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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 1. Februar 2005; 20:19
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Spaete Worte:
> Draussen vor der Tuer
Es ist Montag, neun Uhr am Abend. Ploetzlich laeutet es Sturm. Vor der 
Wohnungstuer steht niemand, also nehme ich den Hoerer der Gegensprechanlage 
ab. "Weihs, du dreckige Judensau!" schreit mir eine aggressive Maennerstimme 
ins Ohr.
Im ersten Moment denke ich an einen schlechten Scherz irgendeines Bekannten 
aus der Polit-Szene. Derartige Aussprueche kenne ich eigentlich nur als 
Zitat. Doch der Mann unten an der Haustuer bruellt weiter: "Weihs, du 
Judenorsch, du gschissener, kumm owe, waunnst di traust, i moch di fertig!"
Jetzt erst kapiere ich: Das ist doch tatsaechlich ernst gemeint. Ich 
uebernehme das vertrauliche Du-Wort des Unbekannten und frage ihn in 
frotzelnd-herablassendem Tonfall: "Na geh, Spatzerl, wennst so mutig bist, 
traust da auch sagen, wiest heisst?" Das denn doch nicht. Dafuer geht's 
weiter mit: "Kumm owe, Judenbua, daunn weri das scho zag'n!"
Ich haenge den Hoerer ein, gehe ins Wohnzimmer, oeffne das Fenster und 
schaue hinunter zur Haustuere. Dort unten steht ein Typ mit Schirmkapperl, 
in der Hand ein Plastiksackerl. Sein Gesicht kann ich von oben nicht 
erkennen, es wird vom Kappenschirm verdeckt. Ich beobachte ihn eine 
Zeitlang: Er scheint wirklich darauf zu warten, dass ich seiner freundlichen 
Einladung Folge leiste und an der Haustuer erscheine.
Jetzt wird er langsam ungeduldig, schaut die Strasse rauf und runter und 
schliesslich nach oben. Wie er mich am geoeffneten Fenster entdeckt, legt er 
sofort wieder mit voller Lautstaerke los, sodass ich seinen Ausfuehrungen 
auch im dritten Stock problemlos folgen kann: "Wos is, kumm owe, du 
Judenorsch, waunnst di traust!
Ich rufe hinunter: "Is scho recht, die Polizei is eh glei do!" Darauf er: 
"Was glaubst denn, werst bist, du Jud! Waasst du, wiavue mia san? Zwaa 
Muellionen san mir, glaubst du kaunnst di do wichtig moch'n? Kumm owe, daunn 
grob i da an Tunnoe duachs Hian!"
Diese Redewendung kenne ich, ich habe sie in meinem Schimpfwoerterbuch 
"Wiener Wut" als eine von vielen gefaehrlichen Wiener Drohungen zitiert. Im 
Vorwort dieses Buches habe ich auch erklaert, dass ich aus persoenlicher 
Betroffenheit darauf verzichtet habe, antisemitische Beschimpfungen zu 
dokumentieren. Hat aber offensichtlich nicht viel genuetzt.
Ich schliesse das Fenster, gehe zum Telefon und waehle den Polizeinotruf. 
"Vor meiner Haustuer randaliert einer, wahrscheinlich ist er betrunken" 
melde ich der Exekutive. Die verspricht mir daraufhin ihr baldiges 
Eintreffen. Ich lasse mir noch ein bisschen Zeit, dann gehe ich hinunter.
Der Typ ist weg, die Polizei braucht noch eine ganze Weile, schliesslich 
kommt eine Funkstreife mit drei Polizisten. Ich schildere ihnen den Vorfall 
und wiederhole, dass der Kerl wahrscheinlich besoffen war. Bestaerkt wird 
mein Verdacht durch eine grosse Lacke direkt vor der Haustuere -- wenn das 
ein Hund war, dann muesste es schon ein Mordskaliber gewesen sein.
"Bei dem waers g'scheiter gewesen, wenn er an Apfelsaft trunken haett!" 
meint der eine Polizist. "Naja", meine ich dazu nur, "bei manchen is eh scho 
wurscht, was sie trinken." Damit ist der Polizeieinsatz beendet, ich gehe 
wieder in die Wohnung und grueble darueber nach, wie dieser Schwindlige auf 
mich gekommen sein mag: Ueber eines meiner Buecher, ueber die Mariahilfer 
Bezirkspolitik, oder etwa gar ueber meine Homepage? Aber letzten Endes ist 
wahrscheinlich auch das ziemlich wurscht.
*Richard Weihs*
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