr Mann schon vor
fuenf Jahren beschlossen, fuer 45 000 Rand (ueber 8300 Franken) ein Bohrloch
in ihren Garten setzen zu lassen. Denn Grundwasser ist kostenlos, und man
kann es benutzen, wann immer man moechte. Inzwischen reicht Diana Pletzer
immer wieder eine mit Grundwasser gefuellte Giesskanne ueber den Zaun, so
koennen sich auch die Nachbarinnen um ihren Garten kuemmern. Damit die
Wasserpolizei nicht misstrauisch wird, wenn die Sprinkleranlagen ausserhalb
der genehmigten Waesserungszeiten in Pletzers Garten arbeiten, mussten sie
inzwischen eine kleine Tafel an der Aussenmauer ihres Grundstuecks anbringen
mit der Aufschrift «Borehole Water» -«Bohrloch-Wasser».

Solche Tafeln werden immer mehr Hausbesitzerinnen in den kommenden Monaten
anschrauben. Firmen, die Loecher bis auf das Grundwasser in den Garten
graben, berichten von etwa fuenfzig Auftraegen pro Tag, die Wartezeit
betraegt inzwischen bis zu zwei Monate. «Es ist, als gaebe es ploetzlich
eine Welle von Verbrechen und wir haetten eine Sicherheitsfirma», erzaehlt
Sam de Wet, Chef seiner eigenen Firma. Fuer die Installation eines
Grundwasserhahns braucht er bis zu einer Woche, je nachdem, in welcher Tiefe
der Bohrer auf Wasser stoesst.

Ob die vielen Bohrloecher die Wasserknappheit in Kapstadt noch zusaetzlich
verschaerfen, ist momentan so umstritten wie die Frage, ob auch Grundwasser
in Zukunft mit Abgaben belegt werden soll. Naturschuetzerinnen befuerchten,
dass so auch noch die Fluesse und Feuchtgebiete in und um Kapstadt
austrocknen werden. Gartenschuetzerinnen verteidigen sich, dass sie nur den
Regen nutzen, der im Winter auf ihre Grundstuecke faellt. «Dieses Wasser
holen wir in Form von Grundwasser wieder rauf», sagt Otto Pletzer. «Und
solange uns kein Wissenschaftler sagen kann, dass das der Natur schadet,
werden wir damit nicht aufhoeren.» Noch wird auch in der Stadtverwaltung
niemand nervoes: Die Wasserstaende der Fluesse und Seen blieben in den
letzten Monaten unveraendert.

Von solchen Diskussionen bekommen die etwa 330000 Menschen im Township
Khayelitsha so gut wie nichts mit. Viele wissen noch nicht einmal, dass im
Moment Wasserrestriktionen gelten. Doch selbst wenn sie es wuessten: Auf den
Wasserverbrauch haette das wenig Einfluss. «Das Problem in den Townships ist
weniger das Wasser, das die Menschen verbrauchen als vielmehr das, das
ungenutzt aus Lecks und durch Toiletten laeuft», erklaert Tertius Bejager.

Die Lecks suchen

Der Ingenieur arbeitet in einem schmucklosen Buero mitten in Khayelitsha
fieberhaft an der Verbesserung des Versorgungssystems. Etwa siebzehn Prozent
des gesamten Wasserhaushalts von Kapstadt gehe auf diese Weise verloren,
betroffen sind davon vor allem die Townships. Eine der wichtigsten
Massnahmen der letzten Monate war deshalb, nachts den Wasserdruck zu senken:
Seitdem laeuft nur noch halb so viel Wasser durch die Toilettenschuesseln.
Dem Problem leckender Leitungen versuchen Bejager und seine KollegInnen Herr
zu werden, indem sie immer wieder mit dem Auto die staubigen Strassen
entlang der Blechhuettensiedlungen abfahren, um Lecks ausfindig zu machen.

Unterstuetzung erfaehrt Bejager dabei von NGOs wie «Ilitha Lomso». Die
Organisation wurde 1996 gegruendet und ist ein Zusammenschluss von
AktivistInnen in den Townships, die sich fuer die Menschen in den
unzaehligen Blechhuettensiedlungen engagieren. Zusammen mit Organisationen,
die sich unter anderem durch Spendengelder aus Europa finanzieren, hat
«Ilitha Lomso» jetzt das «Water Leaks Project» gestartet: Den Menschen in
den Townships wird beigebracht, die Lecks in ihren Leitungen selber zu
stopfen und sparsam mit dem eigenen Wasser umzugehen.

Der zwanzigjaehrige Aktivist Zamba Timbela sitzt vor dem Hauptquartier von
«Ilitha Lomso» in Harare, einem Stadtteil von Khayelitsha, «Warum ich mich
fuer das Projekt engagiere, ist einfach: Ich kenne Menschen, die fuer Wasser
aufkommen muessen, das sie nicht nutzen», erzaehlt Timbela. «Wenn die Lecks
gestopft sind, koennen die Menschen endlich ihre Rechnungen bezahlen, die
Stadt dreht ihnen nicht mehr die Wasserhahn zu. Zugang zum Wasser ist eines
der grundsaetzlichen Menschenrechte.» Ohne die Arbeit von «Ilitha Lomso»
wuerde dieses Recht ungenutzt im Boden versickern.

In der Maerzhitze verschwimmt der Tafelberg im Stadtzentrum, von hier aus
gut dreissig Kilometer entfernt, im blauen Dunst. Dort hat die Verwaltung
jetzt angekuendigt, dass die Wasserrestriktionen mindestens bis September
nicht aufgehoben werden. Sonst stehe Kapstadt im naechsten Sommer vor noch
groesseren Problemen als in diesem Jahr. Um die Wasserversorgung von
Kapstadt dauerhaft zu stabilisieren, ist momentan ein sechster Damm in Bau.
Der wird allerdings erst in ein paar Jahren fertig gestellt sein. Das
Einzige, was die Kapstaedter bis dahin vereint, ist die Hoffnung auf den
naechsten nassen Winter.
(Kai Schachtele, WoZ 11/05 / gek.)



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