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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. Jaenner 2005; 19:59
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Energie/Wirtschaft/Kommentar:

> Biosprit: Ein Holzweg in Richtung Nachhaltigkeit

Bio-Essen statt Bio-Sprit

Die Gefahr eines zunehmenden Treibhauseffektes und die Endlichkeit der
Ressourcen erfordert neue Wege fuer unsere Energieversorgung. Die fossilen
Brennstoffe Oel, Gas und Kohle muessen durch erneuerbare Energien eingespart
werden. Viele hoffen, mit nachwachsenden Rohstoffen die zukuenftige
Energieversorgung sicherzustellen. Besonders gelegen kommt dies der
konventionellen Landwirtschaft, die durch die sinkenden Preise von
Nahrungsmitteln dringend neue Einkommensquellen braucht.

Aufgrund der weltmarktorientierten Landwirtschaftspolitik muss bei uns immer
mehr "unrentable" landwirtschaftliche Nutzflaeche stillgelegt werden: Eine
vergleichsweise kleinstrukturierte baeuerliche Landwirtschaft hat gegen die
Weltmarktkonkurrenz wenig Chancen. Rentabel ist es, billiges Futtermittel an
der Boerse zu Weltmarktpreisen zu kaufen, denn die "Kaufkraft" unserer
Schweine ist groesser als die der meisten Menschen im armen Sueden.
Ausserhalb der EU werden inzwischen hunderttausende km2 Ackerflaechen fuer
die Futtermittel unserer Masttiere benoetigt. Im Gegenzug legt man in der EU
Flaechen still.

Findige Koepfe des Agrobusiness und ihnen ergebene PolitikerInnen haben
schon eine Loesung gefunden: Innerhalb der naechsten vier Jahre sollen 5,75
% aller Otto- und Dieselkraftstoffe durch eine Biospritbeimengung ersetzt
werden.

Biodiesel aus Raps

Der jahrelang intensiv beworbene Rapsanbau hat bereits seine Grenzen
erreicht. Die Speiseoelerzeuger tun sich jetzt schon schwer genug, den
Rohstoff Raps im Inland aufzubringen. "Raps ist eine sehr komplizierte
Pflanze, die viel Aufwand und staendige Beobachtung erfordert. Man muss alle
zwei Wochen am Acker sein -- und Raps braucht mindestens so viel Duenger wie
Mais", so der Tenor der Bauern: "Dazu kommt der Rapsglanzkaefer, der die
Kultur in der Bluetezeit schaedigen kann. Auch der Einsatz von Chemie ist
nicht zu unterschaetzen."

2004 wurden 1.034 ha Raps fuer die Dieselproduktion -- von insgesamt 34.900
ha Raps -- geerntet. Da sich aus einem Hektar Raps im Schnitt nur 1100 Liter
Biosprit gewinnen lassen, muss der Grossteil fuer die Biodieselverarbeitung
in Oesterreich bereits jetzt importiert werden. Schon im Jahr 2005 - also im
kommenden Erntejahr - muss der Rapsanbau fuer Biodiesel auf 124.601 ha
erhoeht werden, um die angestrebte Menge an Diesel zu ersetzen. Die
Rapsanbauflaeche fuer Biodiesel muesste also innerhalb eines Jahres um das
120-fache ausgeweitet werden. 2009 muesste die Anbauflaeche fuer Raps auf
382.000 ha erhoeht werden. Das heisst, die derzeitige Anbauflaeche muss
innerhalb von 5 Jahren um das 370-fache vergroessert werden, soll die
Produktion zur Gaenze in Oesterreich erfolgen.

Biosprit aus Bioethanol

Das Interesse der Landwirtschaft konzentriert sich daher auf die Erzeugung
von Biosprit aus Alkohol. Er kann sowohl aus Zuckerrueben als auch aus
Getreide und Mais erzeugt werden. Dem Zucker- und Staerkekonzern Agrana
kommt der Biosprit gerade recht, bietet doch die Biospriterzeugung die
Moeglichkeit, die Einkommensverluste der Zuckerbauern durch die WTO-Reform
abzufedern. Ruebenbauern-Chef Hermann Schultes schaetzt, dass fuer den
Biosprit rund ein Viertel der Zuckerruebenernte gebraucht wird.

Gewonnen soll der Biosprit, der Benzin beigemischt werden soll, aus rund
250.000 Tonnen Zucker oder 400.000 Tonnen Getreide wie Mais. Die Kosten fuer
die Treibhausgasreduktion liegen bei Bio-Ethanol zwischen 240 und 600 Euro
pro Tonne eingespartem CO2. Die umfassendste Studie zu diesem Thema
"Bioethanol in Deutschland" wurde vom deutschen Landwirtschaftsministerium
in Auftrag gegeben und kommt zum Schluss, dass die Produktion von Ethanol
eine der teuersten klimapolitischen Alternativen ist.

