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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. November 2004; 19:11
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EKH/Stimmen aus der KPOe:

> Die Projekte muessen erhalten bleiben!

Zur rechtlichen und politischen Einschaetzung der gegenwaertigen Situation
der MieterInnen im EKH. Die Antwort muss notgedrungen zweigeteilt sein,
naemlich in eine formal- juristische und in eine politische.

1. Juristisch

Eine rechtlich einwandfreie Antwort koennte ich nur geben, wenn ich ueber
den Inhalt der verschiedenen Vertraege Bescheid wuesste. Laut AKIN und
Mieter-Interessengemeinschaft gibt es in der Hauptsache schriftliche
Vertraege, davon viele mit blossem Anerkennungszins + Zahlung der
Betriebskosten. Gibt es keinen schriftlichen Vertrag, wird die Sache ein
wenig komplizierter. In den Faellen mit sehr niedrigem Mietzins (also meist
nur Betriebskosten) handelt es sich rechtlich um sogenannte "Prekarien".
Dazu sagt das ABGB im §974 folgendes: "Hat man weder die Dauer, noch die
Absicht des Gebrauches bestimmt; so entsteht kein wahrer Vertrag, sondern
ein unverbindliches Bittleihen (Prekarium), und der Verleiher kann die
entlehnte Sache nach Willkuer zurueckfordern". Das heisst also: es ist zwar
ein Nutzungsrecht (unabhaengig ob mit Vertrag oder nicht) entstanden, das
aber jederzeit ohne grossen Aufwand zurueckgefordert werden kann. Da nach
meiner Information keine Miete und teilweise auch keine Betriebskosten
bezahlt wurden bzw. werden, ist die Sache juristisch relativ einfach. Und ob
jetzt die KPOe Eigentuemerin ist oder irgendwer anderer, spielt fuer die
Rechtslage keine Rolle.

2. Politisch

Da wird die Sache schon heikler. Mein Standpunkt: Ich verstehe die ganzen
Aufgeregtheiten nicht und ich halte auch nicht viel von einer Politik der
blossen Gefuehle. Es ist aeusserst interessant, dass sich ploetzlich eine
Menge Menschen fuer diese Sache interessieren, die sich bisher ueberhaupt
nicht darum gekuemmert haben und in den meisten der diesbezueglichen
Stellungnahmen schwingt eine Anti-KPOe-Stimmung mit, die von Schadenfreude
bis zu reinstem Antikommunismus geht und von einer wirklichen Solidaritaet
mit den Besetzern meilenweit entfernt ist.

Was sind die Fakten: Das Haus wurde besetzt.
Die HausbesetzerInnenbewegung entstand nicht von ungefaehr in Berlin Anfang
der 80-er Jahre. Dazu muss man aber die Hintergruende und auch die
Intentionen kennen. Berlin war damals noch eine geteilte Stadt, es gab auch
politische Zugestaendnisse, weil Westberlin abhaengig davon war, dass
ueberhaupt wer sich in dieser umzingelten Stadt niederliess. Die
HausbesitzerInnen liessen massenhaft Haeuser leer stehen um durch ein
verkuerztes Angebot die Erhoehung der Mietpreise zu erreichen. Das fuehrte
einerseits zu einer starken Wohnraumnachfrage vor allem von jungen Menschen,
andererseits als Reaktion auf den Leerstand zu den Besetzungen, die auch
anfangs von der Bevoelkerung sehr positiv aufgenommen wurde. Schliesslich
waren rund 180 Haeuser besetzt und durch die meist autonomen
BesetzerInnengruppen gingen natuerlich auch die jeweiligen politischen
Intentionen in die Bewegung ein. Die in meinen Augen politisch Reiferen
betrachteten die "Enteignung" als politischen, antikapitalistischen Akt,
andere wollten Freiraeume fuer neue Lebensformen erproben, wieder andere
bekaempften die Wohnungsspekulation. Ein grosser Teil der autonomen bis
anarchistischen Szene wollte kostenlos wohnen und damit sehr bewusst die
politischen Strukturen herausfordern. Alle drei Intentionen kann ich
nachvollziehen und mich mit ihnen solidarisieren. Es kam in keinen Fall zu
parteipolitisch motivierten Besetzungen, z.B. von Parteizentralen oder
Parteieigentum, da es - wie oben ausgefuehrt - keine dezidiert repressive
Wohnungspolitik gab.

