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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. Maerz 2005; 19:12
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Brasilien

> Polizeimorde an Landlosen

Im Dienste des Privateigentums


Die Polizeiaktion hiess tatsaechlich "Operação Triunfo": Etwa 24 Stunden
nachdem sie von den Bewohnern vertrieben worden waren, kamen am Morgen des
16. Februar 2005 die Militaerpolizisten zur Siedlung "Sonho Real"
(Wirklicher Traum) in Goiânia (Bundesstaat Goiás/Brasilien) zurueck. 12.000
Menschen wurden von dem Grund und Boden vertrieben, den sie seit Mai 2004
besetzt hatten und auf dem sie ihre Unterkuenfte gebaut hatten. Die Bilanz:
800 Festnahmen, offiziell 2 Todesopfer (spaetere Zahlen sprachen von bis zu
20 Toten).

23.Februar 2005: Die Planierraupen arbeiten ohne Pause. "Das Ziel scheint zu
sein, die Vertreibung zu einem simplen Fakt zu machen" -- so sagt es Maria
Lourdes Pereira von einer Menschenrechtsgruppe in Goiânia. Und: "Besitz wird
geschuetzt, sonst nichts". Die Fristen, die die Polizei und der (auch fuer
die Todesopfer) verantwortliche Richter Gimar Coelho den Vertriebenen fuer
die Abholung ihrer Sachen gegeben haben, waren zu kurz, und selbst diese
werden von den Behoerden nicht eingehalten. Schlusstrich ziehen ist die
aktuelle Politik -- aus den Medien ist das Thema bereits wieder
verschwunden.

"Recht und Ordnung" sei wieder hergestellt -- die Besetzer und Bebauer
wurden kriminalisiert. Fuehrende Unternehmen und "Buerger" der Stadt Goiânia
haben in der Lokalpresse riesige Anzeigen geschaltet, in denen der
Militaerpolizei fuer ihren Einsatz gedankt wird...

Exkurs Pará

In der gleichen Woche, in der das Massakers von Goiânia stattfand, wurden im
noerdlichen, fernen Bundesstaat Pará 4 Landarbeitergewerkschafter
erschossen. Sie alle standen auf Todeslisten -- von denen in jenem
Bundesstaat nach Presseangaben mindestens sieben verschiedene
halboeffentlich zirkulieren. Hier hat die Bundesregierung Lulas die Armee
hingeschickt -- und auch wenn es in Brasilien das Sprichwort vom Bock und
dem Gaertner so nicht gibt, wird die Rolle des Militaers in der Bevoelkerung
doch genau so gesehen. Die Militaerpolizei von Pará tat dann auch noch
waehrend der Mordserie kund, sie verfolge als erste Spur Streitigkeiten
innerhalb der Gewerkschaften.

Widerstand

Waehrend zwei Wochen nach dem Massaker ungefaehr 1000 Menschen in zwei
Schulsporthallen eingepfercht sind (die grosse Mehrheit kam bei Freunden
oder Familien unter) und viele es aus Angst vor der Polizei nicht wagen,
diese hitzedurchfluteten Hallen zu verlassen, waechst die Unterstuetzung im
ganzen Land. Noch in der letzten Februarwoche reiste eine Delegation des
oertlichen Unterstuetzungskomitees nach Brasília, um dort den Justizminister
und den Minister fuer Menschenrechte zu sprechen. Sie legten dort eine
eigene Dokumentation der Ereignisse vor und forderten die Einrichtung einer
Untersuchungskomission des Bundes. Das wurde zugesagt.

Die Unterstuetzerkreise des Komitees werden derweil immer breiter: die
Nationale Bischofskonferenz der katholischen Kirche unterstuetzt das Komitee
ebenso, wie die OAB, die Standesvereinigung der brasilianischen
Rechtsanwaelte -- die im Inneren der eigenen Organisation heftige
Auseinandersetzungen hat, weil der OAB-Vorsitzende des Bundesstaates Goiás
einer der Rechtsanwaelte der Besitzerfamilie des "Sonho Real"-Gelaendes ist.

In der in Brasília vorgelegten Dokumentation wird unter anderem darauf
verwiesen, dass a) der Besitz von staedtischem Gelaende per brasilianischer
Verfassung und Gesetz an seine soziale Nutzung gebunden sei, weshalb die
Besitzerfamilie gegen die Verfassung verstossen habe und b) der Gouverneur
des Staates Goiás Marconi Perillo am 12.November 2004 oeffentlich, in
Anwesenheit von Hunderten von VertreterInnen der Siedlerfamilien diesen
"verbindlich" die Uebereignung des Landes zugesagt habe. Der Praefekt von
Goiânia, der im Oktober 2004 neu gewaehlte Iris Rezende Machado -- der der
"Herr" eines Enteignungsverfahrens waere -- hatte noch in seinem Wahlkampf
Baumaterial gespendet...
(Helmut Weiss, diverse/Labournet Deutschland/bearb.)

Quellen u.a.:
http://www.labournet.de/internationales/br/goiania.html
http://www.labournet.de/internationales/br/goiania2.html


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