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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 22. Juni 2004; 16:01
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ASF/Nachlese:
Vom 3. bis 6. Juni 2004 fand in Linz das Austrian Social Forum (ASF) unter
Beteiligung verschiedener Organisationen und Einzelpersonen statt. So
vielfaeltig wie die teilnehmenden Personen war auch die Einschaetzung der
Veranstaltung, daher bringen wir zwei (gekuerzte) unterschiedlich kritische
Beitraege zum ASF:
> Erfolgreiches Sozial Forum in Linz
Einen erfolgreichen Schritt fuer die sozialen Bewegungen in Oesterreich
stellt das ASF vom 3. bis 5. Juni in Linz dar. Dementsprechend
verstaendigten sich die TeilnehmerInnen am Plenum der Sozialen Bewegungen
darauf, die Vorbereitungen fuer ein drittes Sozial Forum im kommenden Jahr
zu beginnen.
Deutlicher als beim Sozial Forum in Hallein fiel die Beteiligung des OeGB,
zahlreicher Fachgewerkschaften und der Arbeiterkammern am Sozial Forum aus.
Zahlreiche Veranstaltungen waren dem Widerstand gegen die Privatisierungen
gewidmet, die Vertreter der Post-Bus-Gewerkschaft kuendigten Kampfaktionen
fuer den Herbst an. Die staerkere gewerkschaftliche Beteiligung praegte auch
die bei den Sozial Foren inzwischen zur Tradition gewordene Demonstration.
Hingewiesen wurde dabei unter anderem auf den skandaloesen Umstand, dass ein
Konzern wie die OMV nicht mehr als 10 Prozent seines Gewinnes an den Fiskus
abliefert. Diese unsoziale Qualitaet des Steuersystems werde durch die
schwarzblaue Steuerreform noch verstaerkt.
Die sehr stark auf die Sichtweisen von GewerkschafterInnen orientierte
Aktion wurde aber auch verschiedentlich im Sozialforum kritisch behandelt.
Sei es wirklich zweckmaessig, aus der Vielfalt der auf dem Sozial Forum
diskutierten Forderungen gerade die nach einer reformorientierten
Umverteilung herauszuheben, so eine der Fragen.
Auch diese Debatte verweist auf die Notwendigkeit, den Dialog zwischen den
verschiedenen Sektoren der Zivilgesellschaft, den neuen sozialen Bewegungen
und den Gewerkschaften, radikalen Linken und SozialdemokratInnen, autonomen
und organisierten Linken, einen weiteren Schritt voranzubringen. Dies gelang
in Linz auf verschiedene Weise. Knotenpunkte dieses Dialogs bildeten die von
OeGB-Strukturen mitgetragene Verschraenkungsforen, die sich mit dem
Spannungsverhaeltnis zwischen Gewerkschaften und MigrantInnen oder
traditioneller Vertretungspolitik und Interessen prekaer beschaeftigter
Personen auseinandersetzten. Die Bandbreite politischer Fragestellungen
reichte von einer Veranstaltung mit dem deutschen Sozialdemokraten Oskar
Lafontaine bis zum Verschraenkungsforum "Wie radikal soll unsere Bewegung
sein?", auf dem sich traditionelle und radikale Standpunkte trotz ihrer
Gegensaetzlichkeit produktiv auf einander beziehen liessen.
Dass das Zusammentreffen und das Zusammenbinden unterschiedlicher Kulturen
des Widerstandes gegen den Neoliberalismus ein schwieriger Prozess ist,
verdeutlichte die Erklaerung, die das feministische Forum in das
abschliessende Plenum der sozialen Bewegungen einbrachte: Vielzuwenig
bedacht wuerden laut dieser Erklaerung die Wirkungen kaptialistischer und
patriarchaler Herrschaftsstrukturen auf die Akteure des sozialen
Widerstandes selbst. Auch das Sozial Forum sei kein von Rassismus und
Sexismus freier Raum. Es muss noch viel "feministischer, migrantischer,
transparenter und solidarischer" werden, um dem Anspruch, an einer
moeglichen anderen Welt mitzubauen, gerecht werden zu koennen.
