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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. September 2004; 18:52
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Semantik/Debatte:

> Gestohlene Begriffe

Antwort auf den Leserbrief von Elisabeth Fritsch (akin 18/04, akin-pd
29.6.2004)


Elisabeth Fritsch erhebt die Anschuldigung, der ArbeiterInnenstandpunkt
wuerde durch die Verwendung des Begriffs "Quatschbude" einen Begriff
benuetzen, der ihres "Wissens (nach) von den Nazis verwendet wurde, um die
Demokratie zu diffamieren". Fast genauso schlimm ist, dass wir dadurch bei
ihr eine "allergische Reaktion" hervorgerufen haben.

Beide Aussagen rufen naturgemaess Bedauern bei uns hervor, wenn auch uns das
Verstaendnis fuer diese Interpretation fehlt.

Der Begriff "Quatschbude" fuer das buergerliche Parlament wurde unseres
Wissens nach erstmals von dem deutschen Linksradikalen Johann Most in einem
Artikel aus dem Jahre 1892 verwendet(1). Die Verwendung des Begriffs war und
ist gang und gebe sowohl unter radikalen Linken, GewerkschafterInnen als
auch in buergerlichen Kreisen(2). Kurz und gut, es zeugt von schlichter
Unwissenheit der Leserbriefschreiberin, wenn sie meint, der Begriff
"Quatschbude" sei ein begriffliches Monopol der Nazis.

In der Tat haben AUCH die Nazis diese Redewendung aufgegriffen, so wie sie
auch viele andere Begriffe, Lieder bzw. Liedmelodien usw. der
ArbeiterInnenbewegung gestohlen haben. Die Nazis verwendeten auch den linken
Begriff des "ausbeuterischen Kapitalismus". Nebenbei bemerkt sprach und
spricht sich die FPOe gegen ganz besondere Verschaerfungen bei der
Pensionsreform aus oder gegen eine Beteiligung von EU-Staaten an der
Besatzung des Iraks. Elisabeth Fritschs Methode ist es scheinbar, bei jedem
Standpunkt, den Rechte einnehmen, eine Gegenposition zu beziehen, die in
einem Gegensatz dazu von genau 180 Grad steht. Entwenden die Rechten der
Linken den Begriff Quatschbude, dann verwenden wir ihn nicht mehr; sprechen
die Rechten von Privilegien der Politiker, dann sollte das die Linke lieber
bleiben lassen. Wuerde die Linke so handeln, braeuchten sich die Rechten
keinen einfaeltigeren Gegner mehr zu wuenschen!

Nein, wir verwenden jene Begriffe und greifen jene Themen auf, die richtig
und wichtig sind. Wir lassen uns nicht von den Rechten spiegelverkehrt die
Themen und Begriffe vorgeben, um dann immer genau das Gegenteil davon zu
tun. Nach dem Motto: Sind die Rechten gegen das Parlament, schreiben wir
Lobeshymnen darauf. Verdammen sie rhetorisch den Kapitalismus oder den
Krieg, behaupten wir das Gegenteil.

Unsere Politik muss vielmehr sein, offen auszusprechen was Sache ist. Wir
leiten unsere Positionen aus den konkreten Kaempfen der Unterdrueckten und
Ausgebeuteten ab. Nicht aus den rhetorischen Erguessen der Rechten. Und auch
nicht aus den Allergien der Elisabeth Fritsch.

Zusammengefasst: der Begriff "Quatschbude" wurde und wird von Linken und
Leuten aus dem sogenannten "mainstream" verwendet. Dort wo er passend ist,
werden auch wir marxistische RevolutionaerInnen ihn verwenden.
*ArbeiterInnenstandpunkt*

*

1) siehe http://www.twokmi-kimali.de/texte/Johann_Most_Der_Stimmkasten.htm

2) Eine kleine Auswahl von links zu Artikel von linken, gewerkschaftlichen
oder buergerlichen websites, die ebenfalls den Begriff "Quatschbude"
verwenden:
http://www.sozialismus-von-unten.de/archiv/text/reformismus_antikapitalismus
_rees.htm
http://www.gpa.at/esreicht/presse/pr293.htm
http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/19.06.2004/1193662.asp
http://www.heise.de/newsticker/meldung/10454




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