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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. Maerz 2004; 06:11
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Antisemitismus/Debatte:

> Die Ideologie und die Gewalt

Welch schoener Satz: "Das Sein (oekonomisch) bestimmt das Bewusstsein": Wie
waers aber mit: "Die Ideologie bestimmt die (politische) Gewalt"?

Irrtum! Die Araber sind "Semiten", der Begriff "Antisemitismus" bedeutet
aber "Abneigung oder Feindschaft gegen Juden" und nichts anderes. Das ist
die Definition. So ist sie seit langem festgelegt. Wer Begriffe einfach
subjektiv umdefiniert, verwirrt nur die Diskussion.

Zeigt das nicht unser "Problem", unsere "Verwirrung"? Kein (linker) Mensch
hat doch was dagegen, wenn Linke Besetzung, Mauerbau, Missachtung von
UN-Resolutionen, gezielte Attentate und "Strafaktionen" in
Palaestinensergebieten kritisieren. Tut mir leid, aber ich habe das Gefuehl,
dass die Kritisierten auf Wesen und Problematik des linken Antisemitismus
nicht eingehen. Zu Ursachen rund um den Israel-Palaestina-Konflikt gibt es
unzaehlige gute Sachbuecher und Dokumentationen. Es ist sinnlos, das in der
akin abzuhandeln.

Es geht um pauschale Verurteilung, Vereinfachung, Schuldzuweisung,
einseitige Betrachtung, Anlegen verschiedener Massstaebe, Ignorieren des
Wesens des linken Rassismus und Verrat an eigenen Idealen. Es ist nicht
"irgendeine" Linke, die den "linken Antisemitismus" am Leben haelt. Es sind
vor allem KP und KP-nahe Linke, radikale Kapitalismus-Kritiker, jene, die
die USA und Israel zum "imperialistischen" und "neoliberal-kapitalistischen"
Feindbild auserkoren haben. Es geht um Feindbild-Denken! Um eine "Linke",
die die dortigen Umstaende und Zusammenhaenge nicht unvoreingenommen
betrachtet, sondern "ideologisch" vereinnahmt und vereinfacht. Es geht um
links-ideologischen Hass auf Israel!

Da wird mit zweierlei Mass gemessen. Dazu ein Beispiel: Um die (haessliche)
"Klassengesellschaft" in Israel aufzuzeigen, wird seitenweise ganz genau
analysiert. Doch die Attentate im Irak werden pauschal zum "Widerstandskampf
gegen die Besatzer". So wird die Wirklichkeit ideologisch verdreht. Denn im
Irak gibt es viele Volksgruppen. Kurden und Schiiten wurden vom Regime
brutal unterdrueckt, und sind (wie vermutlich sogar die Mehrheit der
Sunniten) gluecklich darueber, dass das Saddam-Regime fort ist. Die
"Klassengesellschaft" des Irak wird also voellig ignoriert.

Immer wieder stehen nur Israel und die USA am Pranger, wenn es um Rassismus,
Klassengesellschaft und Imperialismus geht.

Auch die (gesellschaftliche) Realitaet im Nahen Osten wird voellig
missachtet. O.k. , ich habe ja nichts dagegen, dass man auf Seiten der
Schwaecheren steht. Nur, wer ist im Nahen Osten "DER Schwaechere"? Ich
wundere mich, dass sich "Linke" so mir nichts dir nichts auf Seite der
Palaestinenser stellen. Denn die Gewalttaeter unter den Palaestinensern
verherrlichen den "Maertyrer-Tod". Wer Palaestinenser unterstuetzt ohne
Methoden und Ziele der Terrorgruppen klar und eindeutig zu verurteilen,
unterstuetzt diesen "Religionsfaschismus". Das ist doch hoechst eigenartig!
Eine "Linke" ergreift Partei fuer die "heilige Befreiung des Tempelberges in
Jerusalem" und definiert den "Maertyrer-Tod" vulgo "Selbstmordattentate"
gegen kaffeetrinkende Intellektuelle oder mit dem Bus fahrende Schulkinder
als "Widerstand gegen eine Besatzung"!

Ein geradezu peinlicher "linker" Standpunkt!

Aergerlich ist, dass z.B. voellig missachtet wird, dass Israel eine
Demokratie ist und die dortige Regierung Bevoelkerung und Medien Rede und
Antwort stehen muss, waehrend im palaestinensischen Gebiet es aufgrund des
dortigen Gewalt- und religioesen Maertyrertod-Klimas nicht moeglich ist,
eine eigene Meinung zu aeussern. Dieser Umstand ist ganz sicher das
Hauptproblem am Weg zu einem Frieden im Nahen Osten (abgesehen davon, dass
arabische Staaten die Gewalt der Selbstmordattentaeter finanziell und
militaerisch unterstuetzen).

