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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 4. Mai 2004; 17:17
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Innenpolitik/Kommentar:

> Kaernten ist nicht anders!

Ist Kaernten tatsaechlich "ein Planet ausserhalb unseres Sonnensystems", wie
der Spiegel am 13.3.d.Jahres schrieb? Ist Kaernten "anders"? Fast hat es den
Anschein, wenn man die Wahlergebnisse in diesem meinem Geburtsland,
betrachtet. Auch die juengsten Ergebnisse bei den BP-Wahlen lassen durchaus
aufhorchen: Denn trotz einer nahezu nicht mehr existenten OeVP, trotz einer
aus den Landtagswahlen hervorgegangenen gestaerkten Partei der Gruenen,
trotz eines Stimmenzuwachses der SPOe erreichte Ferrero-Waldner in diesem
Bundesland 52,8% der Stimmen und liess ihren Kontrahenten Fischer mit 47,2%
klar hinter sich. Und Joerg Haider jubelt einmal mehr und posaunt der OeVP
ins Gesicht, dass Ferrero-Waldner in die Hofburg eingezogen waere, haette
man ueberall so erfolgreich wahlgekaempft wie die FPOe in Kaernten (Kurier,
26.4.)

Kaernten sei "braun", der Kaerntner sei ein "Punschkrapferl - aussen rosa,
innen braun", Kaernten sei ein "Planet ausserhalb unseres Sonnensystems",
lauten die vorschnellen Analysen und Urteile ueber ein Wahlverhalten von
WaehlerInnen, die traditionell ueber 30 Jahre mehrheitlich "Rot" waehlten.

Doch Kaernten ist nicht anders, der Schein truegt. Die grosse Mehrheit der
Kaerntner Bevoelkerung befindet sich nur seit Jahren in einer aeusserst
schlechten wirtschaftlichen Situation, durch die sich ihre materiellen
Lebensgrundlagen verschlechtern. Das Pro-Kopf-Einkommen ist das
zweitniedrigste in Oesterreich, das Budgetdefizit das hoechste im Staat, die
Arbeitslosenquote liegt ueber 11% und ist ebenfalls die hoechste in
Oesterreich. In einigen Bezirken, wie beispielsweise in Spittal/Dr. liegt
sie sogar noch deutlich darueber. Die Gesundheitsversorgung ist seit Jahren
mangelhaft, die Zahl der Fachhaerzte liegt - gemessen an der
Bevoelkerungsdichte - weit unter dem oesterreichischen Schnitt. Auch im
Tourismus hat man seine liebe Not, denn der so gerne zitierte Boom findet in
Wahrheit nur in einigen Zentren der Tourismuswirtschaft statt, waehrend in
frueher wichtigen touristischen Regionen ein Betrieb nach dem anderen
zusperrt. Diese Schwaechen wirken sich noch dazu ueberproportional auf ein
Bundesland aus, wenn es im Zuge des Finanzausgleiches zwischen Bund,
Laendern und Gemeinden bzw. durch die Steuerreform noch weiterer Mittel
"beraubt" wird: das Land um 25,3 Mio Euro, die Gemeinden um 20,9 Mio (apa).

Diese Steuer- und Wirtschaftspolitik wird ueberwiegend von der FPOe Joerg
Haiders in der Regierungskonstellation mit der OeVP mitgetragen. Sie ist
wesentlich schuld daran, dass Kaernten Schlusslicht in vielen Bereichen
innerhalb Oesterreichs ist. Die OeVP Kaernten befindet sich ohnehin ganz
auf Regierungskurs und die SPOe Kaernten hat so viele taktische und
inhaltliche politische Fehler in der Vergangenheit begangen, dass sie fuer
weite Kreise der Bevoelkerung keine Alternative mehr darstellt. Einige davon
seien hier erwaehnt:

- Bereits als Haider zum ersten Mal zum Landeshauptmann gekuert worden ist,
hat die SPOe zugesehen, wie Haider mit sozialdemokratischen Themen (wenn
auch ueberwiegend populisitisch) punktet. Dies hat sich bis heute nicht
wesentlich veraendert. Es ist im Bewusstsein der WaehlerInnen verankert. So
faellt es Haider leicht, mit Themen wie "Pensionsrueckzahlungen" (obwohl er
ja selbst gerne als "Macher" dieser Pensionsreform auftritt) oder "Kinder-
bzw. Familiengeld" zu punkten.

- Die Bauern, die laengst erkannt haben, dass die Regierungspolitik und die
Politik in Bruessel nicht fuer sie als Kleinbauern geschaffen ist, liefen
scharenweise zum Populisten Haider ueber, der die EU-Politik immer wieder
(teils zu Recht) massregelt, ohne aber - abgesehen vom wieder populistischen
Bild des "Freistaates Kaernten" - dieser Politik etwas entgegenzusetzen.

- Das wesentlichste Feindbild, den "Suendenbock" fuer die landespolitische
Misere, das Haider geschaffen hat, um eine ueber weite Strecken erfolglose
Landespolitik zu kaschieren und sie einem konkreten Feind zuzuschreiben (dem
er als Drahtzieher der FPOe in bundespolitischen Fragen der
Regierungspolitik, wie er zur Genuege bewiesen hat, selbst angehoert), ist
Wien. Wien, nicht nur als Sitz einer Regierung, sondern Wien auch als "rote
Bedrohung". Dadurch schafft er es, Kaernten den WaehlerInnen tatsaechlich
als "einen anderen Stern" zu praesentieren, welcher im Sinne einer eigenen
"Bodenideologie" von aussen bedroht ist. Wofuer frueher die Slowenen
herhalten mussten, dafuer steht heute Wien.

Nun hat die SPOe in Kaernten nicht nur jahrelang kein Rezept gegen diese
Politik gefunden, sie hat den Kontrahenten Haider auch noch unterstuetzt
dabei. Die WaehlerInnen konnten zu Recht eine deutliche Abgrenzung nicht
mehr erkennen, die Sozialdemokratie in Kaernten hat ihr angestammtes
Betaetigungsfeld nahezu kampflos aufgegeben. Abgesehen von nicht
gluecklichen Besetzungen in der Parteispitze konnte die SPOe Kaernten keine
entscheidenden Alternativen zum Kurs Haiders anbieten. Dieses Szenario
gipfelte nach den Landtagswahlen und dem Schulterschluss zwischen SPOe und
FPOe in den Worten des Parteivorsitzenden Ambrozy, der als Grund fuer die
Koalition mit der FPOe angab: "Es hat immer schon in Sachfragen kaum eine
Trennlinie mit der FPOe gegeben." (15.3.2004)

Kaernten ist daher nur vordergruendig "anders", die Kaerntner WaehlerInnen
wurden gerade durch die Ereignisse nach den Landtagswahlen darin bestaerkt
(insbesondere die SPOe-WaehlerInnen), dass es zu Haider derzeit keine
Alternative gibt. Daher - und aus den anderen erwaehnten Gruenden - konnte
Ferrero-Waldner in Kaernten so ueberzeugend "punkten".
(Gerhard Kohlmaier, gek.)

Volltext: http://www.steuerini.at




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