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akin-Pressedienst.
Elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch
mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein.
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten.
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
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anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 4. Mai 2004; 17:13
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Medien/Initiativen:

> Indymedia offline

Die oesterreichische Internet-Site von Indymedia ist derzeit offline. Unter
http://at.indymedia.org finden sich derzeit nur Erlaeuterungen, warum dem so
ist. Im folgenden Auszuege aus den Stellungnahmen:

*

«Vom 23. bis 25. April 2004 fand in Wien ein Treffen von at.indymedia statt.
Dort wurde u.a. ueber die Entwicklung des Projekts, das Konzept des Open
Publishing und die Frage von Zensur diskutiert. Wir, einige Leute, die rund
um at.indymedia aktiv sind, haben in Anbetracht der derzeitigen Debatten um
und auf at.indymedia.org beschlossen, die Seite vorerst vom Netz zu nehmen,
um einen Nachdenkprozess anzuregen, der - so hoffen wir - zu einem Neustart
fuehren kann.

Die Probleme, die uns zu diesem Schritt veranlasst haben, sind
vielfaeltigster Art. Eigenstaendige Berichterstattung auf der Internetseite
zb. wird vermehrt zum Seltenfall und ist zwischen den ausufernden
Copy/Paste-Artikeln schwer zu finden. Diskussionen auf dem Niveau "Du bist
Scheisse!", "Nein, du bist Scheisse!" gehen uns allmaehlich auf die Nerven.

In den vergangenen Monaten wurde der offene Zugang zu Indymedia oftmals
benutzt, um AktivistInnen und Personen aus linken Zusammenhaengen zu outen
und diese dadurch in Gefahr zu bringen. Wir mussten in letzter Zeit des
oefteren feststellen, dass Indymedia immer wieder als Informationsquelle
fuer Neonazis diente und auf Indymedia veroeffentlichte Texte als Quelle
fuer Anti-Antifa Recherche herangezogen wurden. Es ist unsere Aufgabe,
solche Veroeffentlichungen schnellstmoeglich von der Seite zu loeschen, was
wir aber derzeit aufgrund unserer knappen persoenlichen Ressourcen nicht
schaffen.

Es gibt den Vorschlag auf ein System, nach dem Vorbild von de.Indymedia
umzusteigen. Dies bedeutet, dass Artikel, die keine Berichterstattung im
Sinne der Editorial Policy darstellen nicht auf der Startseite, sondern nur
auf einer Open Publishing Seite erscheinen. Damit soll Inhalten wie z.B.
selbstgeschriebenen Berichten, Radiobeitraegen, Videos und Fotos verstaerkte
Aufmerksamkeit verschafft werden. Einige von uns lehnen die - an uns
gestellte - Forderung nach einer Vorselektion durch ModeratorInnen als
Antwort auf die Probleme ab. Dies waere eine Verschaerfung der Zensur, die
keine Garantie gibt, das Erscheinen von diskriminierenden und/oder
diffamierenden Texten zu verhindern, und ausserdem mit dem Open Publishing
Konzept als solches in Konflikt steht. »


Indymedia als offenes Medienprojekt

«Das Projekt Indymedia steht bei vielen Menschen fuer untergriffige
Auseinandersetzungen, die im Internet ausgetragen werden. Indymedia wird als
antisemitisches, sexistisches, zionistisches, Medium bezeichnet.

Wir stellen uns Indymedia als ein emanzipatorisches Medium vor, das allen
einen Raum fuer Berichterstattung, Information, Diskussion und Konfrontation
bietet. Da wir nicht in einer freien Gesellschaft leben, fuehrt diese
Offenheit natuerlich auch dazu, dass Inhalte veroeffentlicht werden, die im
krassen Widerspruch zu dieser stehen (diskriminierende oder diffamierende
Inhalte).

Unserer Meinung nach kann eine Gesellschaft, die frei von Hierarchie und
Diskriminierung ist, nicht durch Ausblendung anderer Ansichten entstehen,
sondern unter anderem durch eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen
Zugaengen. Indymedia kann kein Schutzraum vor Diskriminierung sein, auch
weil es ein offenes Forum ist, wo der Zugang nicht durch Passwoerter und
dergleichen eingeschraenkt wird. Zensur hilft groben Verletzungen
hinsichtlich Diskriminierung entgegen zu wirken. "Objektive" Moderation kann
es nicht geben -- wenn, dann ist nur eine Annaeherung an die editorial
policy (wo die Zensurkriterien beschrieben sind) moeglich. Bei
Diskriminierungen auf at.indymedia.org gibt es die Moeglichkeit, diese durch
Kommentare zurueckzuweisen oder die Problematik zu diskutieren; Indymedia
geht davon aus, dass UserInnen Diskriminierungen selbst erkennen und dem
entgegnen. Die Diskriminierungen entstehen nicht auf at.indymedia.org,
sondern sind bereits vorhanden - auch innerhalb der "linken Szene" sind
diese praesent -- und spiegeln vielmehr die vorhandenen Mechanismen der
Unterdrueckung in einer unfreien Gesellschaft wider. Gaebe es eine Zensur,
die Diskriminierungen vollstaendig erfasst, wuerden real-existierende
Probleme zwar ausgeblendet, aber nicht thematisiert werden. Wer hat die
Aufgabe zu intervenieren und die Macht Diskriminierung zu definieren?

Offener Zugang bedeutet fuer uns auch Anonymitaet. Wir loggen keine
IP-Addressen und vergeben keine Passwort geschuetzten Accounts. Wuerden wir
das tun - und damit das Verhalten der UserInnen nachvollziehbar machen -
waere Missbrauch dieser Daten - durch uns oder andere - moeglich.

Wir wollen nicht, dass dieses Projekt von Inhalten vereinnahmt wird, die
nicht dem Selbstverstaendnis entsprechen, jedoch sehen wir in der Zensur ein
letztes Mittel dem entgegen zu wirken. Genausowenig wie wir wollen, dass in
unserer Gesellschaft privilegierte Menschen (weisse Maenner) dieses Medium
dominieren, wollen wir, dass durch Unterschiede in politischer Erfahrung
oder Bildung Hierarchien entstehen.

Das Projekt Indymedia ist nicht nur das Konzept einer Website, sondern ein
Medienkonzept, das andere Medienformen genauso beinhaltet -- wie die einer
Zeitung oder einer Radiosendung, an der die Moeglichkeit einer Beteiligung
genauso offen steht, wie fuer die Beteiligung an der Webpage.

Indymedia ist auch nicht nur at.indymedia.org. Indymedia ist ein ganzes
Netzwerk, das auch ueber die klassischen Medienformen hinausgehen kann. Ein
Beispiel dafuer sind Medienzentren, die mittlerweile bei vielen Protesten
mit verschiedenen Leuten aus verschiedenen Indymedias mitbetrieben werden.
Daneben gab und gibt es viele Kooperationsprojekte zwischen den einzelen
Indymedias, die Radiostreaming, Berichterstattung vor Ort oder
Medienaktivismus zum Inhalt haben.

Das Projekt ist lebendig und setzt sich aus aktiver Zusammenarbeit im
Netzwerk zusammen - deshalb koennen auch die Diskussionen darueber nicht
abreissen.»



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