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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 1. Februar 2005; 19:43
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Gruene/Glosse:

> Demokratie modern

"eVoting, die elektronische Abgabe einer Stimme ueber das Internet bei einer
Wahl oder einem Referendum, wird zunehmend diskutiert und stellt fuer viele
Menschen eine attraktive Moeglichkeit dar, an demokratischen
Entscheidungsprozessen teilzunehmen. Gleichzeitig weckt eVoting auch viele
Aengste, etwa ob die Anonymitaet gewaehrleistet bleibt oder die Auszaehlung
vor Manipulationen sicher ist. Deshalb braucht eVoting vor allem eine
langsame und sorgfaeltige Vorbereitung, Einbeziehung aller Parteien und
EntscheidungstraegerInnen der Stadt, Aufklaerung und Information an alle
WienerInnen sowie Rahmenbedingungen um die technologische Weiterentwicklung
zu unterstuetzen."

Mit grossem Staunen entnehme ich dieses einer Aussendung der Gruenen Wiener
Klubobfrau Maria Vassilakou. Einmal abgesehen davon, dass jeder auch noch so
gefinkelte Authentifizierungsprozess eine Aushebelung des Wahlgeheimnisses
durch den Veranstalter der Wahl nicht ausschliessen kann und elektronische
Stimmabgaben seit den Streitigkeiten bei den US-Wahlen sowieso nicht den
besten Ruf haben, so ist doch wohl vor allem ein Problem -- und zwar voellig
unabhaengig von der technischen Loesung -- evident: Bei einer Wahl von
Zuhause ist das Wahlgeheimnis nicht gewaehrleistet. Genau deswegen gibt es
die Wahlzelle, in die man alleine und ohne Beobachtung zu gehen hat. Nur
dort ist gewaehrleistet, dass weder die Obrigkeit noch die lieben
Angehoerigen zuschauen koennen, wo man sein Kreuzerl macht. Daheim kann man
schon mal dem Opa erklaeren, wo er hinklicken muss, damit er nicht das Haus
verlassen muss, um seine Stimme abzugeben. Auch die vom Papa abhaengige
studierende Tochter wird sich vielleicht schwer tun, bei der allgemeinen
familiaeren Stimmabgabe alleine vor dem Computer zu bleiben -- schliesslich
ist man ja eine intakte Gemeinschaft, wo man keine Geheimnisse voreinander
hat, oder?

Vassilakou sieht darin aber nur insofern als Problem, als dass eVoting
"viele Aengste wecken" koennte, nicht jedoch, dass diese Aengste berechtigt
sein koennten. Vielmehr impliziert diese Formulierung, dass die Menschen
einfach nur eine irrationale Technikphobie haetten, von der sie behutsam
geheilt werden muessten. Die Menschen muessen halt nur ordentlich
"aufgeklaert" und "informiert" werden.

Und weiter heisst es in der Aussendung: "Die Wiener Gruenen sehen in eVoting
eine den technologischen Moeglichkeiten des 21. Jahrhunderts angepasste
Alternative, um an demokratischen Prozessen teilzuhaben. Besonders fuer
junge Menschen koennte eine Stimmabgabe ueber das Internet fuer erhoehtes
Demokratiebewusstsein und -teilhabe sorgen, ohne freilich die bisher
ueblichen Moeglichkeiten der Stimmabgabe zu aendern."

Ach, wir sind ja alle so modern und schick, leben im virtuellen Raum,
kommunizieren weltweit ohne Grenzen -- und wer uns kritisiert, ist noch
nicht im 21.Jahrhundert angekommen und ueberhaupt von vorgestern. Mit genau
dieser Grundhaltung wollten uns unsere Hohen Herren einreden, dass wir
unbedingt das AKW in Zwentendorf einschalten muessten.

Damals allerdings musste man noch mehr fuer die Mitbestimmung tun, da musste
man raus auf die Strasse, demonstrieren, Unterschriften sammeln,
Oeffentlichkeit herstellen. Heute reicht es voellig aus, das Kreuzerl --
oder vielleicht auch den Klick -- bei den Gruenen zu machen, wenn man etwas
veraendern moechte.

Wenn die Gruenen glauben, dass man junge Menschen dadurch zu "erhoehtem
Demokratiebewusstsein" bringt, wenn man ihnen alle paar Jahre sogar den
beschwerlichen Weg zum Wahllokal erspart, dann sagt das vor allem etwas aus
ueber das Demokratiebewusstsein der Gruenen Partei.
*Bernhard Redl*


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