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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 10. Februar 2004; 19:03
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Linke/Parteien/EU/Interview:

> Spielbein-Standbein, die Zweite?

Optimist und Noergler trafen sich neulich im Kaffeehaus. Ueber das Projekt
einer Europaeischen Linken Partei, die Fallen des Parlamentarismus und die
Zukunft der oesterreichischen Linken sprach Bernhard Redl mit KPOe-Chef
WALTER BAIER.

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akin: Es gibt jetzt also eine Europaeische Linkspartei. Wenn ich mir den
Aufruf zur Bildung der Partei* so ansehe und daran denke, dass die
europaeische Sozialdemokratie sich immer mehr von ihren Werten
verabschiedet, habe ich irgendwie das Gefuehl, es geht bei dieser neuen
Partei um die Verteidigung sozialdemokratischer Werte. Da steht: "Eine
andere Welt, ein anderes Europa ist moeglich: demokratisch, sozial,
oekologisch, feministisch, friedlich" das koennten SP, Gruene, ATTAC auch
unterschreiben. Das klingt irgendwie so nach "am Krankenbett des
Kapitalismus stehen". Ist dieser Vorwurf so vollkommen falsch?

Walter Baier: Ja! Man koennte philosophieren, was sozialdemokratische Werte
sind, das sind soziale Gerechtigkeit, Ausweitung demokratischer Rechte und
so... In der Allgemeinheit wuerde das vielleicht stimmen, aber der
Grundansatz des Projektes seiner europaeischen linken Partei, ist der, dass
der Reformismus in Wirklichkeit in der Krise ist, gescheitert ist,
angesichts der Realitaet eines neoliberalen Kapitalismus, der die totale
Profitlogik quer zu den sozialen Regulierungen und sozialstaatlichen
Schutzmechanismen durchsetzt -- und das Versprechen sozialer Sicherheit im
Rahmen des neoliberalen Kapitalismus ist gescheitert.

Der Grundgedanken des Manifests der ELP ist eine Gesellschaft, die die
kapitalistische und patriarchale Logik ueberschreitet. Man kann sich
natuerlich die verschiedenstens humanistischen Reformen innerhalb des
Kapitals vorstellen -- und ich glaub auch, dass es lohnend ist, solche
Kaempfe zu fuehren -- , aber das, wovor die Linke grundsaetzlich steht, ist
eine Gesellschaft auszudenken und zu realisieren, die nach anderen
Prinzipien als dem kapitalistischen funktioniert.

akin: Die Revolution ist also nicht gestorben...

Baier: Also in meinem Verstaendnis nicht.

akin: Das heisst, eine Gefahr der Sozialdemokratisierung siehst Du nicht?

Baier: Also im reichen Norden der Welt ist die Gefahr der
Sozialdemokratisierung immer und immens gegeben. Ich denke mir, solange es
den Leuten so geht, wie bei uns, ist der Sozialdemokratismus eine spontane
Reaktion auf den Wohlstand. Auf der anderen Seite zeigt sich aber, dass der
Sozialdemokratismus als Doktrin immer weniger im Stande ist, gegen die
Strategie eines Kapitals der Sozialdemontage einen Damm zu bilden.

akin: Also weg vom Kapitalismus und Rueckkehr zur Idee der
Vergesellschaftung -- oder doch nicht?

Baier: In jedem Fall. Vergesellschaftung ist letzlich breiter zu denken als
die etatistische Vortstellung der Verstaatlichung. Es geht um Emanzipation.
Im Gegensatz zu einem traditionalistischen Ansatz ist fuer diese
europaeische Linke charakteristisch, dass sie den Zusammenhang zwischen
Kapitalismus und Patriarchat oder auch oekologischer Nachhaltigkeit zum
Thema macht

akin: Die Ueberwindung des Gedankens der Nebenwidersprueche -- ich hab da
aber das Gefuehl, dass da der fruehere Hauptwiderspruch ein bisserl zu einem
Nebenwiderspruch verkommt. Da tut sich eine traditionalistische Linke nicht
schwer, Euch den Vorwurf einer postmodernen Beliebigkeit zu machen. Ich will
jetzt sicher nicht zurueck zu dieser unseligen Nebenwiderspruchsthese, die
Frage ist nur, ob man den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit nicht ein
bisserl aus dem Auge verliert. Die Linke erscheint ja doch eher auf dem
Rueckzug und da stuerzt man sich dann auf Themen, die gesellschaftlich eher
akzeptiert sind, wie eben Oekologie, Feminismus, Demokratisierung und geht
eher weg von einer fundamentalen Kapitalkritik. Zu all diesen anderen Themen
gibts meist sehr konkrete Ansaetze, aber bei der Kapitalkritik fehlen mir
konkrete Vorstellungen, wie man sich eine "andere Welt" vorstellt.

