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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. Dezember 2004; 19:07
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Moderne Zeiten/Schwarzblau:
> Die totale Gesundheit
Das neue Gesundheitstelematikgesetz (GTelG, Langform: Bundesgesetz 
betreffend Datensicherheitsmassnahmen beim elektronischen Verkehr mit 
Gesundheitsdaten und Einrichtung eines Informationsmanagement) wurde am 
10.12.2004 im Nationalrat als Teil eines Gesundheitspaketes beschlossen. 
Auch hier handelt es sich wieder um ein Beispiel der unter Schwarzblau zur 
Perfektion getriebenen Praxis, ein ganzes Buendel von neuen Gesetzen und 
Gesetznovellen in ein einziges Bundesgesetz zu verpacken, ueber das nur 
gemeinsam abgestimmt werden kann. Das so schoen verpackte GTelG wird nach 
Ansicht der Arge Daten zu einer zentralen staatlichen Gesundheitskontrolle 
fuehren. Nachfolgend eine Aussendung vom 30.11.2004, also noch vor der 
Beschlussfassung:
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Nach einem ersten Vorstoss im Sommer 2002 wurde es sehr still um ein 
Gesundheitstelematikgesetz. Die Knittelfelder Querelen beendeten den 
Vorstoss des Sozialministers. Die notwendige Regelung der sicheren 
Datenuebertragung sensibler Gesundheitsdaten wurde als Vorwand genommen, 
gleich eine zentrale Melde- und Evidenzstelle fuer alle 
gesundheitsrelevanten Daten vorzusehen. Sogar Selbsthilfegruppen und 
Personen, die privat untereinander Gesundheitsinformationen austauschen, 
waeren unter diese Meldepflicht gefallen.
Im Ergebnis haette das Ministerium die Moeglichkeit gehabt, den gesamten 
Informationsaustausch zu Fragen der persoenlichen Gesundheit zu ueberwachen. 
Es waere auf eine Aushoehlung der aerztlichen Schweigepflicht 
hinausgelaufen, die ja nicht standesorientiert ist, sondern persoenlich an 
den einzelnen Arzt gebunden ist.
Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: 'Die Vielzahl missglueckter 
Reformvorhaben zum aeusserst sensiblen Bereich Gesundheit draengen zentrale 
Tatsachen der Arzt-Patienten-Beziehung immer mehr in den Hintergrund. Eine 
Krankenbehandlung ist eine hoechstpersoenliche Vertrauensangelegenheit 
zwischen dem Patient und einem bestimmten Arzt seiner Wahl. Dieser Arzt ist 
persoenlich fuer die Behandlung verantwortlich und unterliegt persoenlich 
dem Aerztegeheimnis. Selbst die Datenweitergabe an 'Kollegen' oder andere 
Gesundheitseinrichtungen bedarf der Zustimmung des Patienten.'
Es ist eine Binsenweisheit, dass ein wesentlicher Teil der 
Behandlungserfolge auch vom Vertrauen des Patienten in bestimmte 
therapeutische Massnahmen abhaengt. Diese sind vom behandelnden Arzt 
abhaengig.
Ein Gesundheitsdatenverbund wuerde diese persoenliche Vertrauensbindung noch 
weiter aushoehlen. Fehlerhafte, unvollstaendige oder veraltete medizinische 
Informationen wuerden in einem derartigen Verbund noch rascher verbreitet 
werden als bisher.
Technokratischer Zugang
Die Diskussion ist, wie eine Tagung des BMGF zeigt, von technokratischen 
Aspekten beherrscht. Die Idee eines "lebensbegleitenden elektronischen 
Akts", der zentral verwaltet wird, wie ein Referent vorschlug, ist bestimmt 
vom technisch Machbaren, nicht vom gesundheitspolitisch Wuenschbaren.
Die Angriffspotentiale auf einen derartigen Gesundheitsdatenverbund sind 
jedoch derartig hoch, dass die daraus resultierenden Sicherheitsmassnahmen 
die Preisgabe vieler demokratscher Grundrechte bedeuten wird.
