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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 4. Mai 2004; 17:19
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Verfassungsrecht/Kommentar:
> Das Schweizer Modell?
Man koennte glatt meinen, Ferrero-Waldner waere nicht die OeVP-, sondern die
FPOe-Kandidatin gewesen. Natuerlich wird derzeit vor allem in der OeVP
fleissig Wunden geleckt und bisweilen wird auch Salz in selbige gestreut,
aber die Debatte um die Abwertung oder gar Abschaffung des Amtes des
Bundespraesidenten hat jetzt vor allem die FPOe vorangetrieben.
In der OeVP waere man wohl von einer diesbezueglichen Aenderung auch
durchaus angetan, hatte man doch in der Zweiten Republik nie grosses Glueck
mit Praesidentschaftskandidaturen. Zuerst lauter Sozis, dann der parteilose,
aber von der SP nominierte Kirchschlaeger. Als das Blatt sich endlich
wendete, hiess der Bundespraesident Waldheim. Naja. Und dann Klestil, dessen
Skepsis gegenueber Schwarzblau mittlerweile legendaer ist und der die
Aussenministerin nicht ausstehen konnte. Ausgerechnet diese
Aussenministerin -- die "unpolitische Vorzugsschuelerin" ((c) Andreas
Unterberger) -- stellt man dann als Kandidatin fuer Klestils Nachfolge auf.
Die verliert gegen einen Sozialdemokraten reinsten Wassers -- nicht nur
bundesweit, sondern sogar im schwarzen Kernland Niederoesterreich. Was
wunder, wenn auch in der OeVP so mancher dieses Amt als Problem ansieht.
Doch wird diese Debatte schon seit Jahrzehnten immer wieder gefuehrt und ihr
Ausgang ist immer klar: Ohne Verfassungsaenderung laeuft da nix und da die
beiden (Wieder-)Grossparteien fast immer jeweils eine
Drittel-Sperrminoritaet hatten, immer eine der beiden den Praesidenten
stellt und sich die andere Hoffnung auf die naechste Amtsperiode machte,
wird es sobald keine Aenderung geben. Da aendert auch der Verfassungskonvent
nichts daran.
Man kann sich aber schon die Frage stellen, ob es sinnvoll waere, das Amt in
dieser Form abzuschaffen. Unser Bundespraesidentenamt ist tatsaechlich eine
eigenartige Konstruktion -- entstanden aus der Luecke, die der Kaiser
hinterliess, 1929 reformiert als volksgewaehltes Kontrollorgan mit
weitreichenden Kompetenzen fuer Notzeiten.
Doch was sind die Alternativen? Oft genug war der deutsche Praesident -- der
aehnlich bedeutungslos ist wie der oesterreichische in seiner
urspruenglichen Version war -- ein Beispiel. Jetzt kommt die FPOe daher und
will das "Schweizer Modell" einfuehren, also Bundespraesident und
Regierungschef zusammenlegen.
Dabei wird ganz bewusst uebergangen, dass der Bundespraesident in
Oesterreich auch eine notdueftige Konstruktion ist, um wenigstens ein
bisserl "check and balances" zu verwirklichen. Deutschland und die Schweiz
haben das weniger noetig.
In Deutschland gibt es ein sehr ausgepraegtes foederales System, wo die
Laender nicht nur fuer Tierschutz und Bemessung der Sozialhilfe zustaendig
sind, sondern auch in "harten" Politikbereichen wie beispielsweise der
Polizei mitzureden haben -- ohne die Landesinnenminister kann der
Bundesinnenminister einpacken, er ist nicht einmal stimmberechtigtes
Mitglied in der Innenministerkonferenz. Ausserdem ist der deutsche
Bundesrat, die Laenderkammer, nicht so hilflos gegenueber der ersten Kammer
wie in Oesterreich -- ein vom Bundesrat mit Zweidrittel-Mehrheit abgelehntes
Gesetz ist vom Bundestag nur mit mindestens gleich grosser Mehrheit
ueberstimmbar. Da kann sich der von der Bundesversammlung gewaehlte
Praesident ruhig auf Sonntagsreden beschraenken.
Und in der Schweiz sieht die Sache ueberhaupt ganz anders aus --
jahrzehntelang war dort nach der "Zauberformel" die Regierung besetzt worden
und nicht nach den Ergebnissen der Wahlen. Jetzt sitzt halt auch der Herr
Blocher in der Regierung, aber viel hat sich an der
Konzentrationsregierungspolitik trotzdem nicht geaendert. Dort hat die
Regierung grossteils wirklich nur die Aufgabe des Vollzugs der Gesetze und
darf de facto, zusammen mit dem Parlament, allerhoechstens jene Gesetze
gestalten, die nationaler Konsens sind -- wenn irgendetwas nicht Konsens
ist, kommts zur Volksabstimmung, ob das der Regierung nun passt oder nicht.
So sorgen dort Medien und Volk fuer ein echtes Gegengewicht zur Regierung.
Beide Systeme kennen zwar auch keine echte Trennung der Gewalten, zumindest
ist es aber moeglich, den Missbrauch einmal vergebener Macht ein wenig
einzubremsen. Wie aber ist das in Oesterreich? In Oesterreich regieren
diejenigen, die im Parlament eine Mehrheit zusammenbringen, meistens 4 Jahre
uneingeschraenkt auf exekutiver und leider auch legislativer Ebene. In den
Ministerien werden die Gesetze entworfen, im Ministerrat durchgesetzt und
von einer willfaehrigen Parlamentsmehrheit nurmehr abgesegnet. Die einzigen
Korrektive bilden da der Verfassungsgerichtshof und eben der
Bundespraesident fuer den Fall, dass eine Regierung uebermuetig wird.
Trotz der Verfassungsreform 1929 wurde Wilhelm Miklas per Sonderregelung
noch einmal vom Parlament zum Praesidenten gewaehlt. Haette es damals schon
die Volkswahl gegeben, waere der Praesident wahrscheinlich Sozialdemokrat
gewesen und haette vor allem ein anderes politisches Gewicht gehabt. Herr
Dollfuss haette es mit einem starken Amtsinhaber wohl viel schwerer gehabt
als mit seinem Marionettenpraesidenten. So aber musste der Kanzler nur noch
den Verfassungsgerichtshof ausschalten und konnte absolut regieren.
Sicher, der Kritik, dass der Bundespraesident in Notzeiten zuviel Gewalt
haette, ist einiges abzugewinnen. Das Amt ist nicht ungefaehrlich und das
Recht auf Nationalratsaufloesung aeusserst bedenklich. Auch die Kritik, dass
er in Normalzeiten eigentlich nicht viel zu tun hat, ausser wuerdevoll zu
sein, ist verstaendlich. Ihn aber aufgrund hinkender Vergleiche einfach aus
der Verfassung kippen zu wollen, ist unserioes. Bezeichnend dabei ist
allerdings, dass diese Vorschlaege immer ausgerechnet aus politischen Ecken
kommen, deren demokratische Gesinnung nicht unbedingt als allgemein erwiesen
gelten.
*Bernhard Redl*
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