Baier: Wir diskutieren das in Europa und speziell in Oesterreich immer sehr
abstrakt. International wird es anders diskutiert -- beispielsweise was die
Eigentumsfrage betrifft. Das ist engstens verknuepft mit den Erfahrungen mit
der partizipativen Demokratie, die ja nicht nur in Brasilien, in Porto
Alegre gemacht werden, die ja auch gemacht werden in italienischen Kommunen,
in denen die Sozialzentren diese Frage aufwerfen.

Das zweite ist, dass, wenn man von Arbeiterklasse redet und nicht dazudenkt,
dass jedes Arbeiterklasse-Inidividuum gleichzeitig auch Migrant oder
Nichtmigrant, Frau oder Mann ist, man eine sehr abstrakte und formelhafte
Vorstellung von Arbeiterklasse hat. Wenn du naemlich zurueckgehst zu den
Wurzeln des Marxismus, kommst auf das Marxsche Emanzipationsideal, die
Aufgabe der Arbeiterklasse waere es, sich von allen Unterdrueckungsformen zu
befreien -- und ich glaub, was da heute historisch vor uns steht, ist ja,
Kapitalismus in dieser Totalitaet zu denken und herauszufordern. Das halte
ich fuer radikal, alles andere bleibt fuer mein Gefuehl im Korsett des
sozialdemokratisch-reformistischen.

akin: Gut, und wie will diese Europaeische Linke ihre Ideen durchsetzen, was
sind die "Hebel" eines solchen Zusammenschlusses? Politische Mittel hat die
Linke ja schon viele benutzt, traditionell die Arbeiterklasse mit ihren
Streiks, die Alternativbewegung mit ihrem Aktionismus, Demos oder auch
anarchistische Projekte, die ganz von unten versuchen, Gegenstrukturen
aufzubauen. Was sollen also die politischen Mittel einer ELP sein; und auch:
wer ist das politische Subjekt, dass diese Aenderungen herbeifuehren soll?

Baier: Also ich glaub, dass sich der Schwerpunkt der linken Politik aus den
Parlamenten herausverlagern muss; was wir ja erleben, ist eine Krise der
instutionalisierten Politik - und mit Recht; und daher kann eine linke
europaeische Partei vom Ansatz her, wenn das einen Sinn machen soll, nicht
den Versuch unternehmen, jetzt eine parlamentarische Struktur aufzubauen wie
die der Europaeischen Sozialdemokratie oder der Europaeischen Volkspartei...

akin: Da stellt sich aber die Frage, warum passiert so ein Projekt wie die
ELP auf EU-Ebene?

Baier: Das passiert nicht auf EU-Ebene. Das Projekt ist offen, z.B. die
norwegische Sozialisten waren bei der Gruendungsversammlung anwesend, haben
ihre Status dort aber als Beobachter definiert, weil sie gleichzeitig in der
Gruenen Foederation sind. Darueberhinaus ist das zwar ein Projekt, das mit
der EU zusammenhaengt, um bei den Europaparlamentswahlen zu kandidieren,
aber es ist offen, auch fuer Bewegungen, und auch fuer Parteien und
Bewegungen ausserhalb der EU und drittens, was ich auch fuer wichtig halte,
offen fuer Traditionslinien der Linken, die im jahrzehntelangen Gegensatz zu
traditionell-kommunistischen Parteien gestanden sind, wie die Parteien der
4.Internationalen, die sich in der aehnlichen Formation der "Europaeischen
Antikapitalistischen Linken" zusammenfinden - wo nebenbei auch die KPOe in
einer Beobachterrolle dabei ist.

Aber ausserhalb der Institutionen entsteht in Europa dass ein neues Subjekt
einer linken Opposition: die grossen Streikbewegungen der letzten eineinhalb
Jahre oder die Friedensbewegungen, die ja vom Europaeischen Sozialforum
ausgegangen sind. Das ist ein Subjekt, das anders aussieht, als man sich das
bisher vorgestellt hat: vielgestaltig, plural, auch kulturell und von den
Anaetzen her unterschiedlich; nur es zeigt sich auch, dass diese ganzen
Bewegungen auf der Ebene der Politik sich nicht artikulieren; und nicht
artikuliert werden, weil die Gruenen das nicht mehr wollen, die
Sozialdemokratie schon lange nicht mehr und da denke ich, ist es notwendig,
dass eine Europaeische Struktur diese polit. Artikulation anbietet. Aber das
macht nur einen Sinn im Zusammenhang mit den sozialen Bewegungen und nicht
als Avantgarde oder als einzige Form der Politik.

akin: Okay, also die Bewegungen muessen Druck machen. Da braeuchte man aber
auch Ansaetze bezueglicher solcher Killer-Argumentationen wie der
beruechtigten "Standortsicherheit": Ein Konzern stellt fest, dass an einem
Ort die Loehne zu hoch sind und er siedelt an einen Ort, wo es billiger ist.
Die Leute zu Protest zu bringen, die von der Absiedlung betroffen ist, ist
leicht, aber wie bringst du Protest zusammen an dem Ort, wo der Betrieb
angesiedelt werden soll. Wie machst Du den Leuten am neuen Standort klar,
dass diese Ansiedlung Scheisse ist?

Baier: Das ist genau der Punkt, dass, wenn du heute Klassenbewusstsein
entwickeln willst, du das eben nicht aus der beschraenkten Perspektive auf
den einzelnen industriellen Standort machen kannst - und das nicht nur auf
der Bewusstseinsebene, sondern auch auf der Ebene der praktischen Politik.
Du musst transnationale Kapitalfluesse soweit besteuern, dass das fuer die
Unternehmen nicht lukrativ ist, Kapital zu verlagern. Dazu brauchst Du aber
politische Macht auf der Ebene, auf der transnationale Kapitalbesteuerung
verwirklicht werden kann oder du musst durchsetzen, dass europaweit oder
sogar global einheitlich soziale Standards hergestellt werden.

akin: Da musst Du aber dann doch auf parlamentarischer Ebene taetig
werden -- oder Du erzeugst den Druck von aussen auf die Parlamente.

Baier: Das ist die Idee: Man koennte ja sagen, um politischen Druck zu
machen, brauchst Du ueberhaupt keine Parteien! Aber das stimmt deswegen
nicht, weil du eben die Parlamente als faktischen Ort der Macht hast, auch
wenn die in ihren Rechten eingeschraenkt sind und entwertet. Ich glaub, dass
die sozialen Bewegungen Teleskoparme in die Institutionen hinein brauchen.
Das ist einer der Punkte, wo ich die Gruenen in ihrer Vergangenheit schon
zitieren wuerde, es geht um ein ausserparlamentarisches Standbein und ein
innerparlamentarisches Spielbein -- und bis jetzt ist es immer so gewesen,
dass irgendwann einmal das Spielbein so fett angeschwollen ist, dass dann
ploetzlich das Ausserparlamentarische zum Nachgeordneten geworden ist. Wenn
du anfaengst, die institutionelle Politik als das Entscheidende zu
betrachten, spielst du letztlich das Spiel der Herschenden.

akin: Dann bleibt aber immer noch die Frage nach dem ausserparlamentarischen
Hebel -- an welchen Aktionsformen orientiert man sich?

Baier: Fuer mich war das letzte Jahr, was die Aktionsform betrifft, ueberaus
lehrreich. Erstens diese Demonstrationen am 15.Februar gegen den Krieg. Das
war ja ein historisches Ereignis. Noch niemals in der Geschichte der
Arbeiterbewegung und der Linken waren an einem Tag in 650 Staedten 20
Millionen Menschen auf Grund eines Aufrufs demonstrieren. Nach 200 Jahren
Geschichte der Arbeiterbewegung muss man sich vorstellen, was das bedeutet,
dass das in diesem Rahmen geglueckt ist.

Das zweite sind die grossen Streiks der letzten 2,3 Jahre. Und ich glaube,
diese Dinge stehen auf der Tagesordnung: global und europaeisch koordinierte
Streiks, Demonstrationen und Aktionstage. Jetzt zum Beispiel in Mumbai, beim
Sozialforum, haben wir mehrere Kampagnen besprochen, z.B. eine globale gegen
US-amerikanische Militaerstuetzpunkte. Das kann dann lokal mit
Blockadeaktionen, mit gemeinsamen Aktionstagen passieren. Es soll eine
gemeinsame Flottille organisiert werden, die mal da und mal dort
boykottiert. Wenn man all diese Kraefte buendelt, kann da was herauskommen.

Ich glaub, dass das Aktionsformen sind, wo deutlich wird, dass die weltweite
Bewegung gegen den Neoliberalismus und den Krieg viel breiter ist, als man
es in einem Land wie Oesterreich aufgrund seiner Schattenlage halt
wahrnimmt.

akin: Okay, Beispiel Irak. Wenn ich mir anschaue, wo demonstriert worden
ist, wo es massive Bewegungen gegeben hat, in Grossbritannien, Italien,
Spanien; letztendlich hat sich doch herausgestellt, dass nur jene
Regierungen gegen den Krieg waren, die im Irak konkrete Interessen hatten --
vollkommen unabhaengig davon, ob protestiert worden ist. Die Proteste in den
Kriegsnationen sind voellig ignoriert worden von den Regierungen. Die
diesbezuegliche Wirksamkeit von Demos sehe ich da nicht wirklich.

Baier: Also es stimmt nicht, Demos sind kein stumpfes Instrument, immerhin
hat die Demonstration in Seattle 2001 den Abschluss der Welthandelsrunde
verhindert...

akin: Moment, erstens waere die wahrscheinlich auch an den eigenen
Widerspruechen gescheitert und zweitens war das ja mehr als eine Demo, das
war eine direkte Aktion, die ein absolutes Chaos verursacht und damit schon
rein physisch die Konferenz behindert hat. Eine Demonstration in unserem
Sinne ist, dass sie dort Platz greift, wo die Polizei das erlaubt, und
nachher geht man wieder heim.

Baier: Da geb ich dir schon recht, wenn man legalistisch demonstrieren
will... Was ich sagen will, die direkte massenhafte Einmischung der Menschen
ist noetig; in den unterschiedlichsten Aktionsformen, wie das beispielsweise
die "Dissobedienti" in Italien machen oder wie das eben in Seattle war oder
jetzt in Cancun ... In einem Wechselspiel mit Regierungen oder mehr oder
weniger betulichen NGOs gibt es da einen komplizierten Mechanismus, wie du
die Herrschenden zu Fall bringen kannst. Wir stehen nicht in einer
aussichtslosen Situation: Mitte der 90er hat es in Frankreich grosse Streiks
gegeben gegen die Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen der Lehrer -- da
hat sich die Regierung nicht durchsetzen koennen. Also Widerstand wirkt
schon...

akin: Aber diese Streiks beschraenken sich doch immer auf die regionale oder
nationale Ebene...

Baier: Man muss das Bewusstsein entwickeln, das waere die Aufgabe einer ELP,
dass es eben nicht so ist, dass bspw. das Pensionssystem in Deutschland
demontiert wird und das nichts mit allen andern zu tun hat; oder dass die
Slowaken profitieren, wenn Betriebe von Frankreich in die Slowakei verlegt
werden; sondern dass das eben Teil einer sehr detaillierten, langfristig
konzipierten Strategie ist. Und dem muss man eben eine genauso langfristig
konzipierte Strategie entgegensetzen, zum Beispiel, indem man fuer
europaweite Kollektivvertraege kaempft oder fuer europaweit verbindliche
soziale und oekologische Standards in gesetzlicher Form. Das kannst du aber
nur durch europaweite Kaempfe erreichen. Ich glaub ja nicht, dass nationale,
regionale oder lokale Kaempfe an Bedeutung verlieren, im Gegenteil, denn
dort spitzen sich die Widersprueche ja zu. Das Problem ist nur dass du keine
Loesungen auf der regionalen Ebene erreichen kannst. Die PDSler gehen in die
Berliner Regierung und sind damit konfrontiert, dass die Stadt pleite ist,
und werden damit zu Komplizen der Sanierer -- und sobald saniert ist, werden
sie wahrscheinlich in die Wueste geschickt. Denn am Beginn des Ganzen steht
die Illusion, dass du Berliner Finanzprobleme in Berlin loesen kannst.