Tatsaechlich sind viele medizinische Informationen nur sehr kurzzeitig 
gueltig und kontextbezogen. Hoechstens fuer die Analyse von Zeitreihen bei 
einzelnen Krankheiten sind alte medizinische Rohdaten verwertbar. Das bisher 
angewandte System der Arztbriefe und kollegialen Konsultation erweist sich 
als hoechst effizient, da damit der Befund ausstellende Arzt gezwungen wird, 
sich auf die wesentlichsten Merkmale und Aspekte zu konzentrieren. Bei 
komplexeren Fragestellungen wuerden jedoch durch die kollegiale Konsultation 
nicht bloss Daten von einer medizinischen Einrichtung zur anderen 
transportiert werden, wie es das Gesundheitstelematikgesetz vorsieht, 
sondern es wuerde in der Konsultation auch ein Informations- und 
Wissensaustausch stattfinden, der auch zu voellig neuen Aspekten in Therapie 
und Diagnose fuehren kann.
Hans G. Zeger: "Das Gesundheitstelematikgesetz folgt einem 
Mechanikerverstaendnis von Gesundheit, bei dem Menschen zu Patientengut und 
Krankheit zum Reparaturfall wird, der von allen Aerzten immer gleich 
behandelt werden muesse. Die Illusion, durch mehr Datenaustausch schneller 
und billiger reparieren zu koennen, ist offensichtlich von Technikern fuer 
Techniker entwickelt worden."
Verminderte Datensicherheit
Obwohl der Gesetzesentwurf geradezu gebetsmuehlenartig die Sicherheit der 
Gesundheitsdaten beschwoert, werden die verpflichtenden 
Sicherheitsmassnahmen nicht dem Stand der Technik (etwa Signaturgesetz) 
angepasst, wie dies die EU-Richtlinie 2002/58/EG ("Datenschutz in der 
Telekommunikation") vorschreibt, sondern dem niederen technischen Niveau der 
bestehenden EDV-Installationen bei manchen Spitaelern und Aerzten.
Hans G. Zeger: "Mit der Begruendung, man muesse auf 
Gesundheitsapplikationen, die vor mehr als 15 Jahren entwickelt wurden, 
Ruecksicht nehmen, werden die Sicherheitsanforderungen bewusst vage 
formuliert und nach unten nivelliert."
Kontrollrechte der Patienten fehlen voellig, auch die verbindliche 
Festschreibung, wie die Pruefung der Zugriffsberechtigung auf die einzelnen 
Patientendaten tatsaechlich technisch gesichert wird.
Hans G. Zeger: "Wird das Gesundheitstelematikgesetz in der vorliegenden Form 
beschlossen, werden es die ungenuegenden Protokollierungsbestimmungen im 
Datenschutzgesetz dem Patienten voellig unmoeglich machen herauszufinden, 
wer seine Gesundheitsdaten hat."
Verstoesse gegen die im Gesetz vorgesehenen an sich lockeren 
Datensicherheitsbestimmungen sollen zusaetzlich bis 31.12.2007, also drei 
Jahre lang, ungeahndet bleiben!
Nur widerwillig beschaeftigt sich mittlerweile der Datenschutzrat mit 
Grundsatzfragen zur Privatsphaere. Das Gesundheitstelematikgesetz wurde 
ueberhaupt nur auf Antrag einiger Oppositionspolitiker behandelt.
Nach laengeren Diskussionen wurde eine Stellungnahme verabschiedet, die 
leider bloss nur neue Fragen aufwirft, statt klare Vorschlaege zu machen.
Hans G. Zeger: "Um wenigstens einige simple Grundsatzstandpunkte offen zu 
legen, habe ich ein Votum Separatum abgegeben, dass besonders auf die 
voellig unzureichende Beruecksichtigung und Sicherung der Patientenrechte 
eingeht."
(ARGE Daten/bearb.)
Quelle und weiterfuehrende links:
http://www.argedaten.at/news/20041130.html
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