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Aussendungszeitpunkt: Montag, 5.Oktober 2004; 18:00
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Wien/Energie/Kommentar:

> Erhoehung der Energiepreise

oder wie wir verarscht werden

Um uns als VerbraucherInnen von Benzin, Heizoel, Gas und Strom die kommenden
exorbitanten Preiserhoehungen durch die Konzerne und die Kommunen als leider
unausweichlich darzustellen, werden wir tagtaeglich durch die Medien
verarscht wie noch nie. Da meldet beispielsweise der Kurier am 30. September
2004, dass der OElpreis nach Bekanntgabe der hohen Lagerbestaende in den USA
wieder etwas nachgegeben hat. Wochenlang wurden wir auf die Preiserhoehungen
vorbereitet: einmal war's irgendein Taifun, dann ist es wieder der
Irak-Krieg, obwohl dessen OEl ueber 10 Jahre lang gar nicht exportiert
werden konnte, oder die Quersubventionierung des zu teuren OEkostroms und
vor allem die niederen Lagerbestaende in den USA. Dass diese angeblich so
niederen Bestaende ja mit Kapitalismus und Spekulation zu tun haben, das
scheint durch die Medienberichte hin und wieder durch, aber quasi als
Entschuldigung fuer Auswuechse, die man halt fuer unser System von Freiheit,
Demokratie und Liberalismus hinnehmen muss.

Am 1. Oktober 2004 bietet die OEsterreichische Volksbanken AG ein neues
Produkt in der Asset-Klasse Rohstoffe an, den Rohoel Bonus Performer.
Gelockt wird mit einem Bonus von 60% (?) bis April 2008. Begruendet wird
diese rosige Finanzzukunft mit, man hoere und staune: die geringen
Lagerbestaende in den Vereinigten Staaten. Fuer die einschlaegige Klientel
ist die Botschaft eindeutig: niedrige Lagerbestaende fuehren bei
entsprechender Nachfrage auch zu hoeheren Preisen. Also nur einen Tag nach
der Meldung im Kurier wird bei denjenigen, die durch Spekulationen an der
Boerse um ihr Geld gebracht werden sollen (mein Mitleid fuer diese Leute ist
relativ gering) das genaue Gegenteil erzaehlt.

Im Kurier wird immerhin zugegeben, dass es offenbar "ausufernde"
Spekulationen auf dem OElmarkt gibt. Also Spekulation schon, aber bitte
nicht ausufernd! WirtschaftsbeobachterInnen ist es laengst bekannt, dass
ueber 25% des OElpreises auf Spekulationen zurueckzufuehren sind, also auf
virtuelle Ware. So werden ueber sogenannte Futures riesige OElmengen zum
Tagespreis aufgekauft, die erst sagen wir einmal in einem halben Jahr
bezogen werden. Ist der OElpreis in diesem halben Jahr angestiegen, dann hat
der Spekulant entsprechende Gewinne beim Verkauf des OEls gemacht. Man kann
sich vorstellen, welche Tricks sich diese Spekulanten einfallen lassen um zu
garantieren, dass der Preis tatsaechlich entsprechend ansteigt. So wird
beispielsweise auf der Londoner Boerse taeglich mit 140 Millionen Fass und
an der New Yorker Boerse mit 370 Millionen Fass gehandelt, die tatsaechliche
Foerderung betraegt aber nur knapp 82 Millionen Fass. Welche Summen hier hin
und her geschoben werden, laesst sich an dieser Differenz erahnen. Diese
Milliarden und Abermilliarden von Dollars koennen in unserem System alles
bewirken, jede/n Politiker/in kaufen, jeden Markt runieren und vor allem uns
als Letztverbraucher in die Armut treiben.

Das Absurde dabei ist, dass unsere Unternehmen immer klagen, dass die
Lohnnebenkosten zu hoch sind, dass die Infrastrukturkosten nicht von ihnen
getragen werden koennen, dass Investitionen nur dann einen Sinn ergeben,
wenn sie steuerlich beruecksichtigt werden, bzw. steuerlich gegenverrechnet
werden koennen. Und um diesen armen Menschen zu helfen setzt man
beispielsweise auch eilfertig die Koerperschaftssteuer ab 2005 von 34% auf
25% herab.
Unsere reichen Menschen haben es aber auch wirklich nicht leicht. Da tragen
sie die von uns abgepressten Gewinne statt sie in den Betrieben zu
reinvestieren an die Boerse, veranlagen beispielsweise in OElaktien,
spekulieren auf hohe bis hoechste OElpreise und dann muessen sie deswegen
fuer ihre Betriebe hoehere Energiekosten bezahlen. Aber Gott sei Dank gibt
es ja noch eine wirtschaftliche Gerechtigkeit. Mit der Liberalisierung des
Strom- und Gasmarktes wurden die Preise fuer die Vielverbraucher
(Gewerbekunden) - wegen der angeblichen Konkurrenz - um bis zu 40% gesenkt
(zwischen 1998 und 2001). Da die Erzeugungskosten fuer Energie kaum gesunken
sind, kann man sich leicht vorstellen, auf wen diese Senkung fuer die
Gewerbekunden ueberwaelzt wurden: auf uns Endverbraucher. So soll z.B.
demnaechst auch der reine Energieverbrauchspreis fuer die Privatkunden um
0,9 Cent/kWh erhoeht werden, fuer die Gewerbekunden jedoch nur um 0,5 Cent.

