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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 1. Februar 2005; 19:57
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International/Kapitalismus/Initiativen:

> Ungeliebte Public Eye Awards


Das sechste "Public Eye on Davos" fand am 26. und 27. Januar 2005 in Davos
statt - zeitgleich mit dem Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums (WEF).
Diese Alternativkonferenz zum WEF ist ein gemeinsames Projekt von mehreren
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus allen Kontinenten.

Es wird von der Erklaerung von Bern (EvB) koordiniert, einer unabhaengigen
entwicklungspolitischen Organisation mit Sitz in Zuerich und in Lausanne.
Die EvB wird von 19'000 Mitgliedern getragen und engagiert sich seit 1968
auf nationaler und internationaler Ebene fuer gerechte und
umweltvertraegliche Nord-Sued-Beziehungen in Politik, Wirtschaft, Kultur und
Ernaehrung.

Erstmals wurden heuer die "Public Eye Awards" fuer sozial und oekologisch
unverantwortliche Konzerne verliehen.

Die "Gewinner"

In den vier Kategorien Menschenrechte, Arbeitsrechte, Umwelt und Steuern hat
die "Public Eye"-Traegerschaft jeweils einen Preistraeger ermittelt, der
durch die Tragweite seines unverantwortlichen Verhaltens besonders
hervorsteche. Diese wurden am 26. Januar 2005 im Rahmen der oeffentlichen
Verleihung der "Public Eye Awards" in Davos vorgestellt. Es handelt sich um:
Dow Chemical, Royal Dutch/Shell Group, Wal-Mart und KPMG International.

In der Kategorie Steuern:

KPMG International

Hauptsitz: Amsterdam, mit 715 Bueros in 148 Laendern
Umsatz: 12,16 Milliarden US$ (2003)
Branche: Pruefung von Konzern- und Jahresabschluessen, Steuerberatung,
Begleitung von Transaktionen und Restrukturierungsmassnahmen und
Dienstleistungen zur Steigerung der unternehmerischen Performance

Nach einer Untersuchung des US-Senats von 2003 hat KPMG viel in die
Entwicklung und Vermarktung potentiell missbraeuchlicher und illegaler
Steuersparmodelle investiert und dafuer erhebliche Honorareinnahmen
erzielt.Insgesamt hat KPMG ueber 500 Steuerprodukte entwickelt. Allein durch
vier dieser Produkte entgehen dem US-Finanzministerium jaehrlich 85
Milliarden Dollar an Steuereinnahmen.Der Konzern behauptet, heute keine
dieser beanstandeten Steuermodelle mehr zu verkaufen - laut einem Bericht
der New York Times entspricht dies nicht den Tatsachen.

Der Bericht des Konkursgerichts ueber den Zusammenbruch des Telekom-Konzerns
WorldCom stellte fest, dass KPMG bei der Beratung von WorldCom bezueglich
Strategien zur Steuervermeidung missbraeuchlich und fahrlaessig vorgegangen
sei.

Indem KPMG ihre Kunden dazu ermutigt, in grossem Massstab Steuern zu
umgehen, verstoesst sie gegen das Gebot unternehmerischer Verantwortung fuer
das Gemeinwohl. Gemaess der Association for Accountancy & Business Affairs
operiert kein anderes Beratungsunternehmen in so vielen Steueroasen wie
KPMG. 2003 hatte KPMG Vertretungen in 18 Steueroasen, die alle urspruenglich
auf der schwarzen Liste der Organisation fuer Entwicklung und Zusammenarbeit
(OECD) standen.

Durch die weltweit gefoerderte Steuervermeidung bringen Beratungsfirmen wie
KPMG die Staaten und ihre Bevoelkerungen jaehrlich um Milliarden an
Steuereinnahmen. Die nationalen Steuersysteme werden ausgehoehlt und es
steht immer weniger Geld fuer soziale Aufgaben, das Bildungs- und
Gesundheitswesen und den oeffentlichen Verkehr zur Verfuegung. Die
Steuerlast verlagert sich zusehends von den multinationalen Konzernen und
der reichen Oberschicht zu den weniger begueterten BuergerInnen und den
KMUs.


