**********************************************************
akin-Pressedienst.
Elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch
mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein.
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten.
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen.
Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright
als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
**********************************************************
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. Oktober 2004; 17:49
**********************************************************

Briefe aus Palaestina(I):

> Nur gemuetlich leben wollen

Robert Reischer ist bei der Olivenernte in Palaestina

Bei der Ankunft am Ben Gurion Airport bei Tel Aviv wurde ich weder befragt
noch kontrolliert. Ich zeigte meinen Reisepass, bekam mein Touristenvisum
fuer 3 Monate und ging am leeren Pult der Zollwache vorbei zum Taxi. Der
Taxifahrer erzaehlt, dass in etlichen Doerfern und kleinen Staedten alle
gemischt leben ohne das es irgendwelche speziellen Probleme gibt. Er
versteht auch gar nicht mehr, worum es im Streit zwischen Israel und
Palaestina geht.

In Israel ist vieles anders. Nicht nur dass die Computersymbole von rechts
nach links laufen, auch die Sprachregelungen verlangen Vorsicht. Es gibt
hier neben den Israelis auch israelische Juden, glaeubige Juden, unglaeubige
Juden, israelische Araber, Moslems und Palaestinenser. Die meisten sind ganz
normale Menschen, die gemuetlich leben und ihre Kinder grossziehen wollen.
Auch die Palaestinenser sagen, dass das einzige Problem die Okkupation der
besetzten Gebiete ist. Und die geht von der Armee und der Regierung aus,
nicht von den Menschen.

Die Mitglieder unserer Gruppe kommen aus Indien, Italien, den Niederlanden,
England, Deutschland, Japan und den USA. Einige mussten sich komplett
ausziehen, andere mussten ihre Koffer total aus- und wieder einpacken, die
meisten hatten eine Befragung von 30 bis 40 Minuten, was sie hier tun
werden, warum sie hierher kommen, ob sie Verwandte oder Bekannte hier haben
usw. Alle bekamen letztlich ihr 3-Monats-Visum - den Gazastreifen
ausgenommen.

In der ersten Woche wurden wir ueber die Verhaeltnisse und die historische
Entwicklung des Konflikts informiert. Wir besuchten zuerst ein Forum von
Friedensaktivisten, wo wir auch mit Uri Avnery -- dem "Vater der
israelischen Menschenrechtsbewegung" -- sprechen konnten. Er sagte sehr
klar, dass es fuer viele gute Gruende gibt, welche fuer die Existenz des
Staates Israel sprechen, aber es gibt keinen einzigen, der die Vertreibung
der Palaestinenser rechtfertigt. Frau Amira Hass, juedische Professorin an
der Universitaet von Haifa beschuldigte die Regierung Israels der
Verletzungen von Menschenrechten.

Am schlimmsten sind aber die Siedler, die zwar illegal dort sind, aber von
der Regierung unterstuetzt und von der Armee beschuetzt werden. Sie
drangsalieren die palaestinensischen Bauern, um ihnen das Leben so schwer
wie moeglich zu machen. Manchmal attackieren sie sogar die Schulkinder,
deshalb werden diese von internationalen Friedensaktivisten begleitet, um
ihnen zumindest den Schutz der Beobachter zu geben. Am Samstag, den 9.10.
wurden auf der Strasse von Tuba nach Tuwani im Distrikt Hebron einige der
AktivistInnen - Diana Zimmermann und Diane Janzen von CPT (Christian Peace
Team) sowie Donatella Rovera und Maartje Houbrechts von Amnesty
International von acht maskierten Siedlern mit Holzstoecken derart
verpruegelt, dass eine der Frauen mit gebrochenem Arm ins Krankenhaus
gebracht werden musste.

Die Armee zerstoert oder blockiert Strassen willkuerlich oder sie werden
fuer gesperrt erklaert, sodass die Bewohner ihr Dorf zwar verlassen koennen,
aber manchmal nicht wissen, wann sie wieder zurueck kommen koennen.

Die Passierscheine werden nur spaerlich ausgegeben und niemand weiss genau,
wann sie ausgegeben werden. Manchmal bekommen die kleinen Kinder
Durchgangserlaubnis, aber ihre Eltern muessen dort bleiben, oft koennen
Kinder und Lehrer nicht zur Schule gehen, weil die Strasse einfach
abgesperrt ist.

Israel errichtet nicht nur die Mauer entlang der Grenze, meistens deutlich
auf palaestinensischem Boden, sondern auch elektronisch ueberwachte Zaeune
und meterhohe Mauern innerhalb Palaestinas, sodass es fast unmoeglich ist,
sich zwischen den Doerfern zu bewegen.

Betlehem wird durch eine bis zu 9m hohe Mauer und eine Strasse, auf der nur
die Armee fahren darf, praktisch in vier Teile geteilt. Die BewohnerInnen
benoetigen einen Passierschein, wenn sie innerhalb der Stadt in ein anderes
Viertel gehen wollen. In Tulkarem mussten wir beim Checkpoint aus dem Bus
aussteigen, ueber die Betonbloecke und Barrieren klettern und hinter der
Sperre in einen anderen Bus einsteigen. Fotografieren verboten.

Morgen beginnt die eigentliche Erntearbeit und ich hoffe, dass wir ohne
Zwischenfaelle und Drohungen arbeiten koennen. Erst am Samstag habe ich
wieder Zugang zum Internet und kann den naechsten Zwischenbericht schicken.

Fortsetzung folgt



*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero@gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin