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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 30. Maerz 2004; 17:01
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Aethiopien:
> Kaffee mit Butter und Salz
5. und letzter Teil der Briefe aus Afrika.
Lisa Langbein berichtet von einem Hilfseinsatz fuer "Aerzte ohne Grenzen"
(MSF)
Boditi, Samstag, 17.1. 2004
Unser Mail-Computer mag keine Disketten, bestreikt sie einfach. Das macht
das Briefe-Schreiben noch schwieriger, momentan hab ich einen Platz direkt
bei selbigen ergattert, also nichts wie los.
Mit gehts ganz gut, ich bin ziemlich beschaeftigt, ein bisserl muede
(morgen ist aber Sonntag). Seit drei Tagen regnets immer wieder, noch ist
nicht alles nass, aber der Staub ist ziemlich weg, die Luft schoen klar, und
wahrscheinlich freuen sich die Gelsen ueber eine neue Brut. Aber
andererseits auch die Erdaepfel ueber die feuchten Felder und sicher ists
brauchbar, um die drohende Meningitisepidemie aufzuhalten, Meningitis hats
lieber trocken.
Alle Daten sprechen dafuer, dass die Malariaepidemie am Abflauen ist.
Trotzdem gibts noch viele Kranke in den Doerfern. Die meisten davon haben
ueberhaupt keine Behandlung. Also fahr ich jetzt in die Doerfer und behandle
mit Quinine. Meinen ersten Versuch hab ich mit dem Mortality Team gemacht,
hab mich dann entschlossen lieber die Outreach Teams dafuer zu engagieren,
und mit denen gehts wirklich ganz gut. Sie kennen sich aus und sind acht
Menschen. Der Buergermeister wird am Vortag informiert und ist gewoehnlich
einverstanden. Verspricht, die Menschen zu informieren und zu versammeln,
was aber nicht geschieht. Dann komm ich mit meinen Oureach-Menschen, ein
volles Auto mit Kiste am Dach, wir fahren zu den meistbetroffenen Doerfern
(das wissen die ja, weil sie dort Unterricht geben) und trommeln die
Menschen selber zusammen. Dann wird untersucht und gegebenenfalls behandelt.
In der Wiese. Mit Glueck gibts einen Tisch und eine Bank. Die Menschen
setzen sich in grossen Gruppen in die Wiese und warten geduldig. Viele
Kinder und Halbwuechsige schaun einfach zu. Fuer den Malariatest braucht man
Fingerblut, und was fuer Finger ich da sehe... Also ich kann sagen, beinahe
die Haelfte aller Tests ergibt Malaria falciparum (die gefaehrlichste).
Heute haben wir 66 PatientInnen aus zwei Doerfern gesehen, 35 Tests waren
falciparum-positiv. Als wir fertig waren, war unser Auto nicht da, wir
hatten es weggeschickt, weils zwei schwere Faelle gab, die ich lieber in
unsere Klinik bringen hab lassen. Da hat der Ketana-Anfuehrer in sein Haus
zum Kaffee eingeladen. Ein grosses rundes Haus, ohne Fenster, innen
unterteilt fuer Tiere, Material und Menschen. Da sind wir dann alle
gesessen, die Huehner zwischen uns und es gab Suesserdaepfel und Kaffee mit
Butter und Salz. Ja, der Kaffee, nicht die Erdaepfel... aber einer von
meinem Team hat mich gerettet und meinen Kaffee heimlich ausgetrunken. Sehr
freundlich und gastfreundlich war die Familie, wir waren schliesslich doch
acht Menschen zu Gast.
Da ich annehme, dass Montag, spaetestens aber Mittwoch dieses Unternehmen
"Mobile Treatment" von den hiesigen Behoerden eingestellt wird, geh ich bis
dahin taeglich raus. Aber erschoepfend ists schon. Daneben gibts ja den
ganzen anderen Kramuri auch noch. Daten sammeln, die anderen Teams
rausschicken und danach empfangen, diese Informationen verwerten, Buch
fuehren und Betreuen der PflegerInnen im ambulanten Bereich und so gehts
halt dahin. Noch zwei Wochen. Die Landschaft ist huebsch, aber das hab ich,
glaub ich, schon erwaehnt.
Sonntag, 18.1.
Heute ist Luigi, unser italienischer Administrator abgereist. Er hat einen
Job bei Greenpeace Italien bekommen, und den hat er sich gewuenscht. Statt
ihm ist jetzt Virginie da, eine Franzoesin. Sie spricht aber englisch mit
amerikanischem Akzent, war einige Jahre in New York.
Shopping in Boditi. Gestern ist naemlich mein Gummischlapfen zerrissen, also
musste ich neue kaufen. Ich trag ja fast nichts anderes hier. Weil ich schon
dabei war, hab ich ein Wolltuch auch noch gekauft, meines ist ja zu
Silvester verschwunden und wenns jetzt regnet kanns abends kuehl werden. Es
hat in der Nacht schon wieder geregnet und Marianne hat am Klo gleich zwei
Gelsen gesehen! Insgesamt wird deutlich vom Zusperren geredet, ich nehme an,
konkretere Entscheidungen werden in den naechsten Tagen fallen.
Malaria-Emergency ists ja derzeit wirklich keine, aber wenn wir noch ein
bisserl warten, kanns das schon wieder werden. Gelsen gibts dann wieder und
Kranke gibts auch noch genug.
Nach dem shopping hab ich gearbeitet. Meine Statistiken und Daten schreiben
sich nicht von allein, leider, der Wochenbericht war faellig und die Kiste
fuer morgen musste auch noch gepackt sein. Jetzt gibts hoffentlich bald
Nachtmahl. Draussen zirpen viele Grillen und es ist ganz finster.
Dienstag, 20.1.
Heute ist Feiertag. Schon wieder Heilige drei Koenige, was natuerlich fein
ist, weil ich ja nie genug krieg vom Schlafen.
Gestern wars anstrengend, es regnet ja jetzt viel, vor allem in den Naechten
(kann ganz tolle Gewitter geben hier) und ich hab mich in der Frueh mit
meinem Team nach Zegere aufgemacht, um dort Malaria zu behandeln. Zegere
waere ja gar nicht so weit weg, aber die Strasse ist schlecht. Wir haben die
laengere, angeblich bessere genommen, sind einmal quergestanden und zweimal
im Gatsch haengengeblieben. Nach eineinhalb Stunden haben wir dann unser
Ziel erreicht und es gab sehr viele Kranke (77) unter drohendem Regen (der
ist aber gluecklicherweise ausgeblieben), bei der Rueckreise nahmen wir dann
doch die kuerzere Strasse mit zwei Bruecken, an die ich lieber nicht zu oft
denke. Dann wars schon halb fuenf...
Wasser ist ein Problem hier, soviel ist klar. Oft gibts keines, die Frauen
holen es von weit her in Tonkruegen oder auch Plastikkanistern. Lasten
binden sie sich auf den Ruecken. Oder es regnet und alles versinkt in Gatsch
und Lacken. Da brueten dann die Moskitos. In den Lacken wird auch Waesche
gewaschen und ueberhaupt wird jedes Wasser benuetzt. Bei der gestrigen
Kaffeinladung nach der "Sprechstunde" haben sie mir Lackenwasser zum
Haendewaschen angeboten (und ich war dankbar dafuer). Abwasser ist dann das
naechste Problem, weil sie keine Klos bauen, sondern alles gleichmaessig in
der Umgebung verteilen sozusagen. Das wird dann "in den Wald gehen" genannt.
Fuer mich schon gar nicht leicht, weil ich ja immer und ueberall ziemlich
viel Begleitung habe, die ich kaum wegkriegen kann... aber hier gibts ein
Sprichwort, das sagt, dass es leichter sei im Krieg zu sein als in solcher
Not... Ja, und der Zugang zu medizinischer Versorgung, der ist ueberaus
mangelhaft. Fast alle PatientInnen, die wir draussen in den Bezirken sehen,
hatten gar keine Behandlung bis dahin.
Heute kommt das Koordinationsteam aus Addis angereist. Das wird meetings
heissen... aber auch Entscheidungen. Das Projekt soll ja geschlossen werden.
Na ja, gleichzeitig wollen sie eine Studie starten ueber die Sterblichkeit
in der Region in den letzten drei Monaten. Abwarten... wenn das heisst, dass
wir mein Mobile Malaria Treatment auch gleich einstellen, dann fahr ich in
ein freies Wochenende jetzt noch, vor meiner Abreise... der Gedanke hat auch
was Nettes.