Kontrovers und gleichzeitig in Bewegung ist die Sicht auf die Aufgaben des
Sozial Forum selbst. Die Extrempunkte dieser Debatte werden durch zwei
Scihtweisen gebildet: einerseits wird das Sozial Forum als eine
Veranstaltung verstanden, die ausschliesslich der inhaltlichen
Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Teilen der Zivilgesellschaft
dienen kann; andererseits wird verlangt, dass das Sozial Forum selbst
politisch handlungsfaehig werden soll, das heisst Aktionen und Kampagnen
entwickelt. Bislang wird dieser Widerspruch so bearbeitet, dass am Rand des
Sozial Forums das Plenum der sozialen Bewegungen der Entwicklung von
Aktionen gewidmet ist. Dementsprechend ist ein Ergebnis ein Aktionskalender.
Die meisten Anwesenden unterstuetzten den Appell fuer eine gemeinsame
Demonstration am 26. September gegen die fortdauerende Besetzung des Irak
und die Unterdrueckung der PalaestinenserInnen in den besetzten Gebieten.
Die wichtigste Einigung des Plenums der sozialen Bewegungen am 6. Juni
bestand darin, im naechsten Jahr das dritte Sozial Forum durchzufuehren. Die
Vorbereitungen dazu beginnen im Herbst.
*Walter Baier*
Quelle: http://www.kpoe.at/bund/ASF-Linz/baier-komm.htm
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> Bewegung mit Aktionen oder Diskutierklub?
Das ASF war von umfangreichen Diskussionen in ueber 250 Arbeitskreisen und
Foren gepraegt. Unzaehlige Themen - von Krieg und Imperialismus,
neoliberalen Angriffen in der Arbeitswelt ueber Bildungsabbau bis zu
Frauenunterdrueckung und Rassismus - wurden diskutiert. Der nach aussen hin
sichtbare Hoehepunkt bildete eine Demonstration mit 700-1.000 Teilnehmer,
die durch Linz zog und bei Symbolen des Turbo-Kapitalismus wie
Konzernfilialen oder Casinos themenbezogene Zwischenkundgebungen abhielt.
Positiv ist, dass die Bewegung mit diesem Treffen und dem geplanten
Sozialforum 2005 Kontinuitaet zeigt. Doch so wichtig das Treffen des
Sozialforums als Staette inhaltlicher Auseinandersetzungen auch war, so
enttaeuschend muss es vom Gesichtspunkt des Aufbaus der Bewegung gegen
kapitalistische Globalisierung bezeichnet werden. Die offiziell genannte
Teilnehmerzahl von 1.500 Menschen entspricht genau der gleichen offiziellen
Teilnehmerzahl des Vorjahrestreffens in Hallein. Und das obwohl das heurige
Treffen bessere Vorbereitungsbedingungen hatten und v.a. in einer der
groessten Staedte Oesterreichs stattfand. Jugendliche, ArbeiterInnen (die
keine Gewerkschaftsfunktionaere sind) und Immigranten bildeten eine kleine
Minderheit unter den Teilnehmern.
Es hat den Anschein, dass seitens der OrganisatorInnen des ASF eine
Mobilisierung breiterer Schichten ausserhalb der Gruppe langgedienter
AktivistInnen und Funktionaere im ASF gar nicht angestrebt wurde. In Linz
fanden sich kaum Plakate, die fuer das ASF und die Demonstration
mobilisierten. Alleine der Zeitpunkt der Demonstration - Freitag 13.00 -
machte deutlich, dass es nicht um die Beteiligung von Lohnabhaengigen und
SchuelerInnen mit "normalen" Arbeits- und Ausbildungszeiten geht, sondern um
eine "klein, aber fein" Insider-Aktion.