In der Kategorie Umwelt:

Royal Dutch / Shell Group

Hauptsitz: Den Haag, Niederlande
Umsatz / Gewinn: US$ 268,892 Milliarden (Umsatz 2003) / US$ 12,496
Milliarden
(Nettogewinn 2003)
Branche: Petrochemie, Shell arbeitet in mehr als 145 Laendern

Seit 1956 pumpt Shell Oel in Nigeria und verbrennt dabei konstant und offen
Gas. Die Firma nimmt dabei keine Ruecksicht auf die negativen Auswirkungen
auf die lokale Bevoelkerung, deren Lebensgrundlagen und die Umwelt. Shell
weigert sich, Verantwortung fuer die angerichteten Schaeden zu uebernehmen.
Zusagen, die offene Gasverbrennung zu stoppen,wurden mehrfach gegeben und
wieder zurueckgenommen. So ist zu erwarten, dass ein fuer 2008
angekuendigtes Aus fuer die Gasverbrennung aus Kostengruenden ebenfalls
nicht eingehalten werden wird.

Fuer die Dorfbewohner im Nigerdelta ist die offene Gasverbrennung durch
Shell an der Tagesordnung. Die Feuer brennen Tag und Nacht und verursachen
einen Hoellenlaerm. Die Luft ist voll mit Russpartikeln, die auf der Haut,
den Kleidern, dem Essen und der Lunge kleben. In den vergangenen vier
Jahrzehnten wurden mehr als 4'000 Oelverschmutzungen im Nigerdelta
registriert. Diese haben verheerende Auswirkungen auf die Umwelt und fuer
die lokale Bevoelkerung.

Das Nigerdelta an der Suedkueste von Nigeria war einst Nigerias Brotkammer
mit fruchtbaren Boeden, ausgedehnten Landwirtschaftsflaechen und
Mangrovenwaeldern, die mehr Suesswasserfische enthalten als irgendwo sonst
in Westafrika. Wegen seiner Oel- und Gasressourcen ist das Delta fuer Firmen
wie Shell von hoher Bedeutung. Shell ist die Betreiberfirma und groesste
Aktionaerin in Nigerias wichtigstem Oelkonsortium. Oel bringt Nigeria mehr
als 95% der Einkommen an harter Waehrung. Nur ein minimaler Anteil davon
kommt allerdings der betroffenen Bevoelkerung zugute.


In der Kategorie Arbeitsrechte:

Wal-Mart Stores, Inc.

Hauptsitz: Bentonville (Arkansas/USA)
Ueber 3 200 Geschaefte in den USA und ueber 1 100 im Ausland.
Umsatz: Januar 2003 bis Januar 2004 256 Milliarden US$
Branche: Detailhandel (groesster Detailhaendler der Welt)

Wal-Mart hat bisher jegliche Verantwortung fuer die teilweise prekaeren
Arbeitsbedingungen in den Kleiderproduktionsbetrieben im Ausland abgelehnt.
In Lesotho, Kenia und Thailand hat der Konzern nicht auf Forderungen der
NGOs zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen reagiert. Wal-Marts
diesbezuegliche Praxis liegt weit hinter derer anderer Unternehmen zurueck.

In 21 Kleider-Zulieferbetrieben von Wal-Mart in Lesotho (Suedafrika) hat ein
normaler Arbeitstag zehn Stunden. Hinzu kommmen bis zu vier vorgeschriebene
Ueberstunden (14 Stunden taeglich). In einigen Werken muessen die
ArbeiterInnen gar Doppelschichten leisten. Die meisten Arbeiterinnen
erhalten einen kuemmerlichen Monatslohn. Arbeitsraeume sind im Winter bitter
kalt und im Sommer erdrueckend heiss und ohne Klimaanlagen, in einer Fabrik
fuer 900 Arbeiterinnen gibt es nur drei Toiletten. Es kommt auch immer
wieder zu verbalen, koerperlichen und sexuellen Uebergrifffen. Jede
Verhandlungen mit den Gewerkschaften werden von den Fabrikmanagern
abgelehnt.

Von mehreren beanstandeten Kleider-Zulieferbetrieben in Kenia arbeiten drei
fuer Wal-Mart.Nach Beschwerden ueber die schlechten Arbeitsbedingungen und
einem eintaegigen Streik stellten die Arbeitgeber Verhandlungen mit den
Gewerkschaften in Aussicht. Tatsaechlich wurden jedoch die Betriebe
geschlossen, die Arbeiterinnen entlassen. Den neuen Arbeiterinnen wurde
erklaert, dass Beschwerden und Kontakte zu Gewerkschaften nicht geduldet
wuerden.

