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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 4. Mai 2004; 17:21
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Moderne Zeiten:
> GPS-Chips zur Markierung von Menschen
Die daenische Firma "Empire North" hat ein Gewehr entwickelt, mit dem aus
sicherer Entfernung verdaechtigen Personen ein GPS-Chip injiziert werden
kann, um eine bessere Ueberwachung zu ermoeglichen.
Der Traum der Ueberwachungsgesellschaft ist, jeden jederzeit und an allen
Orten im Blick halten zu koennen. Die Welt also als panoptisches Gefaengnis.
Die Waerter aber wollen wohl eher ausserhalb, im Dunklen stehen, weswegen
technische Mittel zur Abwehr der Ueberwachung auch gleichzeitig weiter
entwickelt werden. Fortschritte zum panoptischen Weltgefaengnis hat es schon
einige gegeben. Reisebewegungen sind gut erfassbar, auch viele andere
Taetigkeiten, bei denen Geld eine Rolle spielt, sofern es nicht bar gezahlt
wird, sind im Prinzip nachzuvollziehen. Und mit dem Handy oder mobile
computing tragen die Besitzer bereits einen Bewegungs- und
Lokalisierungsmelder mehr oder weniger freiwillig mit sich herum.
Wer unerkannt bleiben will, verzichtet auf allen modernen Schnickschnack und
zahlt in bar oder faelscht alles, was seine Identitaet offenbaren koennte.
Aber man koennte als Jaeger seinem Opfer auch einen Sender anheften, um es
weiter verfolgen zu koennen. Implantierbare werden noch nicht gerne von den
Menschen angenommen und bislang zum Bedauern der interessierten Firmen nur
Tieren eingefuegt. Das aber koennte sich bald aendern, wenn
Sicherheitskraefte oder Verbrecher zu dem von der daenischen Firma Empire
North entwickelten Gewehr greifen, um Menschen mit GPS-Chips aus der Ferne
zu markieren.
Empire North ist eine junge Firma, die sich am lukrativen Markt der nach dem
11.9. florierenden Sicherheitstechnologien auszurichten versucht. Aehnlich
wie waehrend der Hochphase der New Economy manch krause Ideen im
Ueberschwang entstanden sind, scheint dies jetzt im Umfeld der Sicherheit
der Fall zu sein, wie Empire North zeigt.
Neben dem Gewehr wird derzeit nur noch ein weiteres Produkt angepriesen:
"JUJU the citizen eye". Das soll wohl eine Art "Geektoy" sein, denn man
spricht von "funky security for junior citizens". Vorbild sind die meist
gescheiterten Initiativen hauptsaechlich von Justizminister Ashcroft,
moeglichst viele Buerger in die gegenseitige Ueberwachung einzubeziehen. Auf
dem wohl als eine Art Handy gedachten Geektoy sollen die jugendlichen
Heimatschuetzer sofort vom Heimatschutzministerium informiert werden, wenn
die Sicherheitsstufe sich veraendert. So aufmerksam gemacht, koennen die
eifrigen Kleinen alle Verdaechtige, inklusive Fotografien, direkt dem
Heimatschutzministerium melden, das die Informationen dann prueft.
Noch schicker ist freilich das Gewehr, mit dem sich GPS-Chips aus der
Entfernung unter die Haut von Verdaechtigen oder Fluechtenden einschiessen
lassen, um diesen dann stets auf den Fersen zu bleiben. Das ist eine Art
Horrorvorstellung, die jetzt schon von manchen Paranoikern ausgebruetet
wird, die der Meinung sind, dass ihnen heimlich Chips eingepflanzt wurden
und sie so nicht nur permanent ueberwacht, sondern auch ihre Gedanken
angezapft und beeinflusst werden koennen. Ist die andere Seite der
Aufmerksamkeitsgesellschaft die Ueberwachungsgesellschaft, so spiegelt sich
der Aufmerksamkeitssuechtige, alles fuer die Prominenz Gebende im
Paranoiker, der sich schutzlos den Jaegern ausgesetzt fuehlt.
Das ID-Sniper-Gewehr soll einen kleinen GPS-Mikrochip aus grosser Entfernung
unter die Haut schiessen, ohne den Menschen zu verletzen, wobei nur ein
kurzer, geringfuegiger Schmerz "wie bei einem Mueckenstich" auftritt. Mit
dem Abschuss nimmt gleichzeitig ein digitaler Camcorder mit einem grossen
Zoom das Opfer auf, um so ein hochaufgeloestes Bild von ihm zur Verfuegung
zu haben, das auf einer Memory Card gespeichert wird. Gedacht sein soll das
ID-Sniper-Gewehr fuer das urbane Schlachtfeld, auf dem es manchmal schwierig
sein koenne, den Gegner zu treffen, ohne Kollateralschaeden anzurichten.
Also koenne man den Gegner aus der sicheren Entfernung markieren und ihn
dann auch noch nach Wochen ueber Satellitenortung verfolgen.
All das klingt schon wenig abstrus, auch wenn man sich derartiges wirklich
vorstellen koennte. Die Firme mit dem schoenen Namen Empire North ist denn
auch nur ein Werk des daenischen Kuenstlers Jakob Boeskov. Er wollte die
schrecklichste Waffe machen, die man sich vorstellen kann, und sie in einem
realen Umfeld testen. Seinen ersten grossen Auftritt inszenierte er so als
CEO von Empire North auf der Polizeimesse 2002 in Peking, wo er mit dem
ID-Sniper einen Stand gemeitet hatte. Angeblich kam seine Innovation dort
gut an und ein chinesisches Unternehmen hat offenbar auch ein gutes Angebot
gemacht.
Gegenwaertig zeigt er seine "Doomsday Weapon" in New York. Boeskov versteht
sich als politischer Kuenstler, seine Kunstrichtung als "Fiktionismus" im
Unterschied zum Realismus. Sein Konzept: "Verwandle deine schlimmsten
Aengste ueber die Zukunft in ein Produkt. Zeige dieses Produkt in der
Wirklichkeit der Gegenwart. Berichte die Reaktionen."
(Florian Roetzer, Telepolis, 23.4.04)
Quelle: http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/sa/17266/1.html
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