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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 25. Mai 2004; 15:45
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Asyl:
Achtung, Desinformation!
Behoerdliche Falschmeldungen zum neuen Asylgesetz
Innenminister Ernst Strasser zur Tiroler Tageszeitung, 15.5.2004: "Das neue
Asylsystem gewaehrleistet eine strengere Handhabe. Seit dem 1. Mai hat sich
gezeigt, dass wir viele direkt an der Grenze zurueckweisen (...) koennen."
Das ist sehr interessant. Es stimmt zum Teil: Asylwerber, die ueber die
Schweiz oder Liechtenstein nach Oesterreich kommen, duerfen gemaess § 17
schon an der Grenze zurueckgeschickt werden. Wie viele duerften das sein?
Nullkommajosef.
Die grosse Mehrzahl der Fluechtlinge kommt nach wie vor ueber unsere
oestlichen Nachbarlaender Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien, die
seit 1. Mai EU-Mitglieder sind. Hat er die gemeint? Schiebt Herr Strasser
diese Fluechtlinge direkt an der Grenze zurueck? So wie er es zu
Allerheiligen mit den Tschetschenen getan hat?
Das ist immer noch verboten. Kennt Herr Strasser nicht sein eigenes Gesetz?
Oder versucht er, der Oeffentlichkeit einzureden, seine illegale Praxis sei
nun rechtens geworden? Das nennt man: Desinformation.
Wer ueber einen "Dublinstaat" nach Oesterreich kommt, hat Anspruch auf ein
"Dublin-Verfahren". Das ist schlimm genug:
Sein Asylantrag wird zurueckgewiesen, wir koennen zwar Berufung erheben,
aber er wird trotzdem ins Nachbarland zurueckgeschoben. Dort sitzt er im
Gefaengnis (in Ungarn im beruechtigten Szombathely, bis zu einem Jahr!).
Aber er hat wenigstens die Chance, dass der UBAS (Unabhaengiger
Bundesasylsenat) den Bescheid behebt und er nach Oesterreich zurueckkommen
kann, vorausgesetzt, die NGOs in den Nachbarlaendern haben ihn bis dahin vor
Weiterschiebung ins Verfolgerland geschuetzt.
Herr Strasser plaudert einmal mehr allzu ungeniert aus der Schule. Offenbar
schiebt er Fluechtlinge in die Beitrittslaender zurueck. Wurden deshalb seit
1. Mai so wenige Asylantraege in Oesterreich gestellt?
Diese Laender sind nicht sicher. Der UBAS hat das in den vergangenen Jahren
in staendiger Rechtsprechung festgestellt. Herr Strasser versucht einmal
mehr, die Entscheidungen einer unabhaengigen Berufungsinstanz zu umgehen.
Dementsprechend dreist schiebt Herr Strasser auch dem UBAS die Schuld daran
zu, dass Asylverfahren so lange dauern.
Die wirkliche Ursache der langen Verfahren ist aber, dass der UBAS die
Arbeit nachholen muss, die der Erstinstanz, Herrn Strassers Bundesasylamt,
zu beschwerlich war: die Ermittlung des wahren Sachverhalts.
Daran krankt das Asylsystem in diesem Land; und das zeigt einmal mehr, dass
im Bundesasylamt eine Reform an Haupt und Gliedern noetig ist.
Herr Strasser, von dem wir vieles gewohnt sind, ist aber nicht der einzige,
der Falschmeldungen verzapft.
Im Falter vom 19.Mai finden wir eine Promotion-Seite der Gemeinde Wien und
der Caritas mit der schoenen Ueberschrift Geregeltes Asyl. Die Wiener
Fluechtlingsbeauftragte Barbara Derkits-Kremser wird in diesem Inserat unter
anderem befragt, wie man eigentlich Asylwerber wird.
"Voraussetzung ist die Bekanntgabe eines Asylansuchens nach dem
Grenzuebertritt auf der naechsten Polizeidienststelle oder
Bezirkshauptmannschaft," sagt Frau Derkits-Kremser dazu. Und auf die Frage,
woher die Fluechtlinge das wissen: "Diese Information duerfte Teil des so
genannten Schlepperpakets sein."
Nun, wir wollen hoffen, dass kein Schlepper und kein Asylwerber so dumm ist,
diese "Information" der Frau Derkits ernst zu nehmen. Wer sofort nach der
Grenze zur Polizei geht, wird naemlich Opfer eines "Dublin-Verfahrens": Weil
man ihm beweisen kann, durch welches Nachbarland er gekommen ist, wird sein
Asylantrag als unzulaessig zurueckgewiesen; er wird (siehe oben) trotz
Berufung zurueckgeschoben.
Zurueck in einen unsicheren Staat, wo er eingesperrt wird und Gefahr laeuft,
weitergeschoben zu werden bis ins Verfolgerland.
Wenn ein Fluechtling Zugang zum Asylverfahren finden will, darf er
keinesfalls zur naechsten Polizeistelle gehen, sondern er muss weit genug
ins Landesinnere (nach Traiskirchen, nach Thalham, nach Wien...) kommen,
sodass der zustaendige "Dublinstaat" nicht mehr festgestellt werden kann.
Frau Derkits verbreitet also auf ihrer Promotion-Seite eine gefaehrliche
Falschinformation. Sie gefaehrdet die Sicherheit der Fluechtlinge und bringt
sie in Abschiebungsgefahr.
Tut sie das in der Hoffnung, die Zahl der Schutzsuchenden zu vermindern,
fuer deren Aufnahme und Versorgung sie geradezustehen hat? Und was sagt dazu
die Caritas, deren Kontaktadresse unter diesem Inserat steht?
Asyl in Not wird weiterhin die Rechte und Interessen der Fluechtlinge
parteiisch vertreten und Missbraeuche abstellen. Zweckdienlichen Hinweisen
(auch von MitarbeiterInnen der Gemeinde Wien, der Caritas und anderer
Institutionen) gehen wir gerne nach.
*Michael Genner, Asyl in Not*
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