akin: Das ist ja das, was deine steirischen Kritiker sagen, man muesse auf
lokaler Ebene agieren und die die Sache von unten herauf, beispielweise aus
den Kommunen, aufbauen.

Baier: Nein, fuer das bin ich schon, mir gehts darum, sichtbar zu machen,
dass das, was in der Kommune geschieht, eben unter nationalen, europaeischen
und globalen Rahmenbedingungen stattfindet, und jeder linke Ansatz, einer
der den Anspruch erhebt, ueber das kapitalistische System hinauszuweisen,
theoretisch und praktisch international sein muss.

akin: Ich sehe da aber noch ein anderes Problem: Die Linke ist ja nicht nur
in Oesterreich voellig zersplittert. Wenn ich mir da neben der KPOe Gruppen
wie die SLP oder die Linkswende ansehe, so haben die ja auch alle ihre
europaeischen und internationalen Buendnispartner, ihre
Schwesternorganisationen. Ich hab den Verdacht, dass es leichter ist, sich
international zu vernetzen, als sich einmal lokal unter einem Dach
zusammenzufinden. Vielleicht ist es leichter, sich mit Daenen oder Esten
oder einer portugiesischen Organisation zusammenzusetzen, weil man mit denen
vielleicht weniger zu streiten hat. Ist der Internationalismus nicht
vielleicht auch ein bisserl eine Flucht vor der Unfaehigkeit lokal
zusammenzuarbeiten?

Baier: Die Gefahr besteht schon. Die internationale Vernetzung der Linken
hat sicher nur einen Sinn, wenn sie auch zur nationalen Vernetzung
beitraegt. Die KPOe bspw. ist eine kleine Partei und spielt national sicher
keine gewichtige Rolle, aber unser Prinzip ist zum Beispiel, das, dass wir
sagen, es ist einmal gut, dass sich nach Jahrzehnten der Scheu, eng
miteinander zusammenzuarbeiten, sich diese kommunistischen und
linkssozialistischen Parteien unserer "Parteifamilie" zusammenfinden, aber
genauso wichtig ist es, dass wir auf internationaler Ebene eine Kooperation,
einen Dialog mit den trotzkistischen Parteien -- die in Frankreich oder
Portugal gar nicht mal so schwach sind -- findet. Daher ist die KPOe
einerseits in der ELP, aber andererseits auch Beobachterin in der Europ.
Antikapitalistischen Linken, die im wesentlichen von der 4.Internationale
ausgeht. Und so aehnliche Verknuepfungsversuche gibts in Portugal und in
Spanien und in Luxemburg und in Grichenland und ich glaube auch, dass sich
nach den Regionalwahlen in Frankreich sich dort auch das Verhaeltnis
zwischen der KP und der LCR (Anm.: Sektion der 4.Internationale) dort anders
stellen wird. Das 20.Jahrhundert, das war der Konflikt von Stalinismus,
Trotzkismus, etc., aber heutzutage sind da keine Fragen, die die Linke
wirklich trennen muesste.

akin: Wenn die Linke irgendwie zusammenarbeiten soll, haben andere Gruppen
die Angst, dass sie von der KPOe geschluckt werden. Denn wenn man bislang
mit der KPOe kandidiert oder sonst was gemacht hat, ist man selbst ein wenig
untergegangen, weil am Schluss alle sagen: Das ist die KPOe plus Anhang!

