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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. Maerz 2005; 19:29
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Glosse/Diskussion/Termin:
> Die Herrschaft laesst (sich) waehlen
Vom Sinn & Unsinn demokratischer Wahl bei uns und anderswo: Afghanistan,
Irak, Ukraine
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"Freie Wahlen haben den Nachteil, dass man vorher nicht weiss, was hinterher
herauskommt."
(W. I. Molotow)
Hier irrte der bolschewistische Aussenminister auf einem nicht
unwesentlichen Gebiet der marxistischen Staatstheorie. Auf dem Felde der
Analyse der demokratischen Willensbildung mittels Abstimmung ueber Personen
& Parteien teilte der Sowjetmensch mit allen freiheitlich-westlichen
Meinungstraegern die Ignoranz bezueglich des harten Kerns der Stimmabgabe
durch den Volkssouveraen: Lediglich das Personal, das da von den Untertanen
gekuert wird, damit es ueber sie herrsche, steht zur Disposition. Nicht aber
der reale Sachverhalt, dass ein ganzes Wahlvolk sich freiwillig auf- und
einteilt in eine minderheitliche Elite, aus deren Reihen alle paar Jahre die
gekuert werden, die das Sagen haben - und eine ueberwaeltigend mehrheitliche
Masse, die nach dem Votum nur noch eines darf: parieren und ihren praktisch
folgenlosen Senf dazu geben. Aber auch praktisch widerlegt der seit dem
freiwilligen Abgang der Sowjetunion ziemlich schranken- und grenzenlose
demokratische Imperialismus die Sottise des Genossen Molotow: Beim Urnengang
neulich im Irak stand bloss die Wahlbeteiligung noch nicht vorher fest, und
die turbulenten Ereignisse in der Ukraine lehren uns, dass Staaten, in denen
die buergerliche Demokratie erfunden worden ist, kein Wahlergebnis gelten
lassen - ausgenommen dasjenige, das sie sich bestellt haben.
Denn im Wahlakt leistet (sich) der muendige Staatsbuerger turnusmaessig
einen Offenbarungseid: Er tritt seinen politischen Willen ab, nachdem er ihn
fuer eine Personalentscheidung eben erst gebildet hat, und verpflichtet sich
zum untertaenigen Gehorsam in die Entscheidungen seiner Politiker, die bei
dem hinterher unvermeidlich sich einstellenden Missvergnuegen der von ihnen
Gedeckelten eben diesen hinreiben koennen, dass sie schliesslich gewaehlt
worden sind. Weil das Kreuz im Vertrauen auf Personen gemacht wird, die es
dann richten duerfen, wie sie es fuer richtig halten, stellt es der an die
Macht gewaehlten Elite eine Blankovollmacht zur Herrschaft aus, die keine
anderen Einschraenkungen kennt als die von ihr selbst in Gesetzesform
gegossenen. Staatsmaenner an der Regierungsmacht duerfen das Toeten
auslaendischer Menschen befehlen und dabei Leib & Leben ihrer Landsleute
einsetzen bzw. draufgehen lassen. Und weil sie sich dabei auf den
Waehlerwillen berufen koennen, ist ihr Gewissen, dem allein sie
verfassungsgemaess verantwortlich sind, notorisch rein und wird aufreizend
oeffentlich zur Schau gestellt.
Dieses Verhaeltnis der gewohnheitsmaessigen Zustimmung zur Unterordnung
nennt sich "demokratische" oder "politische Reife" von Volk und Fuehrung.
Die Macher teilen naemlich mit den Mitmachern die felsenfeste Ueberzeugung,
dass Gesellschaft nur geht mit ordentlicher Herrschaft und funktionierenden
Untertanen. Und sie haben nicht Unrecht im buergerlichen System des
Privateigentums ueber die Produktionsmittel, die sich bekanntlich nur
rentabel anwenden lassen, wenn die Angewendeten keine Ansprueche an ihre
"Besitzstaende" stellen. Ohne ein permanentes Mass an Gewalt laesst sich der
sehr einseitig als Kapital akkumulierte Reichtum nicht sichern, aber
umgekehrt klappt die Ausbeutung so richtig flott nur, wenn die mit ihrer
Arbeitskraft dafuer Hergenommenen sich die feste Ueberzeugung leisten, das
sei die einzig denkbare, ja wahrscheinlich naturgegebene Form von
Beduerfnisbefriedigung.
Die freiwillige Bereitschaft zum Waehlen ist in unseren zivilisierten
Breiten selbstverstaendlich. Ist sie aber weniger verkehrt als der
eigenartige Schluss, der einen irakischen Kurden oder einen Paschtunen in
Afghanistan dazu verleiten kann, vor den modernen Kreuzzueglern des "Kriegs
gegen den Terrorismus" dadurch auch noch demonstrativ zu Kreuze zu kriechen,
indem sie bei den Wahlveranstaltungen eines fuer die Mannschaften der
Kollaborateure machen? Und woher kommt die Begeisterung des tapferen
Voelkchens der Ukrainer fuer Wahlen, mittels derer sie sich so
offensichtlich fuer die hegemonialen Ambitionen von EU und USA einerseits,
die verbliebenen Ansprueche Russlands andererseits zum Affen machen?
Die Klaerung dieser immer bzw. brandaktuellen Fragen auf der Veranstaltung
des Gegenstandpunkts wird auch fuer die Freunde sozialistischer
Theoriebildung Antworten auf ein klassisches Problem der Arbeiterbewegung
anbieten: Warum hat die Arbeiterklasse in den demokratischen Staaten die
Bourgeoisie nicht laengst abgewaehlt? Die bislang eingegangenen
Erklaerungsversuche fallen allesamt in die Stilbluetensammlung des
Marx-Revisionismus. Unter globalisierungskritischen Geistern wiederum
geniesst die Forderung nach freien, demokratischen Wahlen ohnehin die gar
nicht erst hinterfragbare Qualitaet einer conditio humana sine qua non fuer
die gesamte Menschheit, an der sie - offensichtlich! - nicht einmal die
Gesinnungsgemeinschaft mit dem Freiheitsfuersten George W. Bush irre macht.
(Aussendung Gegenstandpunkt)
Vortrag mit Diskussion:
Dr. Herbert L. Fertl, Gegenstandpunkt, Muenchen
Montag 14.3.2005 um 19:30
im Neuen Institusgebaeude (NIG) HS 2,
1010 Wien Universitaetsstrasse 7
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