Eine Linke, die konsequent gegen Rassismus und Antisemitismus auftritt und
dabei ernstgenommen werden will, muss sich von allen Aussagen,
Weltanschauungen, Formulierungen, Verschwoerungstheorien und vor allem den
Personen einer rechtsradikalen Szene KLAR und EINDEUTIG abgrenzen! Die -
kritisierte - Linke tut das aber nicht, und in vielen Aussagen von
Globalisierungsgegnern und KP-nahen Linken kann man jede Menge
Aehnlichkeiten mit denen von Le Pen, Haider und anderen Rechten entdecken.
Das ist keine Einbildung einiger Verwirrter! Das kommt davon, weil beide die
gleichen (pauschalen) Feindbilder vertreten und zu Vereinfachungen neigen.
Rassismus korreliert mit "wenig Bildung". Es ist kein Zufall, dass 1932
diese Gesellschaftsschicht statt KP oder SP die NSDAP waehlten, oder Waehler
in Scharen von einer SPOe zur extremen Rechten ueberlaufen bzw. nicht wenige
Gewerkschaftsfunktionaere (in den USA) offen rassistisch argumentierten oder
fuer rassistische Gesetze (vor allem Ende 19., Anfang 20.Jhdt) stimmten.

Uebrigens: Zahlreiche linke Israelis sind in den letzten Jahren von ihrer
eher palaestinenserfreundliche Haltung abgerueckt (prominentestes Beispiel:
Benny Morris, das ist jener Buchautor, der als Erster die Verantwortung der
Israelis an den Massakern und der Vertreibung der Palaestinenser 1948
aufgedeckt hat).

PS: Ich glaube nicht, dass es einen Konflikt zwischen Juden und Muslime
(wieviele Richtungen und Splittergruppen des Islams gibt es eigentlich?)
gibt, sondern einen zwischen Juden und Araber. Und ich schreibe es noch
einmal: Es gibt maechtige ideologische Verbindungen zwischen
Nazionalsozialismus und arabischen Antisemitismus. Seit langem! Und es gibt
einen "Weltkonflikt" zwischen radikalen Islamisten und "Unglaeubigen" und
viele Ursachen dafuer. Und es gibt - seit Jahrtausenden - den Konflikt
zwischen religioesen "Puristen" und "Blasphemikern" und das ist der Grund,
warum Formulierungen religioeser Fundamentalisten in den USA in mancher
Hinsicht denen der El Kaida sehr aehneln.

PS 2: liebe Dora! Zu glauben, dass die UdSSR bzw. andere Staaten mit
"Marxismus" nichts zu tun haben, ist reines Wunschdenken. Wir kommen nicht
daran vorbei, aber ein "kommunistisches" oder "marxistisches"
Gesellschaftssystem kann nicht demokratisch sein. Dieses System kann die
individuelle Gestaltungs- und Unternehmensfreiheit nicht akzeptieren und die
rein staatliche Erzeugung und Verteilung von Guetern wird ab einer
bestimmten Groesse immer wieder nur hoechst buerokratisch funktionieren und
so zu Versorgungsengpaessen fuehren. Allen diesen Staaten (die sich ja
teilweise auch als "marxistisch" definieren) ist gemein: Es gibt keine
Ersatzteile; die Bevoelkerung wird zwangsumgesiedelt oder einer bestimmten
Arbeit einfach zugeteilt; wer Geld hat, kann wenig bis gar nichts einkaufen,
weil Regale leer sind; die Stromversorgung funktioniert nicht.... Und in
Nordkorea ist dieses System so absurd, dass taeglich Millionen Menschen
unterwegs sind, um irgendwo irgendetwas essbares bzw. verwertbares zu finden
(da hat es jeder Bettler in New York tausendmal "schoener") und hinter
jeweils vier bis fuenf arbeitende Menschen ein Aufpasser steht, ein Mann
oder eine Frau von der Regierung, der/die nichts anderes tut als darauf
aufzupassen, dass auch brav gearbeitet wird.

Und es ist wirklich kaum zu glauben: Aber hunderte Menschen der normalen
Bevoelkerung muessen auf den naechsten U-Bahnzug (hoffentlich kommt er bald)
warten, denn die hundert Touristen haben absoluten Vorrang und duerfen auf
keinen Fall mit der Normalbevoelkerung "in Beruehrung kommen". (gesehen auf
ARTE vor rund 2 Wochen) Das ist Nordkorea: Die "Karikatur" einer
"Klassengesellschaft".
*Thomas Herzel*



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