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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. Dezember 2004; 19:09
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Glosse:
> Nieder mit Anti-Weihnachten!
Frueher war alles besser. Frueher war Weihnachten sankrosankt -- was anderes 
gabs nicht als Weihnachtsmaerkte, ekelhaft klebrigem "Stille Nacht" á la 
Saengerknaben und einem Fernsehprogramm, das angeblich fuer die ganze 
Familie gedacht war, in Wirklichkeit aber nur vor Vorschulkindern und der 
Mehrheit der Grossmuetter Gefallen fand. Die Kinder freuten sich ueber die 
materiellen Gratifikationen fuer das bloede Aufsagen von noch bloederen 
Gedichtchen und die Erwachsenen haben sich vollgefressen und angesoffen, um 
die ganze Scheisse einigermassen in psychischer Unversehrtheit zu 
ueberstehen.
Heute ist alles anders. Zwar gibt es immer noch das traditionelle Modell in 
den meisten Familien. Aber medial hat sich vieles getan. Heute gibt es nicht 
nur von den Saengerknaben, sondern auch von Otto Lechner oder den Toten 
Hosen Weihnachtslieder. War es frueher fuer jeden nicht allzu progressiven 
Musikschaffenden eine Versuchung, irgendwas Weihnachtliches aufzunehmen, so 
tun das heute auch die angeblich progressiven -- mit mehr oder weniger 
ironischem Unterton. Von den Kabarettisten gar nicht zu reden! Einen 
Weihnachtssketch hat fast ein jeder im Programm. Hatten die ersten 
Weihnachtsverspottungen noch einen gewissen Charme des Tabubruchs, sind sie 
heute schon so in den common sense eingebunden, dass Weihnachtsgeschaedigte 
wie ich schon genauso drunter leiden wie unter dem traditionellen 
Weihnachtsscheiss.
Weihnachten ist das Fest der Familie, der Naechstenliebe und des Konsums, 
sprich des Wahnsinns, der Heuchelei und des Terrors. Ende Oktober schon 
kommen die ersten hiobschen Vorboten, Mitte November wird es massiv und je 
naeher der 24.12. rueckt, desto schlimmer wird es. Man kann kein Radio und 
keinen Fernseher einschalten, keine Zeitung lesen, keine eMails abrufen, das 
Telefon nicht abheben und nicht auf die Strasse geschweige denn in ein 
Wirtshaus gehen, ohne schwer eingeweihnachtet zu werden. Selbst wenn man nur 
aus dem Fenster sieht, blinken einem die Kerzerln auf Nachbars Balkon einen 
besinnlichen Gruss herueber. Und da nutzt es mir auch nichts, wenn man sich 
ueber Weihnachten lustig macht -- auch Anti-Weihnachten ist Weihnachten. Mit 
Spott ueber Weihnachten komme man mir zu Ostern, aber nicht dann, wenn alle 
anderen auch von Weihnachten reden!
Anti-Weihnachten ist noch viel schlimmer als Weihnachten. Denn 
Anti-Weihnachten kommt mit der Attituede daher, gegen Weihnachten gerichtet 
zu sein, in Wirklichkeit ist es ein Versuch, ueber den Terror lachen zu 
koennen, sich mit ihm zu arrangieren, letztlich eine Kapitulation vor der 
Allmacht des gesunden Volksverbloedens. Das ist keine Gegnerschaft mehr, das 
ist augenzwinkernde Kollaboration.
Und -- Asche auf mein Haupt -- selbst dieser Text ist eine Zumutung, handelt 
er doch von der naemlichen Pestilenz.
Mein schoenstes Wehnachten war 1990. Da war ich in Marrakesch, wo niemand 
meinte, man muesse ueber Weihnachten schimpfen oder es ironisch brechen. 
Einfach weil dort kein Mensch weiss, was Weihnachten ueberhaupt sein soll...
v
Ce
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