**********************************************************
akin-Pressedienst.
Elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch
mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein.
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten.
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen.
Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright
als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
**********************************************************
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 27. April 2004; 16:29
**********************************************************


Tuerkei/EU/Kurdistan/Demokratie:


> Tuerkische Gerichte urteilen wie frueher

Die EU-Kommission hat die Entscheidung eines tuerkischen Gerichts
kritisiert, die mehrjaehrigen Haftstrafen gegen vier kurdische Politiker
aufrechtzuerhalten. "Die Kommission missbilligt die Entscheidung des
Gerichts in Ankara", sagte der Sprecher von EU-Erweiterungskommissar Guenter
Verheugen in Bruessel. "Das wirft einen negativen Schatten auf die Umsetzung
der politischen Reformen." Dies koenne sich auch auf die EU-Entscheidung zur
Beitrittsreife des Landes auswirken.

Verheugens Sprecher Jean-Christophe Filori betonte, die vier Politiker
saessen im Gefaengnis, weil sie gewaltlos ihre politische Meinung zum
Ausdruck gebracht haetten. Dies gelte besonders fuer die prominente
Abgeordnete Leyla Zana. "Fuer uns ist sie eine politische Gefangene." Filori
verwies aber darauf, dass gegen die Entscheidung des Gerichts Berufung
eingelegt werde. "Wir werden dies genau beobachten."

Vor 10 Jahren hatte ein tuerkisches Gericht acht Abgeordnete der
prokurdischen DEP-Partei wegen Kollaboration mit der PKK verurteilt. Dieser
Prozess sorgte damals fuer grosses internationales Aufsehen, was
moeglicherweise mitverantwortlich gewesen war, dass der Anklagepunkt
"Hochverrat" im letzten Moment fallengelassen wurde -- er haette automatisch
die Todesstrafe bedeutet. (s.a. akin 37/94 u.a.)

Vier der Abgeordneten, verurteilt zu jeweils 15 Jahren Haft, sitzen immer
noch: Leyla Zana, Hatip Dicle, Orhan Dogan und Selim Sadak.

Neu aufgerollt worden war der Prozess nach der Kritik des Europaeischen
Gerichtshofs fuer Menschenrechte in Strassburg -- nach Feststellung des EGMR
aus dem Jahr 2001 hatte es sich damals um einen "unfairen" Prozess
gehandelt. Das Wiederaufnahmeverfahren war im vergangenen Jahr nach einer
tuerkischen Gesetzesreform moeglich geworden. Das Europaparlament hatte Zana
1995 mit dem "Sacharow-Preis fuer geistige Freiheit" ausgezeichnet.

Im Wiederaufnahmeverfahren war nun letzten Mittwoch eine Verurteilung zu 15
Jahren Haft bestaetigt worden. Beobachter hatten das neue Verfahren als eine
"Kopie" des alten Prozesses bezeichnet. Ein Vertreter der Internationalen
Kommission der Juristen sprach von rund einem Dutzend Vorfaellen, die erneut
auf einen unfairen Prozess hinwiesen.

Den Grossteil der Strafe haben die vier ehemaligen Parlamentarier bereits
verbuesst. Es wird damit gerechnet, dass sie wegen guter Fuehrung im
kommenden Jahr entlassen werden. Die EU hatte sich mehrfach fuer die
sofortige Freilassung der Verurteilten eingesetzt.

Ungeachtet des Urteils haelt Verheugen baldige Beitrittsverhandlungen mit
der Tuerkei fuer moeglich. "Die Tuerkei hat den Willen und die Faehigkeit,
das bis zum Ende dieses Jahres zu schaffen", sagte er der "Berliner
Zeitung". Voraussetzung bleibe aber, dass der Reformprozess nachhaltig und
unumkehrbar sei. Zu beruecksichtigen sei auch die "sehr konstruktive Rolle"
der Tuerkei beim Friedensprozess auf Zypern, so Verheugen.

EU kann aber auch anders

Nicht nur diese Haltung laesst die kurdischen Kritiker der Tuerkei-Politik
der EU wenig hoffnungsfroh zurueck. Auch die Tatsache, dass immer wieder
kurdische und linke Organisationen in der Tuerkei nach EU-Kriterien als
terroristisch eingestuft werden, laesst sie die Glaubwuerdigkeit der
Demokratiekenntnisse bezweifeln. Dazu passt, dass gerade dieses Monat die
"Euro-Lex", ein offizielles Informationsorgan der EU, am 3.April berichtete,
dass eine Organisation mit Namen "Kurdischer Volkskongress" in die EU-Liste
terroristischer Organisationen aufgenommen worden sei. Der Volkskongress,
der sich selbst als Organisation von Kurden unterschiedlicher Anschauungen
versteht und beteuert, "keinerlei terroristische, gewalttaetige,
antidemokratische oder inhumane Taten zu verantworten" zu haben, wurde von
der EU als Nachfolgeorganisation der PKK eingestuft. Da ist sich die EU mit
den tuerkischen Militaers sicher einig -- allein das ist wohl schon ein
Grund, die Seriositaet dieser Entscheidung zu bezweifeln.

(apa, ap, dpa, Wadi Wien, Kurdisches Frauenbuero Duesseldorf / akin)


*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero@gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin