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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. Oktober 2004; 17:59
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Debatte/Kommunismus:
> Richtig ruehrend
Zu akin 23/04: Boxen fuer Lenin?
Angesichts der Realitaeten in der Welt ist es ja richtig ruehrend, Berichte
ueber solche Wickel innerhalb der KPOe zu lesen. "Angesichts des
moerderischen Drucks in der Arbeitswelt ... und der Verarmung immer
breiterer Schichten muss die KPOe eine Partei sein, die sich mit den
Interessen der sozial Benachteiligten verbindet".
Gut so! Wie schoen! Ja richtig! Nur -- wo faengt man damit an? In
kommunistischen Laendern vielleicht? Die kommunistischen Parteien hatten
jetzt mehr als 80 Jahre Zeit, um zu beweisen, dass sie in der Lage sind,
jene Gesellschaft von Freiheit und Gerechtigkeit zu schaffen, die sie uns
versprochen haben. Die Realitaet hat uns aber bis jetzt eine Bandbreite an
Regimes beschert, die so ungefaehr von der Brutalitaet der Roten Khmer in
Kambodscha (ein Viertel der Bevoelkerung innerhalb weniger Jahre
ausgerottet) reicht bis hin zu Kuba, wo kuerzlich viele Intellektuelle
empfindlich hohe Haftstrafen eingefangen haben oder Schriftsteller wie
Reinaldo Arenas wegen ihrer Homosexualitaet eingesperrt und gefoltert
wurden.
Wenn in Oesterreich die KPOe die absolute Mehrheit haette, nach welchem
System wuerde dann hier Politik gemacht? Wuerde Oesterreich wie China
werden?
Waehrend in der boesen EU die Bauern staatliche Subventionen bekommen,
muessen sie in China einen ganz schoenen Anteil ihres Einkommens an den
Staat abliefern. Das macht dann so einen klitzekleinen Unterschied zwischen
den beiden Systemen aus: In China hungern und verhungern die Bauern zu
Zigtausenden. Und in der EU gibt es die Ueberproduktion und die Bevoelkerung
wird immer dicker. Wenn die KPOe also etwas gegen die "Verarmung immer
breiterer Schichten" unternehmen will, dann empfehle ich die sofortige Reise
nach China und tatkraeftige Unterstuetzung der vielen Bauernaufstaende gegen
Verarmung und Korruption! (siehe "Die Zeit" vom 7.10.04: "Maos vergessene
Kinder" und "Zwischen Willkuer und Mitleid")
Vielleicht wuerde Oesterreich aber wie Nordkorea werden! Das waere ganz
schlimm, denn Nordkorea ist eins der alleraermsten Laender! Die
"arte-reportage" vom 13.10.04 zeigte ein Stueck Realitaet: Real
existierender Sozialismus im Jahr 2004. Ein Regime, das die gleichen Saetze
nachbetet, seit 30 Jahren.
Immer wieder sind Parteitage dort nichts anderes als pompoese
Selbstinszenierungen, die ein Vermoegen kosten. Wer bezahlt dafuer? Es ist
schrecklich, aber dort holt sich die Partei rund 50.000 Kinder, die alle das
gleiche machen, fuer wunderschoene Fernsehbilder, fuer den Pomp und das
Ansehen einer kommunistischen Partei. Ein Land, in dem sich kein Auslaender
und kein Journalist ungefragt und unkontrolliert irgendwelchen Kindern
naehern darf.
"Wer in Nordkorea die Wahrheit sagt, gilt als Reaktionaer. Wer luegt, gilt
als vorbildlicher Parteigenosse", sagt eine gefluechtete Nordkoreanerin.
"Sie wollen aus den Menschen Roboter machen!"
Der Bevoelkerung ist jeder Kontakt mit Auslaendern strengstens verboten. Ein
Journalist steht dort unter staendiger Kontrolle eines Politkommisars.
Waehrend die Bevoelkerung auf dem Land bettelarm ist und hungert, sind die 2
Millionen Einwohner der Hauptstadt Pjoenjang richtig "Privilegierte" und
besser gekleidet. Die Menschen wohnen komfortabler, denn sie haben sich "in
der Partei verdient gemacht".
Doch die Wirtschaft funktioniert auch dort nicht (Warum wohl? Weil sie den
Neoliberalismus bis jetzt verhindert haben?) und es gibt lange
Warteschlangen an Bushaltestellen, weil es einen Mangel an Bussen und Benzin
gibt.