Die staerkere organisatorische Beteiligung der Gewerkschaft am ASF, was v.a.
bei der Demonstration deutlich wurde, stellt ohne Zweifel einen Fortschritt
in Richtung Vernetzung der Antiglobalisierungsbewegung und
ArbeiterInnenbewegung dar. Besonders wichtig war die Teilnahme von
Betriebsraeten und Jugendvertrauensraete. Gleichzeitig kann man aber auch
nicht die Augen davor verschliessen, dass die Gewerkschaften vor allem durch
Funktionaere praesent waren, aber kaum durch einfache Mitglieder.
Jugendforum organisiert sich
Eine der interessantesten Entwicklungen des ASF 2004 war die Gruendung eines
Jugendforums. An dem Treffen nahmen an die 30 VertreterInnen von REVOLUTION,
der Katholischen Jugend, der oberoesterreichischen Gewerkschaftsjugend, AKS,
VSSTOe, GPA-Jugend sowie eine Reihe junger Betriebsraete und
Jugendvertrauensraete teil.
In konstruktiven Diskussionen stellten wir die geringe Teilnahme und
Attraktivitaet des ASF fuer Jugendliche fest und kamen zu der
Schlussfolgerung, dass wir sowohl fuer das naechsten ASF als auch fuer das
kommende Europaeische Sozialforum in London einen "selbstverwalteten und
selbstgestalteten Jugendraum" fordern. REVOLUTION draengt auf die
Organisierung eines Jugendraums, da wir der Ueberzeugung sind, dass nur wenn
das ASF genuegend Freiraum fuer Jugendliche bietet, es auch zu einer
groesserer Identifizierung von Jugendlichen mit dem ASF kommen kann.
Ebenso beschlossen wir, es nicht bei einmal jaehrlichen Zusammenkuenfte zu
belassen, sondern regelmaessige Treffen zu organisieren. Dies koennte die
Ausgangsbasis fuer ein permanent aktives Jugendforum sein.
Antinationale Offensive im ASF
gegen die Solidaritaet mit der
Intifada in Palaestina und Irak
Die enormen politischen Widersprueche innerhalb des ASF wurde besonders
anhand der Stellung zur Intifada in Palaestina und Irak deutlich. Leider
wurde im Rahmen des ASF Kreisen Raum geboten, die - wie die irakische
Kommunistische Partei - Teil der US-amerikanischen Marionettenregierung sind
und den anti-kolonialen Widerstand bekaempfen. Anti-nationale Kreise aus
Sozialdemokratie und Kommunistischer Partei dozierten darueber, dass linke,
antiimperialistische Organisationen, die fuer die Ersetzung des Staates
Israel durch einen gemeinsamen arabisch-juedischen Staat eintreten, per
definition anti-semitisch seien.
Diesen Leuten ist offenkundig noch nicht zu Ohren gekommen, dass der
Zionismus - die offizielle Staatsideologie Israels - die Vertreibung und
Unterdrueckung der arabischen Bevoelkerung auf seinem Banner traegt und dies
auch jahrzehntelang in die Praxis umgesetzt hat. Ein ernsthafter Kampf gegen
Rassismus kann nicht den Chauvinismus gegen Juden und Juedinnen verurteilen,
aber gleichzeitig zu jenen gegen AraberInnen und Moslems schweigen.
Bewegung ohne Aktionen?
Diese anti-nationalen, pro-zionistischen Stroemungen im ASF vermischen sich
mit einer Tendenz von reformistischen Organisationen, die Bewegung weg von
Aktionen und Kampagnen hin zu einer nach innen gewandten, auf die
"Zivilgesellschaft" reduzierten Quatschbude. Dies wurde besonders am letzten
Tag bei der sogenannten "Versammlung der sozialen Bewegungen" deutlich.
Dort ging es v.a. um Verabschiedung einer Abschlusserklaerung. Der
vorgelegte Entwurf enthielt - neben der Willensbekundung zum ESF im Oktober
in London zu fahren und im naechsten Jahr ein weiteres ASF zu veranstalten -
nur Allgemeinheiten ueber das Schlechte in der Welt (Neoliberalismus, Krieg
etc.) und der Notwendigkeit von Solidaritaet, Frieden, Gerechtigkeit usw.
