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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 22. Dezember 2004; 03:03
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Oeffis/Behinderte:

Bahn wirkt

> Nostalgiezug ermoeglicht Rollstuhlfahrern Erfahrungen wie in alten Zeiten

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Wolfgang Glaser hat so einiges zu erzaehlen und beschwerte sich bei der OeBB
wie folgt:


Linzer Bahnhof am 15. Dezember um 18.54 Uhr: Wie jeden Abend an einem
Arbeitstag trete ich als rollstuhlfahrender OeBB-Kunde meine Heimreise vom
Arbeitsplatz in Linz nach Steyr an.

Wie immer hilft mir ein Mann vom Security+Service der OeBB auf den Hebelift.
Doch ploetzlich bemerken wir beide, dass etwas anders ist: Die Eingaenge
dieses Zuges sind schmaeler als sonst, sie sind sogar fuer die Rampe des
Hebeliftes zu eng, geschweige denn fuer meinen Rollstuhl, obwohl ich einen
sehr schmalen Aktivrollstuhl habe und nicht etwa einen breiten
Elektrorollstuhl.

Vor der Fahrplanumstellung am 12. Dezember 2004 war der Zug, der zu dieser
Zeit fuhr, noch mit Hilfe eines Hebeliftes zugaenglich.

Wir warten etwas ratlos auf den Zugbegleiter, der uns schliesslich darauf
aufmerksam macht, dass dieser Zug ein so genannter "Nostalgiezug" ist, der
nun taeglich zu dieser Zeit Richtung Wien faehrt. Ich habe nun die
Alternative entweder in diesem Nostalgiezug im ungeheizten Paketwagen bis
nach St. Valentin mitzufahren und dann in einen anderen Zug nach Steyr
umzusteigen oder noch eine weitere Stunde auf den naechsten direkten Zug
nach Steyr zu warten.

Ich leiste mir heute den Luxus, etwas trotzig zu sein und waehle die erstere
Variante, denn ich habe keine Lust noch laenger zu warten. Nicht genug, dass
seit der Umstellung des OeBB-Fahrplanes am 12. Dezember die meisten
Verbindungen zwischen Linz und Steyr langsamer sind als je zuvor und ich,
wenn es so weitergeht bald mehr Zeit im Zug verbringe als im Buero.

Nicht genug, dass die OeBB insbesondere am Abend mehrere Verbindungen
zwischen Linz und Steyr gestrichen hat und daher jene Zuege, die noch
fahren, jetzt meist ueberfuellt sind, nein, jetzt setzt die OeBB noch eins
drauf und laesst zu einer Zeit, in der viele Pendler auf dieser Strecke
unterwegs sind, auch noch einen Nostalgiezug fahren, damit man sich fuehlen
kann wie in alten Zeiten .

Ich will einfach nur noch eins: so schnell wie moeglich NACH HAUSE!!! Im
kalten Paketwagen ist der Aerger ueber die Ignoranz der OeBB staerker als
mein Kaelteempfinden. Kein Zweifel: Die Bahn wirkt! Daran kann auch der neue
barrierefreie Linzer Bahnhof nichts aendern.

Zu Hause angekommen (zum Glueck gibt es in Steyr Niederflurbusse), vergeht
der Aerger langsam, dafuer kehrt mein Kaelteempfinden zurueck. Ich goenne
mir ein heisses Bad und denke mir: Solange es kein umfassendes
Bundesbehindertengleichstellungsgesetz gibt, in dem ein barrierefreier
oeffentlicher Verkehr verankert ist, werden Menschen wie ich wohl weiterhin
das Vergnuegen haben, nostalgische Erfahrungen machen zu duerfen ...

*

Auf diese Beschwerde Glasers gab es eine Reaktion der OeBB, die jeder
Beschreibung spottet. Wie der Pressesprecher des OeBB-Personenverkehrs fuer
Oberoesterreich, Mario Brunnmayr, die Fakten leugnete, und sich dabei
ziemlich laecherlich machte, ist leider typisch fuer den Umgang der OeBB mit
solchen Problemen.

1.) "Die Tueren des besagten Zuges sind zwar deutlich schmaeler, aber es
passt trotzdem ein Rollstuhl hindurch", erklaerte OeBB-Sprecher Brunnmayr
auf Anfrage des "Standard". Dies ist falsch, weil die Eingaenge bereits
schon fuer die Rampe des Hebeliftes zu schmal sind, schreibt Glaser in einem
Leserbrief an den ´Standard´.

2.) Brunnmayr bringt so schnell nichts in Verlegenheit. Er behauptet im
"Neuen Volksblatt", dass der Rollstuhlfahrer "auch den Bus nach Steyr nehmen
kann". Doch auch diese Aussage Brunnmayrs ist unwahr. Der Chef des
Personenverkehrs der OeBB in Linz hat sich erst jetzt dafuer eingesetzt,
dass zumindest in Zukunft ein Niederflurbus fahren wird, berichtet Glaser.

3.) Im Radio verbreitete Brunnmayr die naechste Unwahrheit, als er meinte,
dass der Paketwaggon des Zuges beheizt sei. Natuerlich ist der fuer
Rollstuhlfahrer zugaengliche Bereich im Paketwaggon nicht beheizt. Eine
Recherche bei Experten, ob Paketwaggons beheizt seien, ergab nur
verwundertes Kopfschuetteln.

Zum Abschluss setzt Brunnmayr zum Rundumschlag aus und verlaeuft sich in
Verschwoerungstheorien und spricht von "einer politischen Intrige". Und weil
nicht sein kann, was nicht sein darf, versteigt sich der Pressesprecher
Brunnmayr im ´Standard´ in die Behauptung, dass es "Rollstuhlfahrer gebe,
die mehr Platz wollen und deswegen freiwillig den Gepaeckwagen bevorzugen".

Man fragt sich was der groessere Skandal ist. Die Befoerderung im
Gepaeckwaggon oder der Umgang mit der Wahrheit des Pressesprechers des
OeBB-Personenverkehrs fuer Oberoesterreich, Mario Brunnmayr?

Die Rollstuhlfahrerin Andrea Froeschl berichtet: "Auf der Strecke Linz -
Graz gibt es keinen einzigen barrierefreien Waggon der oesterreichischen
Bundesbahn (OeBB). Wenn ich mit dem Zug nach Graz fahren will, kann ich das
nur im Gepaeckwagen."

Die OeBB beteuern in diesem Zusammenhang immer wieder, dass dies der
absolute Ausnahmefall sei. Ein Behauptung, die so nicht stimmen kann. Im
Archiv des Behindertenmagazins ´bizeps-info´ sammelt sich schon eine Reihe
von Artikeln zu diesen Skandalen. (bizeps/bearb.)


Quellen und weitere Infos:
http://www.bizeps.or.at/news.php?nr=5604
http://www.bizeps.or.at/news.php?nr=5610
http://www.bizeps.or.at/news.php?nr=5615
http://www.bizeps.or.at/news.php?nr=5613
http://www.bizeps.or.at/news.php?nr=5616



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