Der beabsichtigte Nachfrageeffekt von Biokraftstoffen wird auch zur
Produktionssteigerung von Agrarprodukten fuer Biokraftstoffen in anderen
Laendern fuehren. In Oesterreich spekuliert die Regierung bereits, Biosprit
hergestellt aus Zuckerrohr von den Monokultur-Plantagen Brasiliens zu
importieren. Durch Biosprit koennten deshalb in Malaysien die
Oelpalmenproduktion auf Kosten des Regenwaldes oder die Monokulturen fuer
Zucker-Alkohol-Projekte in Brasilien auf Kosten der Kleinbauern, der
Nahrungsmittelversorgung und der Oekologie weiter ausgedehnt werden.

Biosprit als Einfallstor fuer die Gentechnik

Derweilen forcieren maechtige Wirtschaftslobbys innerhalb der EU den Einsatz
von "Biotechnologie" (Gentechnik) fuer die Herstellung von Biomasse,
Bioenergie, Bio-Kunststoffen und Bio-Textilien aus pflanzlichen Produkten.
Die Biotechnologie soll die Landwirtschaft revolutionieren. Nach Meinung der
Gentechkonzerne sollen Pflanzen die Quelle fuer Brennstoffe, organisch
abbaubare Kunststoffe, umweltfreundliche Reinigungsmitteln und Arzneimittel
sein.

Laut Kyoto-Protokoll ist Anbau von Gentechpflanzen fuer den Klimaschutz
erlaubt. Mit dem Einsatz gentechnisch veraenderter Baeume, die angeblich
durch schnelleres Wachstum mehr CO2 speichern, koennen die Klimaschutzziele
schneller erreicht werden. Der Anbau von riesigen Plantagen von
Gentech-Monokulturen wird sogar als "Entwicklungshilfe" abschreibbar sein.
Zusaetzlich darf das dort gespeicherte CO2 im eigenen Land als
CO2-Einsparung eingerechnet werden.

Biosprit ist teurer als Bio

"Biosprit bringt weder der Volkswirtschaft noch dem Klima entscheidende
Vorteile", lautet der Befund zweier Gutachten des Heidelberger
ifeu-Instituts und der Ruhr-Universitaet Bochum. Biobauern schaffen auch
mehr Arbeitsplaetze als Monokulturen aus Raps, und ohne staatliche
Subventionen ist der Treibstoff nicht konkurrenzfaehig.

Zur Loesung des Energieproblems stehen nur begrenzte finanzielle Mittel zur
Verfuegung, daher sollte mit geringstem Geldeinsatz die groesstmoegliche
CO2-Reduktion angestrebt werden. Deshalb muessen die nachwachsenden
Rohstoffe mit konkurrierenden Energiealternativen wie Solarenergie, Wind-
und Wasserkraft verglichen werden. Der Einsatz von Biokraftstoffen gehoert
zu den teuersten Moeglichkeiten, Klimaschutz zu betreiben.

Laut AK-Studie muessen die Kosten fuer die Einsparung von 1 Tonne CO2 mit
112 Euro angesetzt werden. Zum Vergleich: Durch die Foerderung von
Fernwaerme kann CO2 um etwa 12 Euro/Tonne eingespart werden.

Zum Zweck des Klimaschutzes ist die Foerderung von Biotreibstoffen daher
gaenzlich ungeeignet. Hinter der Verpflichtung, Biodiesel oder Biosprit in
grossen Mengen einzusetzen, stehen wie schon erwaehnt vor allem
agrarpolitische Interessen.

Biolandwirtschaft ist die Alternative

Voraussetzung fuer ehrlichen Klimaschutz ist das Erkennen globaler
Zusammenhaenge. Leider ist das gegenwaertig oft nicht der Fall. Klimaschutz
wird zur Durchsetzung der Interessen maechtiger Wirtschaftszweige
missbraucht. Wuerden naemlich die Klimaexperten das letzte Wort haben,
muessten auch unsere PolitikerInnen feststellen, dass nur die
Biolandwirtschaft allumfassenden Klimaschutz garantiert. Die
Biolandwirtschaft verbraucht aufgrund des Verbots von chemischen
Duengemitteln und durch den Verzicht auf importierte Futtermittel wie Soja
aus Brasilien 65% weniger CO2(!) als ein konventioneller Bauer.

Auf der Basis der Biolandwirtschaft sollten alle weiteren
Klimaschutzmassnahmen aufbauen. Denn schliesslich geht es doch um primaer um
schadstoffarme Lebensmittel ohne Gentechnik kombiniert mit einer schoenen
Kulturlandschaft und gerecht bezahlten Bauern.

Klimaschutz hat nur dann Sinn, wenn er global den CO2-Anstieg in der
Atmosphaere senkt. Erster Schritt muesste daher eine Senkung unseres
Fleischkonsums sein, damit genuegend Flaechen fuer Bio-Lebensmittel und
Bioenergie bleibt.

