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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. Februar 2004; 19:23
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Antisemitismus/Debatte:

Zu Fritz Pletzls Glosse "Was sind alle? Antisemiten!" in akin 5/04. Diese
erschien auch im Widerst@ndsMUND. Darauf gab es dort folgende Reaktion:

> "Sterile Freundlichkeit" und "milder Antisemitismus"

Fritz Pletzl (FP) wendet ein bewaehrtes Mittel der Demagogie an, er
unterstellt Heribert Schiedel, dieser wuerde ueberall lediglich
Antisemitismus sehen. Der akin-Schreiber FP gibt an, seine Adoptiveltern
waren Sozialdemokraten und "milde Antisemiten". Wie kommt es, dass dieser
"milde" Antisemitismus einen solchen Eindruck auf ihn machte? FP: "Selbst
als Erwachsener fiel es mir nicht leicht, vollkommene Unbefangenheit
gegenueber jemand, z.B. von der Kultusgemeinde zu zeigen. Es war so etwas
wie sterile Freundlichkeit, scheue Vorsicht." Damit bestaetigt Pletzl das,
was nicht nur Schiedel behauptet, sondern auch alle serioesen
Meinungsforscher dokumentieren, naemlich dass Antisemitismus in Oesterreich
nicht nur weit verbreitet, sondern auch ziemlich verwurzelt ist.

Pletzl scheut sich nicht falsch und selektiv zu zitieren: "Und fuer
muslimische MigrantInnen in Oesterreich stelle der Antisemitismus so etwas
wie ein 'Integrationsangebot von Seiten der oesterreichischen Bevoelkerung'
dar." Schiedel sagte demgegenueber: "Fuer muslimische MigrantInnen in
Oesterreich stellt der Antisemitismus auch so etwas wie ein
unausgesprochenes Integrationsangebot von Seiten der oesterreichischen
Gesellschaft an sie dar."

Sieht Schiedel in den Anschlaegen des 11.9.2001 einen dramatischen
Wendepunkt, so ist FP der Meinung, dass dies nur fuer Muslime gelte: "So
leben israelische Staatsbuerger meist wesentlich besser und koennen ohne
jegliche Probleme die USA und die westlichen Staaten bereisen, was
arabisch-staemmigen Reisenden meist nur mit grosser Muehe gelingt. Israelis
geniessen zumindest in den USA breiteste Rueckendeckung vor dem
'palaestinensischen Terror' (...)." Die angebliche bessere Behandlung von
israelischen Reisenden in den USA und in westlichen Staaten hat zwar mit dem
Thema Schiedels -- dem in Oesterreich konstatierten Antisemitismus -- nichts
zu tun, aber FP sind alle Mittel Recht, um folgenden von Schiedel
aufgezeigten Sachverhalt zu bagatellisieren: "(...) das Forum gegen
Antisemitismus meldet fuer das letzte Jahr eine signifikante Zunahme an
antisemitischen Drohungen und Uebergriffen in Oesterreich, vor allem in
Wien. Sie stiegen um mehr als 30 Prozent auf 127 gemeldete Faelle. Bei
antisemitischen Taten kommen die Angreifer nach den Beobachtungen vermehrt
aus dem arabischen Raum bzw. haben einen militant-islamischen Background."

FP, der den palaestinensischen Terror, dessen Opfer zu 80% ZivilistInnen
sind, in Anfuehrungszeichen setzt, beschuldigt dann noch Schiedel, dieser
erkenne "einfach jegliche Ursachen ihrer antijuedischen Attacken ab".
Demgegenueber begruendet FP diesen gegen Juden gerichteten Terror mit
"Siedlungsbau am Fliessband im palaestinensischen Gebiet" und der
"kriegstreiberische(n) Politik der Sharon-Regierung". Fakt ist, dreimal
wurde den PalaestinenserInnen ein eigener Staat angeboten, 1937, 1947 und
2000/2001 und jedes Mal lehnten sie diese Vorschlaege ab und antworteten mit
vermehrtem Terrorismus. Die Besetzung von Tibet durch China war und ist
laenger und wesentlich brutaler und hat nichts mit der Verteidigung von
China zu tun. Die Chinesen haben wesentlich mehr Siedlungen in Tibet gebaut,
als Israel in den 1967 besetzten Gebieten. Waehrend die juedischen Siedler
lediglich eine kleine Minderheit in den palaestinensischen Gebieten sind,
wurden die TibeterInnen zu einer Minderheit in ihrem Land. Trotzdem haben
die Vereinten Nationen China nie deswegen verurteilt oder die Rechte der
TibeterInnen auf Selbstbestimmung anerkannt. Die TibeterInnen verueben auch
keinen Selbstmordterror gegen die Besatzer.

