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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. Juni 2004; 14:44
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Parlamentarisches/Glosse:

> Allein unter Nazis?

Die sprachliche Ausbildung, die des Moderatoren und
Wissenschaftsjournalisten, ist bei Josef Broukal eindeutig zu erkennen. Er
ist einer, der klar spricht -- vernuschelte oder ins Nichts endende
Satzungeheuer kommen bei ihm nicht vor. Die wesentliche Aenderung, die
auffaellt und die ihm nach seiner Uebersiedlung ins Parlament gegenueber der
jahrelangen Praesenz im ORF zuzuschreiben ist, besteht im Zeigen von
Emotionen. Er duerfte kein solches Haeferl wie Fritz Edlinger sein, besitzt
auch nicht die staendig grantelnde Schlagfertigkeit eines Michael Haeupl
oder den leicht zynischen Sprachwitz eines Josef Cap - er ist einfach der
Broukal vom Fernsehen, beliebt, sprachlich erste Sahne und Hoffnung der
Partei. Allerdings auch zu kurzen emotionalen Ausbruechen neigend, wenn er
mit schwarzen Abgeordneten zu tun hat, die mit tiefsten Meldungen blaue
Abgeordnete wiedermal verteidigen. Und um das geht's, wie ueberall zu lesen
und zu hoeren ist.

So quasi als Analyse der stuermischen Ereignisse im Nationalrat meinte Samo
Kobenter im letzten Wochenend-Standard, Broukal habe seiner Partei mit
seiner an die Regierungskoalition gerichteten Aufforderung "keine guten
Dienste erwiesen". Er habe eine scheintote FPOe wieder zum Leben erweckt.
Worin besteht aber nun Broukals Ansinnen? Sie moegen alle scheissen gehen
oder aehnliches? Nein, er meinte: "Es ist Ihnen unbenommen, den
Nationalsozialisten nachzutrauern". Wie gesagt, sprachlich 1A, aber warum
sagt er das? Eine kleine Schilderung des Herganges mag das illustrieren. Es
gibt eine Sondersitzung zu Fragen der EU-Verfassung, die Parteien zerfetzen
sich wie ueblich, OeVPler und SPOeler tragen irgendwelche Taferln oder
Abzeichen. Das Match zur bekannten Schlammschlacht zwischen VP und SP
bezueglich der Sanktionen ist gerade von der FP eroeffnet worden. Schuessel
haelt gerade eine Rede fuer ein gemeinsames Europa -- uebliches Blabla:
Allen wird es besser gehen, gemeinsam daran arbeiten und so. Waehrenddessen
ist jedoch bereits ein Entschliessungsantrag der VP und der FP eingebracht,
in denen die als Sanktionen bekannten Massnahmen der damaligen EU-14 als
"ungerecht, rechtswidrig und unvereinbar mit grundlegenden Werten und
Prinzipien der Europaeischen Union" verurteilt werden.

Naechster Redner in diesem Geschehen ist dann eben Josef Broukal. Auf einen
Zwischenruf von VP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger, ob er, Broukal, jetzt
"fuer die Sanktionen oder dagegen" sei, kommt dann das denkwuerdige
Zugestaendnis an die Koalition, es sei ihr unbenommen, den
Nationalsozialisten nachzutrauern. Was sofort hoechst veritable und
exzessive Tumulte zur Folge hat. Es hagelt auch prompt
Ruecktrittsforderungen, Herbert Scheibner und Wilhelm Molterer von der
Regierungs-Koalition allen voran. Jedoch, was ist mit dieser Meldung
Broukals? Warum wirkt sie zwar wohltuend, wenn es um die nuechterne
Betrachtung des FP-Haufens und so mancher skrupelloser VPler geht, aber
nicht ganz stimmig, wenn es wirklich nur um die Sanktionsfrage von Rasinger
geht. Ist sinngemaess ,dann trauert halt nach, den Nationalsozialisten´ die
adaequate Antwort darauf, ob man jetzt "fuer oder gegen die Sanktionen" sei?
Haben wir da was versaeumt, ist uns medial so einiges entgangen? Der
Sitzungsverlauf bis zu dieser Aeusserung etwa? War Rasingers Meldung bloss
der letzte Anstoss fuer diesen Sager Broukals - oder war es bereits
Wahltaktik? Es koennte sich um einen durchkalkulierten, kraeftigen
Soloauftritt handeln, der als politischer Einstieg fuer hoehere
Parteiwuerden dient.

Infame Unterstellungen vielleicht - dafuer spricht auch das letzte Interview
von Alfred Gusenbauer, der von "Pogromstimmung" spricht, die bis zur Meldung
Broukals geherrscht habe. So gesehen waere ,ihr koennt ja den
Nationalsozialisten nachtrauern' nur die empoerte Zuspitzung von jemand, der
sich gegenueber einer bruellenden Menge Gehoer verschaffen will. Ist
uebrigens Gusenbauers Sager mit der Pogromstimmung ein kalkulierter? So nach
dem Motto: Allein unter Nazis, was die naechsten Wahlen moeglichst schnell
aendern sollten. Denn gerade Gusenbauer muesste doch eigentlich um die
sprachlichen Uancen vor den Medien und der scheinbar im Nationalrat
ausgebrochenen PC Bescheid wissen. Fragen ueber Fragen. Aber egal,
schlussendlich bleibt es einfach wohltuend , dass mit dem blauen Poebel in
und ausserhalb des Parlaments auch die Christdemokraten ihren ihnen
zustehenden Teil abbekommen haben.

Fritz Pletzl




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