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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. Oktober 2004; 18:12
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Glosse:

> Ein Kind von Traurigkeit

Fuer Wolfi hat sein trauriges Leben schon als Kind begonnen. Gegen seinen
Willen wurde er andauernd in kalte Kirchen geschleppt und musste sich die
ganze Schulzeit als froemmelnder Streber beschimpfen lassen. Nun kann dies
schon mal passieren, aber Wolfi hatte schon als Pubertierender die
unliebsame Eigenschaft, andere staendig nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.
Er werde traurig sein, wenn dies und jenes von ihm Verlangte nicht passieren
werde, war von ihm zu hoeren, und zwar sehr traurig. Worauf dann meist das
Gewuenschte schnell nur deshalb erfolgte, um Wolfi nicht so traurig zu
sehen. Ein bisschen tief empfundene Traurigkeit ging sich aber jedesmal
zwischen Wunsch und eiliger Erfuellung doch aus - und das sollte auch sein
kuenftiges Leben bestimmen.

Wolfi hatte laengst maturiert, verbrachte den Beginn seiner Karriere in der
Wirtschaft, sah sich aber andauerend zu immer Hoeherem berufen. Natuerlich
machte ihn das traurig - so liess er sich in der OeVP einschreiben, was sich
guenstig traf, da er selbst ein Konservativer war und manche Kirchen sogar
schon geheizt wurden. In der Partei wurde sein Traurig-sein so
interpretiert, dass Wolfi eben besonders wortkarg sei, sonst aber lasterfrei
und auf Linie. Letzeres sollte ihm schliesslich den Job des Bundeskanzlers e
inbringen Doch Wolfi war trotzdem traurig. Nicht gerade deshalb, weil er mit
einer - dem Vernehmen nach -- rechtsextremen Partei koalieren musste,
sondern weil ihn nicht alle liebten. Jetzt, wo er doch an der Spitze stand,
gab es im In- und Ausland Proteste, unappetitliche Berichte bis zu
Sanktionen der von ihm hoch verehrten EU. Wolfi verstand die Welt nicht mehr
und war natuerlich - wie vermutet - tief traurig.

Soviel Undank verdient Bestrafung. So musste Wolfi tief traurig
ununterbrochen Gesetze befuerworten und einleiten, eines nach dem anderen,
um so die aufbegehrende Bevoelkerung zur Raeson zu bringen. Auf die UNIs und
Schulen prasselten drastische Sparmassnahmen, waehrend den Aelteren
permanent mit graesslichen, aber undurchschaubaren Pensionsreformen gedroht
wurde. Der traurige Wolfi war in seinem Element und entstaatlichte oder
zerschlug alles, was sich ihm darbot. Da jedoch das Volk ihm aufgrund seiner
Kraftakte die noetige Liebe immer mehr verweigerte, wurde er zusehends
unkontrollierter. Man muss es sagen, Wolfis Zustand kam der Schizophrenie
ziemlich nahe. Die Bestrafung der Abtruennigen und die Sucht nach
Anerkennung bahnten sich bei seinen Aussagen gleichermassen ihre Wege. Und
so kam es schliesslich, wie es kommen musste: Wolfi war samt seinem Kabinett
stets fuer scharfe Massnahmen gegenueber Fluechtlingen eingetreten,
offenbarte aber jetzt spontan, es wuerde ihn tief traurig machen, wuerden
diese keine Herberge in Oesterreich finden.

Gegen Wolfis Leiden hilft wohl nur mehr eine Gebetsliga.
*Fritz Pletzl*



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