Mit keinem einzigen Wort wurde auch nur irgendeine konkrete Aktion oder
Kampagne erwaehnt!
Der ArbeiterInnenstandpunkt, die Jugendorganisation REVOLUTION sowie
AktivistInnen der Linkswende, der Initiative Muslimischer
OesterreicherInnen, der Steirischen Friedensplattform, der
Antifaschistischen Linken, der DHKP-C u.a. draengten auf die Abhaltung eines
Demonstration zum Jahrestag der palaestinensischen Intifada am 25.
September - eine Forderung, die bei der Mehrheit der Anwesenden Zustimmung
fand. Doch v.a. beim Wiener SPOe-Vertreter Peter Florianschuetz, - einem der
Vorkaempfer der antinationalen Offensive innerhalb des ASF - rief die Idee
einer Demonstration fuer die Intifada blankes Entsetzen hervor. Sekundiert
von Christoph Sykora legte Florianschuetz sein Veto gegen den Aufruf zu
dieser oder irgendeiner anderen Aktion in der Abschlusserklaerung ein.
Die Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung wurde nicht so sehr
durch die Reden der Sozialforums-TeilnehmerInnen beruehmt, sondern durch die
Massenmobilisierungen in Seattle 1999, Genua 2001 oder dem weltweiten
Anti-Kriegsaktionstag am 15. Februar 2003.
In der folgenden heftigen Auseinandersetzung sahen wir uns schliesslich
gezwungen, mit der Ablehnung der Abschlusserklaerung zu drohen, sollte in
dieser kein einziger Bezug zu den vorgeschlagenen Aktionen enthalten sein.
Schliesslich schlugen wir eine Kompromissformulierung vor: "Im Rahmen des
Treffens der sozialen Bewegungen haben eine Reihe von Organisationen, die am
ASF teilgenommen haben, folgende Aktionen/Aktivitaeten vorgebracht und
werden aktiv dafuer mobilisieren:" Diese Formulierung wurde dann angenommen.
Es wird sich in der Praxis zeigen, wie weit dann die beteiligten
Organisationen ernsthaft fuer den 25. September mobilisieren.
Offensichtlich steht das ASF vor der Entscheidung, ob es eine Bewegung mit
Aktionen sein will oder zu einer einmal jaehrlich zusammentreffenden
Quatschbude degenerieren moechte. Ein solcher Quatschbudenverein koennte
dann nicht einmal ansatzweise eine Rolle im Widerstand gegen die
kapitalistische Globalisierung spielen und waere daher auch nur noch von
geringer Bedeutung. Der ArbeiterInnenstandpunkt tritt daher klarerweise fuer
eine aktionsorientierte Bewegung ein.
Allerdings darf sich die Bewegung nicht auf Aktionen beschraenken, sondern
muss auch eine politische, sprich sozialistische, Antwort auf die Offensive
des Kapitals entwickeln. Mit anderen Worten: die Bewegung muss sich
letztlich zu einer neuen internationalen Alternative zu Kapitalismus und
permanentem Krieg entwickeln. Sie muss eine politische Kraft werden, die
sich auf die kaempferische Jugend und die ArbeiterInnenklasse stuetzt, jene
Klasse, die das Herz des Kapitalismus - die Produktion fuer Profit -
stillegen kann.
Bereits vier Mal haben die KaempferInnen fuer eine andere, eine
sozialistische Welt eine solche politische Kraft - eine Internationale -
aufgebaut. Diese Internationalen haben enorme Dienste fuer die politische
Bewusstwerdung der ArbeiterInnenklasse und der unterdrueckten Voelker sowie
den Kampf gegen die Ausbeutung geleistet. Aber letztlich waren sie aus
verschiedenen Gruenden nicht den Aufgaben ihrer Zeit gewachsen. Heute
muessen wir erneut und mit grosser Dringlichkeit zum fuenften Mal diese
Aufgabe in Angriff nehmen.
*Elisabeth Wild und Michael Proebsting*
Quelle: Red Newsletter 114, Informationsdienst des ArbeiterInnenstandpunkt,
11. Juni 2004
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