Israel hat der Palaestinensischen Autonomiebehoerde jede Hilfe bei der
Errichtung eines eigenen Staates angeboten unter der Bedingung, dass diese
alles in ihrer Macht stehende unternimmt, um den Terror zu beenden. Die
Antwort war mehr Terror. Dass es einen wohl dokumentierten arabischen
Antisemitismus gibt, will FP nicht zur Kenntnis nehmen. Sich damit
auseinander zusetzen ist nicht Sache des Akin-Schreibers. Wenn es
antijuedischen Terror gibt, meint FP, dann sind daran die Juden und
Juedinnen schuld. Seitdem er "mit der damals 12-jaehrigen Tochter seiner
Freundin durch den 2. Bezirk fuhr und sie beim Anblick von juedischen
Schuelern mit Beikeles und Kaftan lachen musste", fuehlt sich FP befreit:
"Der Bann war vorbei, meine Scheu verfluechtete sich."

Man stelle sich nur die Empoerung des Akin-Schreibers vor, wenn jemand so
ueber eine Tschadortragende Muslima lachen wuerde. Aber juedische Schueler
sind was ganz anderes. Endlich glaubt FP, die Gegenwart -- in der diese
Kinder und Jugendliche mit Beikeles und Kaftan in Wien angegriffen werden --
mit massloser Verzerrung entsorgen zu koennen. FP: "Schiedel ist zweifellos
in seiner Auflistung all derer, bei denen Antisemitismus vermutet werden
kann, sehr bemueht. (...) Wenn alle ploetzlich ueberall Antisemitismus
wittern, herrscht grosse Gefahr. Ich hab schon meinen Hund in Verdacht -- er
schaut bereits komisch." Diese -- ach so ironische! -- Art der Unterstellung
und Schoenfaerbung der oesterreichischen Verhaeltnisse kennen wir aus der
Zeit der Waldheimkampagne, als man all diejenigen, die es wagten, auf den
realen Antisemitismus in Oesterreich aufmerksam zu machen, angriff und
verspottete. Anscheinend hat der "milde Antisemitismus" seiner Adoptiveltern
bei Fritz Pletzl doch eine bleibende Wirkung erzeugt.
*Viktor Hochwalden*

***

Antwort von Pletzl:

> Leider nicht ganz verstanden...

Es ist relativ leicht, Viktor Hochwaldens Antwort auf meinen Text zu
verstehen - wenn er diesen jedoch auch verstanden haette, waeren nicht bloss
wieder Schwarz-Weiss-Muster als Resultat heraus gekommen: Hier die
abgrundschlechten Antisemiten - dort die ueber allen Zweifel Erhabenen, die
immer schon mehr als Bescheid wussten. Wuerde sich Hochwalden aber gar der
Muehe unterziehen, einige Jahrgaenge der akin durchzublaettern, kaeme ihm
durch die angebotene Vielfalt der Themen, Diskussionen und Kontroversen auch
ein etwas angebrachterer Umgangston in den Sinn. Vielleicht wuerde ihm unter
Umstaenden auch unsere politische Richtung klar werden, die weder rechtes
Gedankengut noch das Akzeptieren von Antijudaismen irgendwelcher Art
toleriert. Es ist mir etwas zu muehsam, staendig Wiedergekautes in sein
richtiges Format zu bringen, also unterlass ich das Korrigieren der
einzelnen Absaetze.

Aber vielleicht hat Hochwaldens mit der Schlichtheit seiner beiden Muster -
Antisemitismus ja oder nein -- gar nicht so unrecht. Sein Verfahren laesst
gemuetlich alles beim Alten, und statt muehsamer und ehrlicher Diskussionen
ueber Ursachen und vielleicht Hintergruende des eigenen Antisemitismus:
Feste drauf! Da ist endlich wieder einer - und da! Unzaehlige werden es
ploetzlich, eigentlich sind es eh alle. Selbst hat man die ergreifende Wahl,
sich entweder der zunehmenden Anzahl der sich als gerecht empfindenden
Jaeger anzuschliessen, das Leben als politisch Taubstummer zu gestalten oder
ehrlich zu sein, soweit es moeglich ist. Ich bin froh, alt genug fuer sowas
wie Ehrlichkeit zu sein.
*Fritz Pletzl*

***

> Anmerkung des LayOuters zu Hochwaldens Text

Man kann ueber alles sprechen. Okay, ueber fast alles, denn bei manchen
Dingen muss man schreien. Es faellt schon schwer, bei dieser Debatte ruhig
zu bleiben, aber dann muss man sich eben zusammenreissen. Aber ich habe eine
dringende Bitte: Bleibt fair! Nichts gegen harte Bandagen oder Ironie, aber
ich halte es fuer eine Stillosigkeit sondergleichen, wenn man mittels
Wortspielen unterschwellige Vergleiche anstellt. Vielleicht moegen manche
Menschen derlei fuer zulaessig und gediegen und schlau und elegant halten.
Ich kann das nicht finden: Wenn jemand meint, aus der zufaelligen Koinzidenz
eines Monogramms mit der Abkuerzung einer rechten Partei argumentatorisches
Kapital schlagen zu duerfen, sehe ich dies als einen Griff in die "unterste
Schublade" der Rhetorik an. Damit zerstoert man jede Diskussionsbasis, damit
signalisiert man Verachtung.

Vielleicht bin ich bei den falschen Dingen empfindlich. Aber das sind die
Dinge, ueber die ich nicht mehr reden kann. Da pflege ich dann zu schreien.
*Bernhard Redl*



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