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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 24. November 2004; 04:35
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Asyl/Recht/Kommentar:

> Apartheid auf oesterreichisch

Die vorgeschlagenen "Gebietsberechtigungen" haben ein Vorbild: Die deutsche
"Residenzpflicht"


Innenminister Strasser hat ja -- ausser von der FPOe -- nicht viel Lob fuer
seine eigenartigen Vorstellungen gefunden, wie man ein verfassungswidriges
Gesetz repariert. Der groesste Aufreger war wohl die "Sicherheitsverwahrung"
fuer verurteilte Asylwerber -- wohl gedacht als Ueberbrueckungshaft zwischen
Straf- und Schubhaft und verfassungsrechtlich sicher ein Husarenstueck.
Verfassungsrechtler noergelten auch an der Abschaffung des VwGH als Instanz
im Asylverfahren herum, da der Unabhaengige Bundesasylsenat (UBAS) kein
ordentliches Gericht sei -- was sich allerdings aendern koennte, da mit der
geplanten Verfassungsreform im Verwaltungsbereich endlich ordentliche
Gerichte eingefuehrt werden sollen, was neben den Unabhaengigen
Verwaltungssenaten wohl auch den UBAS betreffen muesste. Abgesehen davon
freut sich der VfGH sicher schon auf die ersten, vom UBAS abgelehnten
Asylwerber, um Strasser sein Gesetz erneut um die Ohren zu hauen.

Bleibt die dritte Idee, die "Gebietsberechtigungen" -- entweder nur fuer
vorbestrafte oder eher doch fuer alle Fluechtlinge (Strasser hatte da
verschiedene Formulierungen parat). Da hat der Minister allerdings nicht --
wie bei den Gerichten -- davon gesprochen, dass das sonst auch ueberall so
gehandhabt wuerde. Waere auch eine Chuzpe gewesen, denn laut
Fluechtlingshilfsorganisationen gibt es die sonst nirgends -- ausser: in
Deutschland. Dort heisst das "Residenzpflicht" und es ist ein wunderbares
Mittel Asylwerbern das Leben zu erschweren -- die Hilfsorganisationen
koennen ein Lied davon singen und singen es auch staendig, nur dass eben die
rotgruene Regierung kein Ohrwaschel ruehrt.

In Deutschland gilt seit 1982: Wollen Asylwerber den Landkreis, zu dem sie
verdonnert sind, verlassen, muessen sie eine Genehmigung einholen. Nur wird
die erstens nur nach Gutduenken der Beamten, zweitens binnen recht
unterschiedlichen Fristen und drittens erst nach Zahlung einer Gebuehr
erteilt. Ohne solche Urlaubsscheine kann man sich sehr schnell sehr viele
Verwaltungsstrafen einfangen. Damit kann man nicht nur verhindern, dass sich
die Menschen integrieren oder gar wohlfuehlen, man kann sie auch
kriminalisieren und man kann sie daran hindern, Beratungsstellen
aufzusuchen. Und wenn sie sich politisch betaetigen wollen oder gar
organisieren, um sich gegen die miese Behandlung zu beschweren, so hat man
ein probates Mittel, dies zu unterbinden.

Die Fluechtlingsorganisation "The Voice" vergleicht die Residenzpflicht mit
den Passgesetzen des suedafrikanischen Apartheidsystems: "Fluechtlinge in
Deutschland sind das Opfer des Residenzpflichtgesetzes, eines Systems von
Aufenthaltszuweisungen und -beschraenkungen, vergleichbar mit der Aera der
rassistischen Apartheid in Suedafrika. Auch Deutschland hat seine
'Passgesetze'. Es ist Fluechtlingen verboten, sich in Deutschland frei zu
bewegen. Sie duerfen den ihnen als Wohnort zugewiesenen Landkreis nicht
verlassen und sind verpflichtet, in einer ihnen zugewiesenen
Fluechtlingsunterkunft (oft abgelegen oder mitten im Wald) zu wohnen."

Sollte das auch in Oesterreich doch noch beschlossen werden, wuerde es zum
Beispiel bedeuten, dass Fluechtlinge aus Traiskirchen nicht mehr zu den
Beratungsstellen, Anwaltskanzleien und politischen Organisationen in Wien
einpendeln koennten. Das wuerde den Asylbehoerden das Leben tatsaechlich
sehr erleichtern.
*Bernhard Redl*



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