Und die Politik, z.B. in Wien?

Um von der eigentlichen Ursache der Erhoehung der Energiepreise fuer die
Haushalte, der Ausgliederung und damit der faktischen Privatisierung von
Wiengas und Wienstrom abzulenken, geraet die Verarschung zu einer
Schmierenkomoedie (siehe dazu auch die Rathauskorrespondenz vom 23.September
2004). Die EndverbraucherInnen sollen ja nicht in der neoliberalen Politik
der Privatisierung der staedtischen Versorgungsbetriebe das Grunduebel
sehen, sie wuerden dann naemlich sehr rasch erkennen, dass die
PolitikerInnen sie an der Nase herumfuehren, sondern man gibt dem leider
unkontrollierbaren weltweiten Energiemarkt die Schuld.

Solange die Wiener Stadtwerke dem Gemeinderat untergeordnet waren, wurde
jede Preiserhoehung zum Politikum, d.h. sie wurde aeuszerst sensibel und
sozialpartnerschaftlich angegangen. Auch damals gab es Schwankungen am
weltweiten Energiemarkt. Nur musste man eben aus politischer Verantwortung
und Opportunitaet heraus Marktschwankungen ueber Zugriff auf den
Finanzhaushalt abfangen. Dass da ueber eine solche Politik eventuell dann
Subventionen gegenueber Unternehmen gekuerzt werden mussten oder
Infrastrukturprojekte zu Gunsten von Unternehmensansiedlungen hintan
gestellt wurden, war eben Teil der sozialpolitischen Verantwortung. Diese
Ruecksichtnahme ist heute nicht mehr noetig.

Am 17.12.1998 fasste der Gemeinderat mit Unterstuetzung und unter groszem
Jubel saemtlicher Parteien auszer den Gruenen den Beschluss der Umwandlung
der Wiener Stadtwerke in eine augegliederte Stadtwerke AG. Damit hatte die
Wiener Politik die Kontrolle ueber die Wiener Stadtwerke trotz 100%iger
Eigentuemerschaft sehr bewusst abgegeben. Die damals anstehende
Strommarktliberalisierung sollte, wie ja immer behauptet wird, eine
wesentliche Verbilligung der Preis bringen. 6 Jahre danach hat sich alles
als Luege erwiesen, die damaligen Warnungen linker Kreise erweisen sich
heute mehr als berechtigt.

Trotz dieser eindeutigen Sachlage behauptet Stadtrat Rieder dieser Tage:
"Gerade unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit wenden wir uns gegen eine
Privatisierung der Energieversorgungsunternehmen...." Also ist eine
Aktiengesellschaft, wenn auch im 100%igem Eigentum der Stadt keine
Privatgesellschaft? Wer lukriert denn die hohen Vorstand- und
Aufsichtsratstantiemen? Flieszen die etwa in's Gemeindebudget zurueck,
eventuell zur Stuetzung der Energiepreise? In diesem Schmierenstueck duerfen
natuerlich die ewig Gestrigen von der FPOE nicht fehlen, deren neuer
Rechtsausleger Strache sich ganz im Tone von Haeuptling Haider einerseits
ueber die "Stromkartelle und Profiteure" lautstark und Wahlkampf
vorbereitend aufregt, um andererseits eine der wenigen "Segnungen der EU",
die Liberalisierung der Energiemaerkte, vehement zu begrueszen. Natuerlich
hat er mit den Stromkartellen durchaus Recht, aber was die FPOE in
Wirklichkeit stoert ist, dass sie an den groszen Profiten des Wiener
Energiemarktes nicht mitnaschen kann. Und um das Theater vollkommen zu
machen, wird der Schwarze Peter Strompreiserhoehung von Seiten der SPOE auf
den Bund geschoben, der mit der Erhoehung der Energieabgabe der eigentliche
Missetaeter zum Schaden der Wiener Bevoelkerung sei. Also wir Zuschauer
koennen's uns aussuchen: entweder die boese Liberalisierung oder der boese
Bund oder eben die SPOE in Wien.

Wie auch immer: ab 1.November 2004 gibt es eine Preiserhoehung von 7,5%, lt.
OEVP traegt die Wiener Stadtregierung als Eigentuemerin dafuer die volle
Verantwortung. Der Wiener Wirtschaft kostet diese Erhoeung angeblich 14
Millionen Euro im Jahr, von den Haushalten spricht auszer ihrem
populistischen Heranschmeiszen nur die FPOE. Wer die Wiener Politik kennt,
der weisz, dass die Unternehmen entschaedigt werden. Ich moechte sogar
behaupten, dass in der Preiserhoehung fuer die Haushalte diese
Entschaedigung bereits vorweggenommen ist. Was tut man nicht alles um den
Wirtschaftsstandort Wien nicht unattraktiv werden zu lassen.

Die einzige wirkliche Loesung dieser immer bedrohlich werdenden Entwicklung
auf dem Energiemarkt koennte doch eigentlich nur sein, diesen aus der
Finanzspekulation herauszuhalten, also saemtliche Energieprodukte dem
Boersengeschehen zu entziehen.
*Josef Iraschko*


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