Anders liegt es mit der Besetzung der Wielandschule in Wien. Fuer diese
Besetzung lassen sich folgende Grundstrukturen erkennen:
1. Es wurde der leichteste Weg gewaehlt, da man davon ausgehen konnte, dass
die KPOe als Eigentuemerin keine staatliche Gewalt rufen wuerde, bzw. man
durchaus damit rechnen konnte, dass diese auch nicht zu Gunsten der Partei
eingeschritten waere.

2. Die Besetzung - vorgenommen von autonomen und anarchistischen
Gruppierungen - richtete sich politisch ganz bewusst gegen die
KommunistInnen als politische Gegner. Es ging also nicht um eine
gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit der herrschenden
Wohnungspolitik.

3. Es handelte sich auf keinen Fall um einen Kampf gegen die
Wohnungsspekulation und daher auch um keinen auch nur ansatzweise zu
unterstuetzenden Akt.

D.h. also, es gab, und das gilt fuer einige Gruppen nach wie vor, eine auf
antikommunistische Stimmungsmache angelegte Besetzung. Die umliegende
Bevoelkerung wurde von einigen Besetzergruppen bewusst terrorisiert, um
durch die so provozierten Polizeieinsaetze die KPOe indirekt auf Grund ihrer
Duldung der Besetzung zu diskreditieren.

In der Folge ist es der KPOe offensichtlich (wahrscheinlich nicht
freiwillig) gelungen, eine halbweg arbeitsfaehige Plattform zu gruenden und
auch vielen Projekten dort legale kostenguenstige
Unterbringungsmoeglichkeiten zu schaffen. Die Kosten musste allerdings die
KPOe als Eigentuemerin tragen und die waren nicht gering.

Solange die KPOe ueber entsprechende Mittel verfuegte, war das
wahrscheinlich auch tragbar. Die derzeitige materielle Situation der KPOe
ist dramatisch, ueber 50 FunktionaerInnen wurden gekuendigt, selbst das
Mieter-Selbsthilfezentrum verfuegt nur noch ueber die Infrastruktur, die
derzeitige Beratung erfolgt auf freiwilliger Basis.

Die jaehrlichen Kosten des EKH werden mit bis zu 17.000 Euro beziffert - wer
soll die jetzt tragen? Dazu kommt, dass fuer unbedingt notwendige
Erhaltungsarbeiten mindestens (geschaetzt) 300.000 Euro eingesetzt werden
muessten. Wenn notwendige Erhaltungsarbeiten von Amts wegen erzwungen worden
waeren (z.B. behoerdliche Bauauftraege), dann waere die KPOe in den
endgueltigen Konkursgetrieben worden.

Jetzt argumentieren viele, na gut die KPOe haette den Leuten das Haus ja
schenken koennen. Selbst wenn, wer haette dann die Verantwortung und damit
die ins Unendliche anwachsende Kosten uebernommen?

Jetzt hat die KPOe also - fuer mich ueberraschend - doch einen Kaeufer
gefunden. Unabhaengig davon, wer da tatsaechlich dahinter steckt, was hat
sich an der Situation fuer die MieterInnen geaendert? Wenn sie einen Vertrag
haben, dann uebernimmt der Kaeufer daraus saemtliche Pflichten und Rechte.
Sind es Prekarien, wovon ich ausgehe, dann wird der Kaeufer die Vertraege so
schnell wie moeglich zu loesen versuchen. Laut letzter Meldung von Seiten
der KPOe wurde hier die vorlaeufige Loesung gefunden, dass es Mietzusagen
bis zum 30. Juni 2005 gibt.
Und jetzt stehe ich mit den inner- und ausserparteilichen (kuenstlichen?)
meist moralisierenden Aufgeregtheiten ein wenig an. Es steht den MieterInnen
frei, jetzt erst recht und eigentlich den politischen Kampf um ihre Projekte
und das Haus zu fuehren. Und erst ueber den jetzt beginnenden Kampf zum
Erhalt des Hauses, der Projekte und der Einhaltung der Mietvertraege koennte
eine so breite Solidaritaetsfront aufgebaut werden, dass die sich bisher
vornehm zurueckhaltende Wiener Politik, vornehmlich die SPOe, sich wird
einschalten muessen.