"Der Personenkult hat solche Ausmasse, dass die Menschen ihn wie einen Gott
verehren", sagt ein Nordkoreaner. Taeglich huldigen Hunderttausende Kim Il
Sung. Die Wirtschaft ist deshalb runiert, weil Kim Il Sung genauso wie
Stalin oder Mao auf die Schwerindustrie setzte.
"Wer nach persoenlichen Erfolg strebt, wird hart bestraft". Individualismus
verboten. Eigeninitiative verboten. Dagegen perfekt gedrillte Kinder in der
Schule, die Zaehne schwarz vom Kalziummangel. "Die meisten Wohnungen in
Pjoenjang haben im Winter keine Heizung. Strom gibt es morgens eine Stunde
fuers Kochen und abends, damit wir die Nachrichten hoeren koennen." Im
Krankenhaus bekommt der Journalist nur zwei Patienten zu sehen. Das
Kaschieren der Realitaet ist in Nordkorea ein Grundgesetz der Politik.
Wie sieht die Versorgung aus? Es gibt zwar Lebensmittelgutscheine, aber nur
selten Lebensmittel und die Leute muessen sich oft tagelang anstellen und
mit ihren Familienmitgliedern abwechseln, damit sie den Platz in der
Schlange nicht verlieren. Wie funktioniert die Wirtschaft? Eine Kapelle z.B.
spielt den ganzen Tag auf einer Baustelle um die Arbeiter zu animieren. "Die
Hungersnot hat ein gewaltiges Ausmass erreicht, Kinder sammeln Abfall von
der Strasse, bestehen nur aus Haut und Knochen. Die, die etwas zu essen
haben, haben auch Mangelerscheinungen."
"Ich werde zu einem Imbiss eingeladen: ein paar Kartoffeln, Sojasauce und
Knoblauch, hier ist das ein reiches Mahl. Unsere Gastgeber essen nicht mit
uns, im Namen der nationalen Solidaritaet duerfen sie nicht mehr als zwei
Mahlzeiten pro Tag essen, so will es die Partei." Offiziell heisst es, dass
es 250.000 Hungertote gibt, wahrscheinlich sind es fuenfmal so viele.
Das Rechtssystem? Es gibt Konzentrationslager, die offiziell
"Umerziehungslager" heissen. Es soll fast 200 solcher Lager geben mit
hundert- bis hundertfuenfzigtausend Gefangenen. "Eines Tages wurden bei
einem Mitgefangenen Fetzen einer Zeitung gefunden, das gilt als
Ehrverletzung. Er wurde mit einem Spaten brutal zusammengeschlagen und auf
einem Baum angebunden und war zwei Tage spaeter tot."
"Ich war viermal bei oeffentlichen Hinrichtungen dabei. Da gab es keinen
Prozess. Wenn der Gefangene auf dem Platz ankommt, weiss er meistens noch
gar nicht, dass er hingerichtet wird. Dann bemerkt er die Menge, beginnt zu
zittern und sich zu wehren."
Ich wuerde sagen, uns hier in Oesterreich geht es doch viel viel besser und
ich empfehle der KPOe dringend, sich um die Ausbeutung und soziale
Benachteiligung in Staaten wie dem kommunistischen China und in Nordkorea zu
kuemmern.
*Thomas Herzel*
***
> Lieber Thomas!
Zu Vorstehendem
Bitte schau genauer hin! Denn wenn Du die Zustaende in China und Nordkorea
kritisierst, hast Du sicher recht. Aber was hat das mit der KPOe zu tun?
Selbst in ihren autoritaersten Zeiten war die KPOe nicht maoistisch. Schon
deswegen nicht, weil es die KPdSU nicht war.
Und heute ist China weder maoistisch noch kommunistisch -- nach welcher
Definition auch immer. Es herrscht eine Staatspartei, die sich selbst
kommunistisch nennt und immer noch Mao als Ikone verwendet, andererseits ist
China eben der WTO beigetreten und gilt als Hoffnungsmarkt fuer genau jene
Konzerne, die von antikapitalistischen Bewegungen -- und damit eben auch der
KPOe -- angegriffen werden. Das heutige politische System kombiniert das
autoritaere Herrschen der frueheren Jahre mit aktuellen kapitalistischen
Wirtschaftsideen -- Kommandokapitalismus waere wohl eher die richtige
Bezeichnung fuer dieses Regime.
Dafuer, dass sich die chinesische Herrschaftsclique trotzdem immer noch
genauso kommunistisch nennt wie das die KPOe tut, dafuer kann letztere ja
wohl nichts.
*Bernhard Redl*
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