Ein weiterer Fall betrifft einen Zulieferbetrieb bei Bangkok, der ohne
Entschaedigung fuer die Beschaeftigten ploetzlich geschlossen wurde, weil
der Betreiber mit Kreditrueckzahlungen im Rueckstand war. Der Betreiber
produziert jetzt in anderen Fabriken weiter.


In der Kategorie Menschenrechte:

The Dow Chemical Company

Hauptsitz: Midland (Michigan/USA), Niederlassungen in 54 Laendern
Umsatz/Gewinn: 2003 : 33 Milliarden US$/1,7 Milliarden US$ (groesster
Chemie-Multi)
Branche: Chemikalien, Kunststoffe, Landwirtschaftsprodukte

1984 kommt es in Bhopal/Indien in einer Fabrik von Union Carbide, einer
spaeteren Tochter von Dow Chemical, zu der weltweit schwersten
Chemiekatastrophe. Sie hat bisher 20 000 Todesopfer gefordert. Die
International Campaign for Justice in Bhopal und Greenpeace Schweiz fordern
von Dow Chemical die Verantwortung fuer die Folgen der Katastrophe zu
uebernehmen und die Opfer angemessen zu entschaedigen.

Durch die Explosion einer Pestizidfabrik der Firma Union Carbide entstand
eine Giftgaswolke ueber der Millionenstadt Bhopal, die Augen- und
Lungengewebe verbrannte. Innerhalb der ersten Tage starben 8000 Menschen.
Das Unternehmen wurde 2001 von Dow Chemical uebernommen.

Die Explosion ist auf Profitgier zurueckzufuehren, da computergesteuerte
Ueberwachungssysteme, wie sie in den USA und Europa ueblich sind, aus
finanziellen Gruenden nicht eingesetzt wurden. Mehrere Sicherheitsstufen
waren kaputt oder nicht eingeschaltet (Kuehlung von Lagertanks,
Druckventile, Alarmsirenen). Union Carbide behauptete, die durch kriminelle
Fahrlaessigkeit herbeigefuehrte Explosion sei durch einen Sabotageakt
verursacht worden.Die fuer die medizinische Behandlung der Opfer wichtige
Offenlegung der Zusammensetzung des Giftgases gab die Firma
(Geschaeftsgeheimnis) nicht preis. Durch die Fusion mit Dow Chemical
versuchte Union Carbide sich ihres stigmatisierten Namens zu entledigen und
Entschaedigungszahlungen zu vermeiden. Dow Chemical bestreitet jeglichen
Rechtszusammenhang mit der Katastrophe.

Fuer die Konzernleitung ist der mit der indischen Regierung abgeschlossene
Vergleich und die getaetigten Vergleichszahlungen fair und gerecht, der Fall
sei abgeschlossen. Das trifft nicht zu, denn in den USA und Indien sind noch
immer Gerichtsverfahren anhaengig. Darauf angesprochen, ob die gezahlte
Kompensation genuege, liess eine DOW-Sprecherin verlauten: "500 Dollar is
plenty good for an Indian" -- dies im Gegensatz zu den 10 Millionen US$ die
DOW einem Kind in den USA als Wiedergutmachung fuer Gesundheitsschaeden
zahlte.

Bis heute sind 20 000 Menschen an den Folgen der Chemiekatastrophe
gestorben. Ueber 150 000 sind chronisch krank. Die Boeden sowie das
Grundwasser sind vergiftet. Die Gesundheitsschaeden der dritten
heranwachsenden Generation der Geschaedigten reichen von Zwergwuechsigkeit
und anderen koerperlichen Missbildungen bis zu massiven Stoerungen von
Menstruationszyklen und zu Unfruchtbarkeit. ###


Quellen und ausfuehrlichere Texte: http://www.evb.ch/index.cfm?page_id=2561

Weitere Nominierung: www.evb.ch/nominierungen.htm

Infos: Matthias Herfeldt, Koordination "The Public Eye on Davos", Tel. +41
(0)1 277 70 06, publiceye@evb.ch



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