Baier: Die KPOe hat sich in den letzten Jahren sicher in vielerlei Hinsicht
veraendert. Was ich fuer wichtig halte, ist, dass Pluralitaet von Ansaetzen
nicht etwas ist, was ein harmonisches Gesamtbild stoert, sondern ein Bild
der gesellschaftlichen Wirklichkeit widerspiegelt; dass Menschen die
emanzipatorische Politik machen, die aus unterschiedlichen Erfahrungen
schoepfen, auch unterschiedliche Traditionen haben; und dass politische
Wirksamkeit voraussetzt, diese Unterschiede zu akzeptieren, als Staerke zu
verstehen und im Stand zu sein, aus diesen unterschiedlichen Ansaetzen
gemeinsame Projekte zu entwickeln. So betrachtet waere es gar nicht im
Interesse der KPOe, irgendjemanden zu unterdruecken.

akin: Bisher wars ja eher doch so, wenn man mit der KP irgendwas zusammen
gemacht hat, ist man einem -- im Verhaeltnis zur Groesse der Partei --
Riesenapparat gegenuebergestanden, wo man sich schlechte Chancen ausrechnen
musste, gegen diesen Apparat die eigenen Anliegen durchzusetzen. Weil die
Ansprechstelle fuer die Presse beispielsweise ist jemand aus dem Apparat und
die gibt das hinaus, was sie sich gerade denket. Jetzt gibts diesen Apparat
grossteils nicht mehr. Ist die Tatsache, dass ihr pleite seids,
diesbezueglich vielleicht sogar eine Chance?

Baier: Ich sehe das durchaus so. Aber man muss schon sagen, dass in den
letzten zehn Jahren das nicht mehr der Apparat war, den du beschrieben
hast...

akin: .. naja, wieviele Angestellte habts ihr gehabt...?

Baier: Also in ganz Oestereich waren es 35.

akin: Wer hat schon 35 Angestellte?

Baier: Greenpeace...

akin: Ist ja wohl keine linke Organisation!

Baier: Ja...! Wurscht, ich stimm dem schon zu, dass es eigentlich eine
Chance ist, aber schon seit geraumer Zeit ist es die Ueberzeugung der
Mehrheit der aktiven Kommunistinnen und Kommunisten, dass es nicht der Sinn
einer politischen Partei sein kann, politische Bewegungen zu
vereinheitlichen. Die Vorstellung, dass eine vereinheitlichte Bewegung
staerker ist, hat sich ja immer wieder widerlegt. Die Friedensbewegung war
eine riesige Bewegung, sich aber nur einig in ein paar Essentials, in
wesentlichen Dingen sonst aber sehr unterschiedlich.

akin: Die Gefahr einer Vereinheitlichung sehe ich aber prinzipiell in
solchen Zusammenschluessen. Es ist ja nicht nur so auf nationaler Ebene. Und
je groesser sowas ist, desto groesser die Gefahr eines Zentralismus. Und
erst recht natuerlich bei einem Projekt wie der Europaeischen Linkspartei!

Baier: Also erstens bleiben alle Parteien souveraen, d.h. sie bestimmen
selbst, was sie von den Beschluessen, Entscheidungen, Kampagnen der ELP
umsetzen wollen. Das zweite ist, dass, wenn eine solche Partei wirksam
werden soll, dann muss sie sich dadurch auszeichnen, dass sie keine Partei
im traditionellen Sinn ist, d.h. sie wird sehr viele direktdemokratische
Elemente in sich tragen muessen, verschiedene Formen der Mitgliedschaft
kennen muessen, und sie wird vor allem keinen europaweiten Apparat aufbauen.
Sie wird sich als Partei darauf beschraenken, auf europaeischer Ebene im
Zusammenhang mit den europaeischen Sozialforen und den europaeischen
Gewerkschaften politische Positionen zu entwickeln, aber man darf sich nicht
vorstellen, dass dann in Rom oder in Berlin oder in Paris, wo halt dann die
Zentrale sein wird, Entscheidungen getroffen werden, die bis in die
Waldviertler Kleinstgemeinde fuer irgendjemanden Verbindlichkeiten
entfalten.

akin: Verbindlichkeiten nicht; aber ich kenn das ja von den Gruenen, dass
man da keine offiziellen Verbindlichkeiten hat, aber irgendein
Partei-Oberfuzzi sagt etwas im Fernsehen und dann gibts genug Basiswappler,
die dafuer sorgen, dass das was der Oberfuzzi sagt, auch wirklich umgesetzt
wird. In jedem Parteibezirksblattl steht dann ein unkritisches Interview mit
dem Van der Bellen, obwohl vielleicht in mancher Bezirksgruppe zwei Drittel
den Van der Bellen eigentlich nicht wollen. Wie vermeidet man diese Art der
Machtausuebung?

