**********************************************************
akin-Pressedienst.
Elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch
mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein.
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten.
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen.
Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright
als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
**********************************************************
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 21. September 2004; 18:03
**********************************************************

Glosse:

> Subsidiaritaet?

In Oesterreich ist so ziemlich alles gesellschaftspolitisch Relevante
Bundesangelegenheit -- die wenigen wirklich wichtigen Dinge - wie zB die
Bemessung der Sozialhilfe - sind nicht ohne Zufall meistens jene Dinge, fuer
die es keine schlagkraeftige Lobby gibt.

Man koennte jetzt meinen, dies sei demokratiepolitisch nicht in Ordnung, man
muesse doch gemaess dem Prinzip der Subsidiaritaet jene Aufgaben, die lokal
erfuellt werden koennten, doch auch den lokalen Verantwortlichen
uebertragen. Schon, aber zum einen: wer bestimmt, was lokal erfuellt werden
kann? Und zum anderen: Ist das wirklich so eine gute Idee?

Die Medienlandschaft in Oesterreich ist eine Katastrophe. Das braucht nicht
naeher belegt zu werden, dass Lamento ist evident und wohl auch berechtigt.
Fuer ein Volk von 8 Millionen ist der Medienmarkt halt ziemlich klein.
Sicher, in der vergleichbaren Schweiz sieht das anders aus, aber fuer ein
Volk, dass sich prinzipiell immer und ueberall in die Politik einmischen
will und auch kann, gelten wohl andere Massstaebe.

Aber fuer ein bisserl Qualitaetsberichterstattung geht es sich auf
Bundesebene doch noch aus -- Standard und Oe1 geben manchmal eine Ahnung
davon, was serioeser Journalismus sein kann.

Aber Lokalberichterstattung? Da sitzen die Lokalausgaben von Krone und
Konsorten, einige lokale Zeitungen mit kleinraeumigen Mutationen, die
kommerziellen und staatlichen Regionalradios, die Regionalschiene auf ORF2
und aehnlich Kritisches drauf. Wer sich je die Berichterstattung auf
wien.heute gegeben hat, weiss, was ich meine. Daneben gibt es noch die
leider etwas mit "Kulturberichterstattung"-verseuchten Printmedien wie den
"Falter" oder auch die nichtkommerziellen Lokalradios, wo einige wenige
infornative Teil-Redaktionen sich kaum gegen Musik- und Bloedelsendungen
durchsetzen koennen. Und das vielgepriesene Internet ist zwar
weltumspannend, aber fuer Lokales nur bedingt brauchbar, will man nicht pro
Tag ein paar Stunden Surfen zum Zwecke der Informationsaufnahme verbrauchen.

Und da kommt jetzt auf einmal der Wiener Buergermeister daher und meint, er
wolle die Wiener Polizei uebernehmen. Sehr originell und wohl nur zwecks
Effekt gesagt, aber was wuerde es wohl bedeuten, wollten wirklich die
Laender die Polizeiaufgaben uebernehmen? Einmal abgesehen von einer
radikalen Verfassungsaenderung, die die Debatten im derzeitigen Konvent wohl
sprengen wuerden, stellt sich die Frage, ob es unter diesen Bedingungen auch
weiterhin wenigstens eine minimale Kontrolle der sog. Vierten Gewalt, den
Medien, geben koennte.

Denn solange so ernsthaften Angelegenheiten wie die Polizei Bundespolitik
bleiben, ist wenigstens darauf der zustaendige Minister ansprechbar -- egal,
ob Polizisten sich in Vorarlberg oder Wien so aufgefuehrt haben, wie sich
Polizisten eben auffuehren, wenn sie im Stress sind und glauben, dass
niemand zusieht. Und wenn man einen Minister anspricht, kann man dazu
Parlamentsdebatten fuehren, die Staub aufwirbeln. Sicher, auch eine
Parlamentsdebatte wird wohl kaum was aendern am Verhalten an der
Beamtenherrschaft, aber zumindest ist es ein Thema in der Oeffentlichkeit.

Nun stelle man sich vor, diese Angelegenheiten waeren Sache der Landtage und
lediglich ein Innensenator haette diese Dinge "zu verantworten", dann ist zu
befuerchten, dass entweder gar nicht berichtet wuerde oder der zustaendige
Innensenator" mit watteweichen Fragen konfrontiert, wo er dann alle
"Missverstaendnisse erklaeren" duerfte.

Natuerlich: Vielleicht wuerde sich auch alles aendern, wenn die Laender und
Gemeinden mehr Kompetenzen haetten und dementsprechend mehr Interesse an
Lokalberichterstattung vorhanden sein sollte -- aber der Markt wuerde
dadurch nicht groesser. Und wenn man sich den Grossteil der
Bundesberichterstattung ansieht, wird es meine Hoffnung bezueglich
kritischer Lokalnachrichten auch nicht.
*Bernhard Redl*






*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero@gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin