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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. Maerz 2004; 05:53
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Aethiopien:

> Dann irgendwie auch Weihnachten

Briefe aus Afrika. Teil 3

Lisa Langbein berichtet von einem Hilfseinsatz fuer "Aerzte ohne Grenzen"
(MSF)

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Boditi, Sonntag, 21.Dezember

Montag und Dienstag sind noch Werktage, aber Weihnachtsstress gibts hier
nicht, weils auch Weihnachten jetzt nicht gibt, das kommt erst am 7. Jaenner
hier. Wir haben noch nicht einmal besprochen, was wir am 24 tun werden,
ausser die Koechinnen bitten, etwas Feines zu kochen und Diana haben wir
beauftragt, aus Addis Wein mitzubringen.


Donnerstag, 25. Dezember

Gestern vormittag sind der Chef der Mission und die Medizinische
Koordinatorin aus Addis hier eingetroffen, um mit den Behoerden zu
verhandeln. Zwischendurch und danach einige Debatten und Gespraeche und
meetings unterschiedlicher Art, dann irgendwie auch Weihnachten. Unsere
Gaertner haben den Tukul mit einigen Rollen Klopapier und mit Blumen recht
faschingsartig geschmueckt, unsere Koechinnen haben ein Schaf gekauft, das
wurde dann gegrillt. Das Addis-Team hat Wein gebracht. Nach dem (sehr
spaeten) Essen gabs auch Geschenke, weil jede/r hatte drei zu besorgen und
zu verpacken, die Packerln wurden nach dem Zufallsprinzip verteilt. Ich hab
drei Kaffeschalen und ein traditionelles weisses Tuch bekommen.

Um eins in der Nacht hab ich dann erfahren, dass ich bei den weiteren
Verhandlungen dabei sein soll, weil Alyosha nach Addis soll. Was zusaetzlich
wohl heisst, dass mir die ganze Statistik (nicht nur die Datensammlerei)
allein bleibt. Und die Verhandlungen sollen schon morgen sein. Na ja, einige
Flexibilitaet wird da schon gefordert, zuerst Kliniken, dann Statistiken,
dann auch Pharmacie und jetzt verhandeln gehen. Und das alles innerhalb so
kurzer Zeit.

Lustig sind die Vogerln hier. Ich mein nicht die Aasgeier, die in unserem
TFC regelmaessig in Rudeln auf dem grossen Baum hinten sitzen. Und nicht die
etwas ueberdimensionierten Kraehen, die es sowohl in Schwarz als auch in
Schwarz-weiss gibt. Es gibt auch kleine, einiges kleiner als Spatzen, und
zwar in vogelgrau, in blau und grau und in rot und grau. Hab hier schon
Schmetterlinge gesehen, die groesser waren. Und Voegel in Amselgroesse, die
sind Orangebaucherln. Dann noch kleine in Spatzengroesse mit langem blauen
Schwanz. Und sie alle machen Musik, oder Krawall. Hunde sieht man wenig,
aber Hyaenen heulen in der Nacht. Sollen schon herein- gekommen sein, aber
ich sah noch keine. Auch wenig Ungeziefer, ich vermute sie vergiften unser
Gelaende und unsere Zimmer regelmaessig und heftig. Was entschieden auch
angenehme Seiten hat. Bei all den schoenen Blumen imponiert mir am meisten,
dass die Amaryllis hier im Garten wachsen und bluehen.

So schoen's hier ist, es hat auch seine schwierigen Seiten. Das Verhandeln
ist aber nur eines, das, worums geht, das ist das Schwierige. So viele
Kranke, und, wenn auch schon weniger, immer noch so viele Tote. Das
Hauptproblem ist wohl der Mangel an Transportmoeglichkeiten und an Geld. Und
das Beduerfnis der Behoerden, nichts davon zu sehen, weil sie gut dastehen
wollen/muessen. Im TFC gibts eine Nachtrunde, da faehrt eine/r noch gegen
neun Uhr hin und schaut, obs Probleme gibt. Manchmal bin ich dran.

Da faehrt das Auto durchs finstere Boditi, gestern war die Strasse voller
Splitt, weil sie sie tagsueber repariert haben. Dann ins finstere TFC und
vor die Tuer von der "Intensivstation". Drinnen freundliche Pfleger, viel
Begruessung und schwerstkranke Kinder. Wenn eines in kritischem Zustand ist,
dann wirds mir gezeigt. In unsren Kliniken liegen die PatientInnen (und
nicht nur die Kinder) uebrigens nicht allein. Es ist immer wer bei ihnen.
Diese Pflegeperson (caretaker) ist sehr wichtig in der Betreuung. Fuer sie
gibt es eigene Wasch- und Kochplaetze. Und auch ein bisserl Essen.


