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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. Oktober 2004; 17:34
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Kommentar der Anderen:
Pensionen in Europa: Arbeiten bis 70?
Im Auftrag der britischen Regierung wurde ein Bericht zur Lage und zur
voraussichtlichen Entwicklung des Pensionssytems erstellt. Unter
Beibehaltung der momentanen Sozialpolitik sind folgende Alternativen
unausweichlich: Entweder sinken die britischen Renten bis 2035 um
30 Prozent, oder es muss bis zum 70 Lebensjahr gearbeitet werden,
oder die Menschen sparen pro Jahr zusaetzlich 57 Milliarden Pfund Sterling.
In Grossbritannien besteht das Rentensystem aus einer niedrigen staatlichen
Grundpension plus einem Betriebsrentensystem. Die viel zu optimistischen
Prognosen der Entwicklung der Aktienmaerkte werden nun von der Wirklichkeit
zurechtgestutzt. Je nach Schaetzung 60.000 bis 100.000 Arbeitnehmer wurden
durch Firmenzusammenbrueche ihrer Firmenpensionsansprueche beraubt. Knapp 40
Prozent der Erwerbstaetigen sind nur unzureichend in der Lage fuer ihren
Lebensabend vorzusorgen. Unhaltbare Versprechungen von Pensionsspezialisten
wie Equitable Life haben die Bereitschaft zum Kauf solcher Produkte
einbrechen lassen.
Die Praxis hat wieder einmal gezeigt, dass ein Umlageverfahren die sicherste
Art der Pensionsvorsorge ist. Trotzdem fordern nun in Oesterreich Vertreter
von privaten Pensionskassen eine gesetzliche Verpflichtung zur privaten
Pensionsvorsorge. Sie lassen sich auch von der Einschaetzung des
Internationalen Waehrungsfond nicht eines Besseren belehren: wenn zur
Sicherung des Lebensabends massenhaft Aktien durch Pensionsfonds verkauft
werden muessen, wird das Ueberangebot die Aktienpreise druecken und auch die
damit verbundenen Privatpensionen.
Pensionsexperten rechnen bei uns in fuenf bis zehn Jahren mit einer weiteren
Verschlechterung der Pensionen, denn die jetzige Harmonisierung sei zu sehr
verwaessert. Der oesterreichische Weltbankdirektor Holzmann haelt eine um 10
Jahre laengere Arbeitszeit fuer erforderlich. Der sorgfaeltig abgestimmte
Chor des Katastrophengesanges hat System. Die Neoliberalen und die von ihnen
beherrschten Institutionen- von der Weltbank bis zu den Gremien der EU-
treten offen fuer europaweite Pensionskuerzungen ein. Ihr Hauptargument: das
zunehmende Lebensalter und der Mangel an Beitragszahlern erzwinge diese
objektiv.
Das ist wahrhaft neoliberal gedacht. Die Frage der Pensionen wird als
Problem der Betroffenen gesehen. Damit wird die Tatsache zum Verschwinden
gebracht, dass Pensionen ein Bestandteil der Verteilung des
volkswirtschaftlich erarbeiteten Reichtums(also des Bruttoinlandproduktes)
sind. Wenn der Anteil der Loehne am gesamten Volkseinkommen sinkt, der
Anteil von Gewinnen und Vermoegen steigt, wenn der Sozialstaat auf Grund
seiner Finanzknappheit seine Zuschuesse senkt, dann sind die Pensionen in
Gefahr. Aber nicht das steigende Lebensalter ist die Ursache, sondern die
Umverteilung des Volksvermoegens von unten nach oben. Anders gesagt: der
angewandte Neoliberalismus bewirkt die Tendenz die er beklagt! Das
Herbeireden der Katastrophe soll die Bevoelkerung zweifach einschuechtern:
Erstens werden Kuerzungen leichter durchgesetzt(es haette noch schlimmer
kommen koennen), zweitens werden weitere Verschlechterungen als natuerliche
Entwicklung eingehaemmert. Natuerlich ist das aber nur unter der
Vorherrschaft des Neoliberalismus: zwischen 2000 und 2005 wird die
Lohnsteuer um 18 Prozent steigen, die Steuern aus Kapitalertraegen nur um 5
Prozent und die Unternehmen werden um 5 Prozent weniger zahlen.
Die Einfuehrung der Wertschoepfungsabgabe als progressive Gewinnsteuer ist
daher eine natuerliche Reaktion. Bei steigendem Bruttoinlandsprodukt wird
sie dem sozialen Staat die notwendigen Finanzmittel fuer die Zuschuesse bei
den Pensionen liefern. Die Gerechtigkeit zeigt sich in der Volkswirtschaft
in der Form der Umverteilung.
*Hans Kohlmaier*
Quelle: http://www.steuerini.at/wochenkommentar.htm
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