Baier: Die Leidensfaehigkeit des oesterreichischen Individuums, speziell des
gruenen Individuums versetzt mich immer in Erstaunen. Da denk ich mir aber,
dass es auch damit zusammenhaengt, dass es keine glaubwuerdige politische
Konkurrenz gibt. Weil, was du zum Schluss immer sagen kannst, der Van der
Bellen ist zwar so, wie er ist, aber besser als alle anderen ist er immer
noch. Ich mein, da gibts ja kein unteres Ende. Jetzt koalieren die Gruenen
in OOe mit der OeVP. Solange sich die Leute das reinwuergen lassen, wird das
immer so weiter gehen, weil es wird immer so sein, dass man sagen kann, dies
sei das geringere Uebel als eine Konstruktion mit der FP. Eigentlich geht es
darum, bei Wahlen etwas anderes zu tun, als das immer groesser werdende
kleinere Uebel zu waehlen.

akin: Zurueck zu deiner Partei -- wie geht es weiter mit der KPOe?

Baier: Also was wir jetzt wieder aufbauen, soll kein Apparat werden, sondern
eine Infrastruktur auf bescheidenen Niveau sein. Aber es stimmt schon, dass
das auch eine Chance fuer die KPOe ist, weil sie auf eine Politik abstellt,
die bewegungsorientiert ist, die davon ausgeht, dass man nur in Allianzen
politische Ziele ansteueren kann. Was auch andere Strukturen erfordert, die
emanzipativ oder auf Integration hin orientiert sind. Manche haben sich auch
darauf verlassen, dass bestimmte Aufgaben immer von bezahlten Kraeften
erledigt werden. Jetzt muessen die sich halt um diese Sachen selber
kuemmern. Die KPOe wird es weitergeben, aber es wird sie mit einer anderen
organisatorischen Philosophie geben und ich glaub, dass die KP aus diesen
ganzen Prozessen auch einen Nutzen ziehen wird.

akin: Letzte Frage: Wie schauts mitn EKH aus?

Baier: Es schaut so aus, dass im Haus schon wieder ein betraechtlicher
Betriebskostenrueckstand im Haus ist. D.h. das wir im letzten Jahr nicht nur
nix aus dem EKH lukrieren konnten, sondern dass wir halt wieder nur
hineingezahlt haben. Ansonsten gibt es nicht viel Neues, es hat halt ein
Gespraech im Haus gegeben und es hat aus der Landeskonferenz der KP Wien
diese Entscheidung gegeben, zu versuchen, mit den Projekten im Haus zu einer
Finanzierung zu kommen, dass sie der KPOe Geld zahlen koennen.

Gleichzeitig war mit dieser Oeffentlichkeit, die das ganze gehabt hat, jeder
Artikel wie ein Inserat. Da weiss jetzt jeder Interessent, dass die KPOe ein
Haus verkaufen will. Also wenn ein Angebot kommt, das in der Groessenordnung
finanziell passt, dann muss die KPOe eine Entscheidung treffen. Ich hoffe,
dass zu dem Zeitpunkt, wenn einmal ein Angebot daliegt, wir auch
gleichzeitig konkrete Ideen haben, damit die Projekte, die im Haus sind,
weiterbestehen koennen, weil sie finanziert werden, und dann fuer die KPOe
auch irgendwie Geld lukriert wird.

akin: Na, guuut...

Baier: Ich weiss schon, dass gefaellt nicht, aber ich weiss nichts sonst;
was soll ich machen...

akin: Danke fuer das Interview.

---

* Der Aufruf zur ELP-Gruendung:
http://www.pds-online.de/partei/international/gemeinsame_dokumente/view_html
?zid=29&bs=1&n=1

Das provisorische Programm:
http://www.pds-online.de/partei/international/gemeinsame_dokumente/view_html
?zid=30&bs=1&n=1



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