Donnerstag, 22.1.
Sie sind abgereist! Von Dienstag abends bis gestern gabs sozusagen
durchgehend meetings mit dem Team aus Addis. Die Entscheidungen sind
gefallen, wir schliessen die Malaria-Emergency. Der Fahrplan ist festgelegt
und heuts gehts dran, die frohe Botschaft den Angestellten zu vermitteln.
Ich werd also gerade rechtzeitig abreisen und nicht mehr die letzte Phase
miterleben. Was das Abreisen betrifft: mein Flug geht am Freitag den 30. am
Abend und wahrscheinlich ueber Frankfurt gleich nach Wien.
Heute bin ich muede und ein bisserl faul, morgen fahr ich wieder raus mit
meinem mobilen Team. Da ist doch noch einiges herzurichten. Die Stimmung ist
derzeit hier etwas gestresst, das laesst sich nicht leugnen. Ich glaub, ich
werd das Nachtmahl waermen gehen und schauen, dass das Feuer (so eine grosse
schoene Feuerstelle, wird mir sehr abgehen) gemacht ist...
Montag, 26. 1., abends
Gestern haben Diana, Virginie und ich einen Sonntagsausflug gemacht. War
recht anstrengend, viel Auto, aber wir haben auch einiges gesehen. Zuerst
zwei Stunden Strasse nach Shashemene, die kenn ich ja schon. Dann gings
weiter nach Wonde Gene, zu den heissen Quellen. Da gibts ein Hotel und eine
Art Thermalbad. Ich hab auf das Cola auf der Hotelterrasse verzichtet,
obwohl die Aussicht von dort uebers Riff Vally, den grossen Graben, wirklich
sehr nett ist. Aber ich wollte baden gehen. Streng getrennt die Umkleiden
und die Duschen, aber ohne Tueren. Zwei Becken, ein groesseres und ein
kleineres, seichteres. Also, zuerst die Dusche, kleinere Wasserfaelle von
der Bergkante, mit ziemlicher Wucht und recht heiss. Dann ins Becken. Nur
Maenner drin, und die meisten offenbar Nichtschwimmer, also an den Raendern.
Ein paar Laengen und wieder in die Dusche. Diesmal kams mir nicht mehr so
heiss vor, also konnt ich richtig drunterstehen und die Massage geniessen.
Aber schon gings weiter mit dem Auto, nach Awassa.
Regionale Hauptstadt, an einem See gelegen. Schoenes Ufer, etwas Schilf,
Gras, Seerosen und Voegel. Ich weiss nicht, heissen die Marabus, die
riesengrossen und ziemlich haesslichen Voegel mit dem roten Buckerl?
Ueberdimensionale Wasserstoerche in dunkel... Dann waren wir essen auf einer
Hotelterrasse an der Hauptstrasse. Fisch. Der See ist sehr fischreich, hat
Krokodile und Bilharziose.
Nur mehr ein kurzer Spaziergang und schon wars Zeit zum heimfahren. Heiss
ists in Awassa, ich glaub es liegt einiges tiefer als Boditi. Wenn ich dran
denk, dass ich nur mehr drei Tage da bin, dann ueberkommt mich fast die
Panik. Was da noch alles zu tun waer... Die mobilen Behandlungen machen mir
Spass. Da fahr ich mit meinem Team raus und lande nach einigen Gespraechen
mit wichtigen Maennern in einem Dorf. Meine Leute verteilen sich, einige
organisieren Baenke und ein Tischerl, einige trommeln die Menschen zusammen.
Dann kanns losgehen. Und viele kommen. Eindrucksvolle Bilder.
Donnerstag, 29.1.
Unser mail funktioniert vielleicht heute wieder... also, hier bin ich am
Abschliessen. Abends wirds ein Fest geben und ich krieg Geschenke. Freitag
frueh fahr ich nach Addis, Mitternacht geht der Flug nach Frankfurt und nach
11 dann der weiter nach Wien. Ich werd wohl einigermassen muede sein, so
etwa 30 Stunden Reise. Am schwersten wars, die mobile Behandlung an Laila zu
uebergeben. Nicht, weil sie es nicht gut macht, sondern weil ichs so gern
gemacht hab.
*Ende*
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