Sonntag, 28.Dezember

Es wird arbeitsreich sozusagen. Die Freitag-Verhandlungen waren sehr
positiv. Ich hab mich aber auch fest konzentriert und alle Erfahrungen aus
den letzten Jahren aktiviert. Und den stoerrischen Herrn volley genommen.
Also, jetzt duerfen wir zumindest ein bisserl. Und von Sperren ist gar keine
Rede mehr. Das Outreach Team darf wieder raus. Sie sollen in den Doerfern
Unterricht ueber Malariaprophylaxe geben und daneben koennen sie Daten
sammeln. Koennte Sinn machen. Muss nur Training fuer die 25 Menschen
vorbereiten, damit sie das auch koennen...Zweitens, wir duerfen ambulant
werden. Start in drei Ambulanzen. Muss nur alles vorbereiten, was unsere
PflegerInnen dann brauchen und was sie wissen muessen.

Also, einiges zu tun. Zusaetzlich hab ich die Daten der Gesundheitsposten
fuer die letzte Woche noch nicht eingesammelt, das taet auch noch ein paar
Stunden brauchen.

Es wird einen Wechsel an der Spitze der hiesigen Behoerden geben, und der,
der nachruecken wird, ist sehr MSF-freundlich. Also koennt es sein, dass das
jetzt erste Schritte sind und ich doch noch zu meinen Hausbesuchs-Ambulanzen
komme, die die Menschen dort behandeln, wo sie krank liegen...abwarten.

Heut ist aber Sonntag. Eigentlich wollten wir alle zu einem See fahren.
Gefahren sind aber dann nur zwei, der Rest ist hier geblieben, zu viel
Arbeit oder zu muede. Ich wegen der Vorbereitung der naechsten Woche. So
tickt also die Uhr heute laut, weil da sind wenig Menschen und es herrscht
Ruhe im Logistik-Buero. Mir gegenueber sitzt Marianne und liest ihre mails.
Grad haben wir von dem Erdbeben im Iran gehoert, bzw. gelesen.

Es ist ein witziges Team hier mit drei separaten Sprachen (drei deutsch,
drei italienisch und drei skandinavisch) und einer gemeinsamen (englisch).
Also ein Team ohne Franzoesisch, wenn nicht gerade die Menschen aus Addis da
sind. Aber mit ziemlich viel Gebloedel und Sprachenmix. Gestern hab ich
schon eine kleine Runde durch den Bezirk gemacht, weil ich doch die Daten
unbedingt wollte. War aber nicht sinnvoll, weil am Samstag ist nicht
ueberall wer da. Daher hab ich ein bisserl mehr Zeit gehabt fuer die Damot
Makonissa Klinik. Das ist ein Gesundheitsposten hier, der von einem
italienischen Orden betrieben wird. Die Toechter der heiligen Anna. Und
Schwester Mena hat mir gestern eine kleine Fuehrung und eine Tasse Tee
geboten. Sie haben auch einen Kindergarten, eine Schule, eine Kirche, eine
Kapelle, Kuehe, einen Garten und ein Wohnzimmer mit einer riesigen
Fototapete auf der ein franzoesisch getrimmter Garten zu sehen ist. Woyalita
mit Spitzendeckerl sozusagen. Woyalita ist die ganze Region hier, mit einer
eigenen Sprache. In Aethiopien "spricht man" Amharik, als zweite Sprache
gilt englisch. Danke in amharik heisst amasagnallo (oder so). Aber hier in
der Region sprechen sie Woyalita. Da heisst danke dann tossimo. Es gibt
offenbar ausserhalb der Region nicht viele Menschen, die Woyalita sprechen.
Auch unser Personal aus Addis tut sich schwer und braucht manchmal
Uebersetzung.


Samstag, 3. Jaenner 2004

Also, es ist Samstag, die Sonne scheint, recht warm ists geworden in den
letzten Tagen. Es wird auch in der Nacht momentan nicht kalt, sechs Uhr
frueh : 17 Grad. Tagsueber derzeit so 28 bis 30 im Schatten und viel weniger
Wind. Dafuer noch mehr Staub. Ich sitz im Log-Buero weil ich auf einen
Funkkontakt mit Tomtome Menta warte, aber die scheinen drauf vergessen zu
haben.

Es war eine turbulente Woche irgendwie, begonnen hat sie am Montag mit dem
Beginn eines zweitaegigen Trainings fuer mein Outreach team. Sie sollen ja
ausschwaermen und Unterricht ueber Malaria in den Doerfern geben, nebenbei
auch Daten zurueckbringen. Also mussten sie lernen, was sie lehren sollen.
Unterricht fuer etwa 25 Menschen, war ganz lustig. Zwei Experten hatte ich
geladen, den hiesigen Chef der Gesundheitsbehoerden und unseren Logistiker.
Zweiterer ueber Wasser-Abwasserfragen, ersteren aus diplomatischen Gruenden.
Den Rest hab ich allein gemacht. Gruppenarbeiten und Pausen sind etwas
schwierig gewesen, auch die Uebersetzung war nicht immer ganz ideal, aber
insgesamt glaub ich, waren wir nicht so schlecht. Wir wissen jetzt unendlich
viel ueber die weibliche Anopheles (Malaria-Uebertraegermuecke).
Gleichzeitig war ein Zeichner am Werk um Bildlein zu produzieren, die die
Stunden unterhaltsamer und klarer machen sollen.