Die reichen Staaten wie Oesterreich muessen ihren Fleischverzehr um etwa 50%
reduzieren, was jeder Arzt sowieso aus gesundheitlichen Gruenden empfehlen
wuerde. Eine Bevorzugung pflanzlicher Lebensmittel traegt nebenbei auch zur
gerechteren Verteilung der weltweiten Nahrungsressourcen bei, so koennten
z.B. die Futtermittelimporte aus Entwicklungslaendern fuer die
Intensivproduktion von Fleisch entfallen. Selbst bei 100 Prozent
Biolandwirtschaft wuerden dann gegenueber heute noch 20 Prozent der Flaechen
frei fuer nachwachsende Energiepflanzen sein.

Im Rahmen des Biolandbaus sind die Sonnenblume, Hanf und Flachs am besten
als Energietraeger geeignet. Die Sonnenblume ist nach der Sojabohne die
wichtigste Oelpflanze der Welt. Ueberall, wo Mais gut gedeiht, ist auch die
Sonnenblume gut aufgehoben. Sie hat einen ueberwiegend positiven Einfluss
auf den Standort. Im Gegensatz zu Raps ist die Sonnenblume gut fuer eine
Kultivierung im oekologischen Anbau geeignet.

Flachs ist eine der aeltesten Kulturpflanzen Mitteleuropas. Er bedeckt den
Boden und hinterlaesst den Acker nahezu unkrautfrei. Er durchwurzelt Boden
sehr intensiv und dicht. Ausserdem hat Flachs eine mit 120 Tagen eine sehr
kurze Vegetationszeit.

In der Untersuchung "Bioenergie aus oekologischem Landbau" des
Wuppertal-Institutes werden Getreide und Kartoffeln mittelmaessig beurteilt.
Raps - und vor allem Mais - bilden das Schlusslicht. Bei fester Biomasse
gelten schnellwachsende Baumarten als moegliche Energietraeger.

Nachwachsende Rohstoffe koennten den groessten gesellschaftlichen Nutzen
bringen, wenn sie innerhalb der biologischen Landwirtschaft sinnvoll
integriert werden. Angebaut werden sollten Rohstoffpflanzen, die das gesamte
System bereichern und sich im Zuge der Fruchtfolge positiv auf die
Nahrungsmittelproduktion auswirken.

Anstelle des grossflaechigen Anbaus einer einzigen Art, wie zum Beispiel
Raps, werden im Biolandbau vermehrt Arten angebaut werden, die
Nischenpositionen einnehmen. Das Sortiment reicht hier von Heil- und
Gewuerzpflanzen bis zum Hanf. Der Beitrag nachwachsender Rohstoffe zur
kuenftigen Energieversorgung wird hauptsaechlich von Durchforstungsholz,
Industrierestholz, Altholz etc. erbracht werden.

Nachwachsende Rohstoffe muessen denselben oekologischen Kriterien wie
Nahrungsmittel entsprechen. Weniger strenge Kriterien bei Saatgutwahl,
Gentechnik, Fruchtfolge, Duengung und Pflanzenschutz sind nicht
gerechtfertigt.

Die Kosten zur Einsparung einer Tonne CO2 durch den oekologischen Landbau
liegen bei nur 25% der Kosten fuer die Einsparung durch die Verwendung von
Biodiesel. Jeder Euro, der in den Einbau von Solaranlagen gesteckt wird,
produziert zwei- bis zehnmal soviel Energie, wie dies ueber Raps oder
Ethanol moeglich ist. Mit flaechendeckendem oekologischem Landbau wuerde
mehr CO2 eingespart werden als durch den Ersatz von fossilen durch
nachwachsende Rohstoffe.

Was ist also zu tun?

Wie kann sich der Konsument nun orientieren, wenn er wirklich fuer den
Klimaschutz was tun will?

Kauft prinzipiell nur Produkte mit Bio-Guetesiegel! Esst weniger Fleisch!
Die Produktion von Fleisch benoetigt viel Flaeche und Energie. Durch
geringeren Fleischverzehr und die dadurch freiwerdende Flaeche entsteht kein
Widerspruch zwischen Lebensmittelproduktion und Bioenergieproduktion. Mit
weniger Fleischkonsum und etwa 50 Prozent weniger Primaerenergieverbrauch
durch Energieeinsparung, Energieeffizienz und Solararchitektur ist die
solare Energiewende, das heisst Energie zu 100 Prozent aus Sonne, Wind,
Wasser und Bioenergie, bis etwa 2050 moeglich.

Die Folge: gesuendere Menschen und ein besseres Klima fuer unseren Planeten.
(Christian Salmhofer & Walther Schuetz, SOL, Nr.118 /2004)

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Kontakt:
Buendnis fuer Eine Welt/OeIE Kaernten
buendnis.oeie@aon.at


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