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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 30. November 2004; 19:43
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Brasilien:

> PT verliert Porto Alegre

Arbeiterpartei in der Krise

Porto Alegre , bekannt fuer seine "partizipative Demokratie" und als
Austragungsort mehrerer Weltsozialforen, ging bei den Kommunalwahlen an die
Rechte verloren.

Porto Alegre ist nicht die einzige wichtige Stadt ,die die PT
(Arbeiterpartei) bei den Kommunalwahlen eingebuesst hat: Die exponierteste
Wirtschaftsmetropole des Landes Sao Paolo gehoert ebenso dazu wie Belem
(dort regierte die PT acht Jahre).

Aber zweifelsohne schmerzt die Niederlage in Porto Alegre besonders. Mit
Porto Alegre assoziiert man/frau unmittelbar partizipative Demokratie und
Beteiligungshaushalt (1). In der Hauptstadt von Rio Grande do Sul fanden
bereits drei Weltsozialforen (WSF) statt und auch das naechste wird -- nach
dem vierten in Mumbai -- Ende Jaenner 2005 dort ausgerichtet werden.

Porto Alegre gilt als einer der Bastionen der (PT-)Linken und wurde seit 16
Jahren von ihr verwaltet. Und mit Raul Pont, der aus der Stroemung der
IV.Internationale in der PT, "Sozialistische Demokratie" (DS), kommt,
verfuegte die PT ueber einen dezidiert linken und anerkannten
Buergermeisterkandidaten (Raul Pont war auch schon Buergermeister in Porto
Alegre und zwar von 1997 bis 2000).

Und trotzdem reichte es nicht. Raul Pont bekam nur 47 % der Stimmen um knapp
54 000 Stimmen weniger als sein Gegenkandidat Jose Fogaca (dieser kommt aus
der PPS einer frueheren Abspaltung der KP, die sich nach rechts entwickelte
und buergerliche Politiker integrierte). Natuerlich waere es unzulaessig
nach einer monokausalen Erklaerung fuer den Rueckschlag zu greifen. Mehrere
Ursachen sind massgeblich: der fruehere PT-Buergermeister Tarso Genro brach
sein Wahlversprechen von 2000 und schied vorzeitig aus seiner Funktion aus,
um bei den Gouverneurswahlen anzutreten ( und dabei zu scheitern); Jose
Fogaca agierte z.T. populistisch und liess sich andererseits den Wahlkampf
von grossen Konzernen finanzieren ...

Der Faktor der Enttaeueschung ueber die -- auf breiten Strecken
IWF-"freundliche" -- Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung Lula und
die rigide Form der Konfliktaustragung der PT-Fuehrung mit ihren linken
Kritikern scheint jedoch besonders wirksam zu sein. Etliche wurden
ausgeschlossen/hinausgedraengt (z.B. Heloisa Helena), andere gingen selbst
(wie Juao Machado, Gruendungsmitglied der PT), eine neue Linkspartei , die
PSol Partei Sozialismus und Freiheit) wurde gegruendet. Der in Porto Alegre
lebende Uebersetzer der oesterreichischen Delegation am 3.WSF 2002 bringt es
auf den Punkt: "Die PT hier und Raul Pont bekamen die Ohrfeigen fuer die
Politik der Zentralregierung".

Die Position der Linken, die in der PT verblieben sind, ist nach dem Debakel
in Porto Alegre noch schwieriger. Ihre Hoffnung war, gestaerkt durch einen
Erfolg in Porto Alegre, den Regierungs- und PT-Rechten massiver
entgegentreten zu koennen. Diese Hoffnung ist nunmehr dahin. In dieses-
betruebliche- Szenario passt die juengste Nachricht: Frei Betto,
Befreiungstheologe und Leiter des Null-Hunger-Programms der Regierung Lula
(2) legte seine Funktion zurueck ,weil er den neoliberalen Kurs des
Kabinetts nicht mittagen will.
*Hermann Dworczak*

*

(1) The Porto Alegre Alternative. Direct Democracy in Action. Edited and
translated by Iain Bruce. Pluto Press. 2004. 161 S.

(2) Anlaesslich seines juengsten Oesterreich-Aufenthalts gab Frei Betto
Lateinamerika Anders- Panorama ein
Interview (Nr. 5 November 2004 S. 14 "Wir haben keine Revolution" ).


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