Wir brauchen aber von jedem Bild zehn Stueck, also war er nicht nur
Kuenstler sondern gleichzeitig Kopierer, weil die Bildlein sind A3 und
bunt... unser Fotokopierer ist uebrigens heute von der Reparatur aus Addis
zurueckgekehrt. Wir sollen ihn nicht so viel verwenden.

Mittwoch sind meine - inzwischen selbst ExpertInnen - zum ersten Mal
ausgeschwaermt, anschliessend war Team-meeting mit offenen Fragen. Den
Vormittag, wo sie draussen waren hab ich benuetzt um mit den beiden Pflegern
auszuhandeln, wie sie in den beiden Gesundheitsstationen (Lera und Buge
clinic) arbeiten sollen. Sie machen dort Malariabehandlung mit Quinine.

So war mein Fruehschluss am Mittwoch gegen halb sieben. Schon ab sechs Uhr
waren unsere beiden schwedischen Aerztinnen mit Dusche und Umkleide
beschaeftigt. Trotzdem war ein gemeinsames Nachtmahl nicht vor acht
moeglich, was fuer die beiden ein bisserl erschuetternd war, sie haben sich
mit den beiden letzten Bieren getroestet (in schwarzem Cocktailkleiderl
sozusagen). Anna hatte die neuen Stoeckelschuhe an, die hatte ich fuer ihren
Geburtstag am Montag davor hier in Boditi besorgt. Gar nicht so leicht, in
Groesse 40, aber so kenn ich jetzt viele Geschaefte.

Nach dem Nachtmahl sind wir ins Global Hotel gefahren. Das ist der hiesige
Gesellschaftstreffpunkt und gleichzeitig der hiesige Suendenpfuhl. Viele
unserer MitarbeiterInnen aus Addis wohnen dort. Wir hatten zu einem Umtrunk
fuer alle geladen und - wie immer bei Parties hier - gab es grossen Zuspruch
und viele TeilnehmerInnen. Fast mein ganzes Outreachteam ist gekommen...Mit
Tanz und Geplauder ist die Zeit bis Mitternacht aber recht gut vergangen.

Dann gabs Kuesschen und Reggaemusik ("is this love, is this love what I am
feeling" um Mitternacht). Mein schoenes weinrotes Kaschmirtuch ist aber
leider dabei verschwunden. Gegen halb zwei war ich im Bett. Unser Tukul war
wieder geschmueckt. Lila Blumen und Klopapier. Ich glaub wir werden das
beibehalten, weil es so praktisch ist. Wer auch immer eine Serviette oder
ein Taschentuch braucht kann sich einfach bei der Dekoration bedienen.

Am ersten Jaenner, nach einem faulen Vormittag hatte ich einiges
vorzubereiten fuer Freitag. Danach haben wir einen Spaziergang gemacht
(verbunden mit noetigen Einkaeufen). Also, so Spaziergaenge machen wir ja
nicht allein. Nach etwa zehn Minuten taeten wir eine ordentliche
Demonstration darstellen, ich hab schon an kleineren teilgenommen. Vor
allem, aber keineswegs nur, Kinder aller Altersstufen. Ergebnis nach einer
halben Stunde Gehzeit : beide Taschen leer (trotz grosser Aufmerksamkeit)
ein paar Flohstiche an den Unterarmen und eine Menge neuer Bekannschaften.

Dann sind wir hier zusammengesessen und haben gebloedelt. Zwischendurch
kamen Fahrer,die den Tag fuer Autoservice (wir haben natuerlich eine Menge
Autos) benuetzt haben, um Bericht zu erstatten. Das geht dann so (die Fahrer
koennen auch nicht alle gut englisch) :The service was okay? Yes.

The Car is strong ? No. Thanks, have a good night. (Teo). Dr Anna hatte kurz
schwedischen Besuch auf der Durchreise (manchmal kommen hier Touristenautos
durch, erkennbar am vielen Gepaeck), sie haben eine Flasche Champagner
mitgebracht und die Haelfte davon war noch da, also haben wir sie zu neunt
ausgetrunken. War nicht schwierig. Freitag ging mein Outreachteam - es
heisst aber jetzt Malaria Awareness Team - so richtig hinaus und die beiden
Pfleger erstmalig in die Gesundheitsstuetzpunkte. Ich hab mich auch in ein
Auto gesetzt und eine Runde gemacht, zu allen Gesundheitsstuetzpunkten fuer
die Daten der letzten Woche und um meine Pfleger zu besuchen. Praktisch der
ganze Tag im Auto holperdipolter. Hab leider nicht alle Daten bekommen, muss
Montag noch eine kleinere Tour machen. Kunassa Fullassa hat der Fahrer
einfach nicht gefunden, da war die Strasse mittendrin unpassierbar und es
war schon spaet, also hab ich die Suche dann abgebrochen. Inzwischen hat
Lucia die Inventur unserer Pharmacy begonnen und die Ergebnisse sollte ich
jetzt in den Computer eintragen. Wenn er jemals frei wird. Ihr seht, es war
wirklich eine turbulente Woche. Muss vor allem ein neues Tuch kriegen in den
naechsten Tagen und morgen an den See fahren. Und duschen.
*Fortsetzung folgt*



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