Vielleicht sollte man ein bisschen ueber den eigenen Tellerrand
hinausschauen: das Haus ist nicht zu erhalten, es ist absolut
heruntergewirtschaftet und ohne Millionen-Investitionen war schon vorher und
ist erst recht jetzt nichts mehr daraus zu machen. Die Option, dass das Haus
langfristig abgerissen werden soll, um einem eintraeglicherem Mietobjekt
Platz zu machen, ist auf Grund des Standortes und der voelligen
Unbrauchbarkeit des Gebaeudes als zu verwertendes Mietobjekt sicherlich
nicht von der Hand zu weisen. Vielleicht ist auch der jetzige Kaeufer nur
ein Strohmann, aber das kann und muss der KPOe wohl voellig egal sein.

Die Forderung nach Ruecknahme des Verkaufs:
Da muesste man den Kaufvertrag erst kennen und da muss man der KPOe schon
zugestehen, dass sie diesen juristisch einwandfrei gemacht hat. Ich gehe
sogar von einer Ausstiegsklausel aus, wenn sich Teile eines solchen Vertrags
nicht erfuellen lassen. Und dann, was weiter? Die materielle Situation
bleibt dieselbe. Eine Moeglichkeit gaebe es schon: wenn alle diejenigen, die
sich zur Zeit so aufgeregt positionieren, sich solidarisch erklaeren und
bereit waeren, das Haus zu kaufen bzw. die Kosten fuer den Erhalt zu
uebernehmen. Dann muesste man nur eine juristisch tragbare Konstruktion
dafuer finden. Aber der KPOe nach wie vor den finanziellen Klotz allein
zuzuschustern, ist ein wenig einfach.

Der einzig wirklich politische Adressat der jetzigen Krise ist die Gemeinde
Wien. Damit wuerde man sich allerdings in Abhaengigkeit von einer
politischen Linie begeben, die restriktiver ist als die bisherige. Die
andere - wie es bisher ausschaut - unrealistischere Alternative ist die
Solidaritaet der Tat und nicht wie bisher nur der Worte. Und die heisst:
Diversifikation der materiellen Grundlagen durch regelmaessige Spenden,
Uebernahme von materiellen Patenschaften, Vereinsstrukturen mit Mitglied-
und Spendenbeitraegen. Allerdings stellt sich auch dann die Frage, wer die
materielle, politische und vor allem rechtliche Verantwortung uebernimmt.
Dieses derzeitige diffuse Geschwaetz und das Anpinkeln der KPOe zeugt von
einer politischen Unkultur, die nur auf dem Hintergrund eines Jahrzehnte
lang eingeuebten paternalistischen Subventionsdenkens verstaendlich ist.
Nach wie vor haben die Besetzer meine volle Solidaritaet, aber ohne die
Bereitschaft, gegen den eigentlichen Gegner, die kapitalistische
Gesellschaftsordnung kaempfen zu wollen, wird das Problem nicht langfristig
geloest.

Ich bin sicherlich nicht damit einverstanden, wie von der Fuehrung der KPOe
vor allem auch parteiintern dieses Problem angegangen wurde. Es haetten sich
sicherlich eine Menge Reibungsverluste und auch verstaendliches Misstrauen
in die Problemloesungskompetenz der Parteifuehrung vermeiden lassen, wenn
hier die ohnehin vorhandenen Strukturen von Anfang an mit einbezogen worden
waeren.
*Josef Iraschko, MieterInnenSelbsthilfezentrum*

*

Lieber Josef, auf Deinen Brief gaebe es viel zu entgegnen, aber zumindest
eines muessen wir sofort feststellen:. Wir halten die Behauptung, dass
EKHler die umliegende Bevoelkerung "bewusst terrorisiert" haetten, um
Polizeieinsaetze zu provozieren, fuer unfair und unwahr.
*Die Redaktion*


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