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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. November 2004; 20:53
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Olivgruen/Kommentar der Anderen:

> Am Ende steht die Kriegsbeteiligung
> Oesterreichs an der Seite Deutschlands

*Stellungnahme der Werkstatt Frieden & Solidaritaet*

Der " Friedens- und Sicherheitssprecher" der Gruenen, Peter Pilz, versucht
seine Partei auf abenteuerliche Wege zu fuehren. In einem von Pilz in den
Erweiterten Bundesvorstand eingebrachten Papier werden die gruenen Reihen
auf die Abschaffung der Neutralitaet ausgerichtet. Gleichzeitig wird von
einer Europaeischen Armee unter einem europaeischen Verteidigungsminister
halluziniert. Jedem Kenner der europaeischen Machtstrukturen ist klar, dass
es diese Form der Vergemeinschaftung nicht geben wird. Was es geben wird und
was konkret betrieben wird, ist die Unterordnung der kleinen und mittleren
Staaten unter das militaerische Diktat der grossen Maechte. Fuer Oesterreich
heisst dies insbesondere Deutschlands. So wird die Regierung am 22. November
2004 in Bruessel die Beteiligung Oesterreichs an einer gemeinsamen
EU-Kampfgruppe mit Deutschland und Tschechien bekanntgeben.

Pilz wird damit zum Sprecher des deutschen Aussenamtes in Wien. Mit der
Forderung nach Vergemeinschaftung der Verteidigungspolitik ist das goldene
Kalb aufgestellt, zu dessen Anbetung Pilz auffordert. Hemmnisse wie die
oesterreichische Neutralitaet muessen geopfert werden. Aufruestung und Krieg
werden jedoch Europa spalten. Wenn sich Oesterreich von der Neutralitaet
verabschiedet, um an einer gemeinsamen europaeischen Verteidigung
teilzunehmen, wird es sich an der Seite Deutschlands im Kampf um die
Vorherrschaft in Europa wiederfinden. Diese Unterordnung Oesterreichs unter
die Wuensche Berlins erfolgt wirtschaftlich, militaerisch und, wie Pilz
beweist, auch politisch.

Pilz laeuft in der Zwischenzeit jedem Hoelzl hinterher, dass ihm von Berlin
geworfen wird:

I. Beispiel:

Berlin fordert Mehrheitsabstimmungen in der Aussen- und Verteidigungspolitik
und macht ueber ein militarisiertes Kerneuropa dafuer Druck. Pilz schnappt
auf und fordert in seinem Papier an den EBV der Gruenen
Mehrheitsabstimmungen in der Aussen- und Verteidigungspolitik (und damit das
Ende der Neutralitaet), sonst " ...droht damit eine europaeische
Militaerpolitik ohne ausreichendes aussenpolitisches Fundament..." In der
Europaeischen Ruestungsagentur gilt bereits das Mehrheitsprinzip.
Vergegenwaertigen muss man sich zudem, dass die Forderung nach
Mehrheitsabstimmung jetzt erfolgt. Mit dem Verfassungsvertrag konnte
Deutschland die Verdoppelung seiner Stimmgewichte von 9% auf ueber 18%
durchsetzen, waehrend Oesterreich sein Stimmgewicht von 3,1% auf 1,8% fast
halbierte. Die ganzen schoenen Bedingungen und Ziele (wie UN-Bindung,
Durchsetzung von Menschen- und Voelkerrecht) unter denen Oesterreich laut
Pilz seine Neutralitaet aufgeben solle, sind im Falle von
Mehrheitsabstimmungen das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.

II. Beispiel:

Deutschland kaempft gegen den Druck der USA und ihrer Verbuendeten fuer von
der Nato unabhaengige Militaer- und Ruestungsstrukturen. Pilz sieht eine
gute Moeglichkeit sich zum nuetzlichen Diener seiner Herren zu machen. Die
Neutralitaet ist fuer Pilz ein Auslaufmodell, er moechte sie aber noch "als
Sperriegel gegen eine sicherheitspolitische Integration der gesamten EU in
die Nato und damit gegen die Unterordnung unter die Politik der USA "aber
auch als Unterstuetzung bei der Herausbildung gemeinsamer europaeischer
Strukturen" nutzen.

III. Beispiel:

Deutschland moechte die Gunst der Stunde nutzen und die in Personalnot
befindlichen Amerikaner bei der Besetzung vieler Balkanlaender endgueltig
beerben. Pilz sekundiert: "Von den Sicherheitskraeften her ist die EU
bereits heute in der Lage, hier die volle Verantwortung zu uebernehmen." und
droht die weitere ethnische Parzellierung auf dem Balkan nach dem Auslaufen
der UN-Sicherheitsratsresolution 1244 an.

Die Ankuendigung einer Volksabstimmung in zehn Jahren ist nackte
Verhoehnung. Die Weichen werden jetzt gestellt. Ueber die EU-Verfassung, die
EU-Kampfgruppen, die Ruestungsagentur wird jetzt entschieden. Jetzt wird die
oesterreichische Industrie in den Aufbau einer deutsch-europaeischen
Ruestungsindustrie integriert. Die EU will laut " head line goal" die volle
Kriegsfaehigkeit a la Irak bis zum Jahr 2010. In zehn Jahren koennen diese
Entwicklungen alle nur abgewunken werden, nicht mehr abgestimmt. Die Gruenen
befuerworten die EU-Militaerverfassung und verweigern den Menschen in
Oesterreich eine Volksabstimmung darueber.

Pilz versucht damit den Gruenen jene Funktion zukommen zu lassen, die
jahrzehntelang die Deutschnationalen in Oesterreich ausgeuebt haben: die
Speerspitze bei der Zerstoerung der II. Republik. Gerade das
Friedensvolksbegehren hat jedoch deutlich gemacht, dass viele Gruene nicht
bereit sind, in den Fussstapfen der FPOe zu wandeln. Die naechsten Wochen
werden zeigen, ob die Gruenen gemeinsam mit Pilz in Richtung militaerisches
Weltmachtabenteurertum schreiten oder mit der Verteidigung der Neutralitaet
ein wirkungsvolles Instrument gegen den deutsch-europaeischen Militarismus
entwickeln werden. Das Friedensvolksbegehren ist ein klares,
unmissverstaendliches Angebot, sich gemeinsam mit anderen politischen
Kraeften fuer zweiteres stark zu machen.

Wenig ueberzeugend ist die Stellungnahme des SP-Chefs Gusenbauer. Gusenbauer
erklaert jetzt die SPOe zum einzigen Garanten fuer die Neutralitaet,
verschweigt dabei aber, dass er am 28.12.2003 fast wortgleich mit Pilz,
ebenso das Ende der Neutralitaet forderte, sollte sich eine gemeinsame
europaeische Verteidigungspolitik herausbilden. (gek)



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